Vom Neuling zum Star: Alonso, Räikkönen, Montoya

Von Mathias Brunner
Beim Grand Prix von Singapur 2022 wird Fernando Alonso zum Formel-1-Fahrer mit den meisten Einsätzen – 351. Grand Prix, einen mehr als Kimi Räikkönen. Die beiden debütierten zusammen 2001 in Melbourne.

Meilenstein in der Karriere des zweifachen Formel-1-Chamions und Langstrecken-Weltmeisters Fernando Alonso: Beim Nacht-GP von Singapur am 2. Oktober wird der 41-jährige Spanier zu seinem 351. Formel-1-WM-Lauf antreten und damit zum alleinigen Rekordhalter der Königsklasse. «Iceman» Kimi Räikkönen war 350 Mal im Einsatz. Die beiden debütierten beim gleichen Rennen – beim WM-Auftakt 2001 im Albert-Park von Melbourne (Australien).

Am 4. März 2001 gaben damals vier junge Fahrer ihr GP-Debüt – Kimi Räikkönen (Sauber), Juan Pablo Montoya (Williams-BMW), Fernando Alonso (Minardi) und Enrique Bernoldi (Arrows). Kimi, Juan Pablo und Fernando gewannen insgesamt 60 Formel-1-WM-Läufe, Kimi und Fernando wurden Formel-1-Weltmeister, Montoya eroberte vor und nach seiner GP-Karriere Siege in Indianapolis, Alonso wurde Le Mans-Sieger und Langstrecken-Weltmeister, nur Bernoldi hatte gegen so viel Talent einen schweren Stand.

Aber wie war das damals eigentlich? War im Fahrerlager des Albert Park Circuit klar, was für fabelhafte Racer hier ihren Einstand gaben?

Die Voraussetzungen hätten nicht unterschiedlicher sein können: Montoya kam als Formel-3000-Champion 1998, CART-Champion 1999 und Indy-500-Sieger 2000 in die Königsklasse. Hier musste niemand mehr über Talent sprechen, der Kolumbianer troff vor Begabung.

Volles Risiko bei Sauber

Teamgründer Peter Sauber ging mit Kimi Räikkönen scheinbar ein Risiko ein. Der Zürcher sagt: «Kimi hatte ganze 23 Autorennen bestritten, bevor mich seine Manager zu einem Test überredeten. Aber als Kimi in Mugello mit unserem Auto ausrückte, war schnell klar – das ist ein künftiger Star.»

Im Gegensatz zum stillen Fernando Alonso konnte Enrique Bernoldi in der Formel 3000 (der heutigen Formel 2) nur selten glänzen. Der Brasilianer war schnell, aber zu wenig konstant, um ein regelmässiger Siegfahrer und Titelanwärter zu werden.

Im Training von Melbourne verlor Enrique auf Jos Verstappen (Papa von Max) sechs Zehntel und stand Montoya im Weg herum, worauf der südamerikanische GP-Rookie die Faust aus dem Cockpit fuhr.

Ein Blick in die Startaufstellung: Montoya Elfter, Räikkönen auf Startplatz 13, Bernoldi auf 18, Alonso im brustschwachen Minardi unmittelbar dahinter auf dem 19. Startplatz, aber wie viel dieser Fernando wert war, zeigte sich am Abstand zu seinem Stallgefährten Tarso Marques – 2,6 Sekunden!

Mika Häkkinen sagte mir vor dem Start: «Wenn Kimi so weitermacht, ist er die Zukunft.» Wie recht der McLaren-Mercedes-Star haben sollte.

Kimi war als 13. der beste finnische Rookie der Formel 1, auch Häkkinen hatte in Phoenix zehn Jahre zuvor Startplatz 13 belegt. Die Truppe von Lotus war damals so baff wie nun jene von Sauber.

Der Einzige, der nicht beeindruckt war: Kimi Räikkönen. «Ich dachte, ich könnte mich unter die schnellsten Zehn schieben», maulte der Finne.

Im Rennen fuhr Kimi mitten in den ganzen Stars, als hätte er sein Leben lang nichts Anderes getan, seine Überholmanöver waren respektfrei aber, nomen est omen, blitzsauber, am Ende holte er im ersten Rennen gleich den ersten Punkt – und davon gab es 2001 nur für die ersten Sechs im Ziel welche.

