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Steiner: Kultfigur und ein Teamchef, der polarisiert

Von Andreas Reiners
Günther Steiner

Günther Steiner

Mick Schumacher wartet weiter auf eine Entscheidung zu seiner Zukunft. Sein Teamchef Günther Steiner ist ein komischer Kauz, ein Vertreter der alten Schule - und Kult.

Seinen Legendenstatus zementierte Günther Steiner mit einer deftigen Schimpftirade. Neun Mal benutzte er das böse F-Wort, und das innerhalb von nur 30 Sekunden. Damals faltete er die Fahrer Romain Grosjean und Kevin Magnussen nach einem Crash untereinander zusammen.

Es war nicht das erste Mal, dass der Haas-Teamchef in der Netflix-Doku «Drive to Survive» verbal den Vorschlaghammer herausholte, doch der Moment in der zweiten Staffel ist inzwischen genauso Kult wie der Südtiroler selbst.

Denn der Boss von Mick Schumacher ist dank Netflix der (gar nicht mehr so) heimliche Superstar der Formel 1. Steiner ist authentisch, ehrlich, geradeaus und dabei sehr eigenwillig – ein echtes Original.

Sein Südtiroler Akzent lässt ihn mit manchen Dingen durchkommen, wenn er mit seiner kantigen Art mal wieder aneckt. Er ist in dem Milliardenzirkus Formel 1 eine Seltenheit. Eine Art Gegenentwurf zum auf Hochglanz polierten PS-Produkt. Einer zum Anfassen und damit ist er genau das, was die Formel 1 lange nicht war – bis Netflix kam.

Steiner: «Ein Haufen Wi*****!»

Ebenfalls legendär: Nach einem Boxenstopp-Debakel 2018 in Australien sagte Steiner zu Haas-Besitzer Gene Haas: «Wir hätten Rockstars sein können, aber jetzt sehen wir aus wie ein Haufen Wi*****!»

Kult.

Wie so vieles Kult um den knorrigen Südtiroler ist, der mit seinen Wutausbrüchen, derben Sprüchen und seiner offenen Art ein breites Publikum anspricht und anzieht.

Beim Rennen in Austin konnte er deshalb zuletzt nicht mehr unerkannt durch die Stadt laufen. Da wurde er sogar von der Polizei abgeführt. «Aber sie wollten nur ein Foto machen! Und ich begann zu rennen! Nein, ich scherze nur, aber das ist hier im Moment sehr beliebt», verriet er. Mit seinen Zitaten aus der Netflix-Serie sind Fans allerdings nicht auf ihn zugekommen. Zum Glück, «die starten ohnehin alle mit F, deswegen wiederhole ich sie besser nicht!»

Was im Grunde nur noch fehlt, sind Heiratsanträge, die hat Steiner noch nicht bekommen. «Und ich weiß auch nicht, wie meine Frau darüber denkt. Vielleicht fühlt sie sich gut dabei, wenn sie mich loswird. Man kann nie wissen», scherzte Steiner. Der Hype ist schön für ihn, noch besser ist er für die Formel 1. «Wir müssen immer an alle denken. Das ist es, was das Boot am Laufen hält - es sind die Leute, die Fans. Wenn wir nur für uns selbst fahren, kommen wir nicht weit», so Steiner.

Steiner vertritt die alte Schule

Wenn man mit ihm zusammenarbeiten muss, kann er allerdings auch anders.

Denn in seinem Umgang, bei seinem Führungsstil vertritt der 57-Jährige die alte Schule, wählt den autoritären Stil. Offen und ehrlich, manchmal zu ehrlich, knallhart, schonungslos. Was die Zuschauer authentisch und lustig finden, kann für die Piloten schon mal schmerzhaft und anstrengend sein.

Es wird Fahrer geben, die genau das brauchen, um Leistung zu bringen oder denen es schlicht egal ist. Kevin Magnussen ist so ein Typ. Es gibt aber auch sensiblere Piloten, die zwar intern mit Kritik umgehen können, die Herunterputzerei nach außen aber nicht gut vertragen.

Micks Onkel Ralf Schumacher nannte das vor einigen Wochen nicht mehr zeitgemäß und fühlte sich an seinen früheren Teamchef Frank Williams erinnert. «Frank wollte Konflikte schüren, statt Teamgeist und Harmonie zu verbreiten», erklärte Schumacher bei F1-Insider. «Er war der Meinung, dass Fahrer bessere Leistungen bringen, wenn sie sich hassen. Ähnlich wie Steiner redete er auch zuerst mit der Presse, die er mit Infos versorgte, um den Piloten Druck zu machen.»

Er betont, dass er und seine Teamkollegen noch bessere Leistungen gebracht hätten, wenn es mehr Zusammenhalt gegeben hätte. «Denn die ganzen Psychospielchen verbrauchten unnötig Energie», sagte Ralf Schumacher.

Ansätze, die Situation bei Haas menschlich zu begleiten, gibt es einige. Steiner hat sich dazu entschieden, sich treu zu bleiben, er lässt sich nicht verbiegen. Heißt: Er bleibt direkt, autoritär, schroff, dafür aber eben auch ehrlich. Doch ist das noch zeitgemäß? Wichtiger noch: Ist es die richtige Art für Schumacher?

Schumacher: Immer wieder Druck

«Ich glaube, Mick hat noch mehr Potential. Dass es auch mal ungemütlicher wird, wenn man das freilegen will, ist Teil des Spiels. Aber was für ein