Für das Sauber-Team war es der Beginn einer grandiosen Saison, die mit dem vierten WM-Schlussrang enden sollte. In Melbourne wurde Nick Heidfeld hervorragender Vierter, Kimi Sechster. Peter Sauber sagt: «Wir sassen am Sonntagabend bei einem Bierchen zusammen, alle waren total glücklich. Nur Kimi bedauerte, dass er nicht auf dem Siegerpodest gestanden hatte. Für ihn gab es nur den Sieg, der Rest interessierte ihn nicht.»

Montoya: «Sie konnten Pablo nicht aussprechen»

Montoya («in den USA nannten sie mich nur Juan, weil sie Pablo nicht aussprechen konnten») meinte vor seiner ersten Formel-1-Qualifikation: «Ich hätte erwartet, dass ich nervöser sein würde, aber ich war ganz ruhig. Wenn Bernoldi nicht vor mir herumgedödelt hätte, wäre mein Startplatz besser gewesen. Ich dachte, er würde mir Platz machen, dann lenkte er auf einmal ein. Also in seinen Fanklub werde ich nicht so bald eintreten. Da habe ich auf meiner besten Runde locker acht Zehntelsekunden verloren.»

Wir rechnen kurz: Mit 1:27,9 min hätte JPM knapp hinter Ralf Schumacher gelegen und Williams die komplette dritte Startreihe beschert.

Fernando Alonso: Der Simulator war eine PlayStation

Und Fernando Alonso? Der sagte über sein Training für Australien: «Ich habe auf der PlayStation geübt, mehr war nicht drin.» Zeitweise lag der Asturier auf dem sensationellen 15. Platz, trotz eines Motors mit der Leistung einer alten Luftpumpe. Fernando zuckte mit den Achseln: «Ich riskierte nichts, weil Minardi doch kein Ersatzauto hier hat. Zudem habe ich auf meiner besten Runde die Bremspunkte versemmelt, das hat mich vier Ränge gekostet.»

Dabei war es ein Wunder, dass Minardi überhaupt in Australien am Start war.

Techniker Gustav Brunner erzählt: «Am 18. Januar entschied Renault um 13.30 Uhr, dass wir keinen Motor bekommen. Um 13.35 rief Flavio Briatore Giancarlo Minardi an. Um 13.37 rief Giancarlo mich an. Um 13.55 Uhr war ich im Rennwagenwerk von Faenza. Um 14.00 Uhr hatte ich eine Sitzung mit meinen Technikern, um 14.05 Uhr war das Meeting aus, einen Tag später ging der Wagen in Produktion, es gab nur ein halbes Monocoque mit einer Aufhängung, die für die Hinterachse von Renault vorgesehen war. Das mussten wir alles umschmeissen.» Ach ja, und zwischendurch wurde das Team noch rasch von Gabriele Rumi und Giancarlo Minardi an Paul Stoddart verkauft.

Es vor diesem Hintergrund mit fahrbereiten Autos (samt European-Motoren, also entstaubten Uralt-Ford-Triebwerken) nach Australien zu schaffen, das war für Gustav Brunner «wie einen Himalaya-Achttausender zu besteigen». Als sich Alonso dann für Rang 19 qualifzierte, fand Brunner: «Das fühlte sich für uns an wie der Gipfel des Mount Everest.»

Enrique Bernoldis Formel-1-Debüt endete mit einem unfreiwilligen Crash-Test an einer Parkmauer.

Juan Pablo Montoya deutete mit der viertschnellsten Zeit im Aufwärmtraining (jaja, so etwas gab es früher!) an, dass mit ihm zu rechnen sein würde. Seinem ersten stehenden Start seit Jahren sah er mit gemischten Gefühlen entgegen: «Einige meiner Probestarts waren phänomenal, andere beschissen.»

Einige Stunden später trafen wir ihn wieder im Fahrerlager, bei einem Eis. In Runde 40 war eine Ölleitung gerissen, Motorschaden. JPM: «Nach dem Start war ich kurz in der Wiese, weil ich die Räder blockieren liess. Aber danach lief es ganz ordentlich. Ich darf mit mir zufrieden sein.»

Beim Ausfall lag Juan Pablo Montoya auf dem dritten Platz.

Alonso fuhr seinen ersten Grand Prix zu Ende und wurde Zwölfter. «Am aufregendsten fand ich das Getümmel gleich nach dem Start. Das Rennen verlief gut, ich fühle mich nicht mal übertrieben müde. Einmal bin ich Barrichello im Weg gestanden, das tut mir leid. Aber in diesen verdammten Rückspiegeln kannst du so gut wie nichts erkennen.»

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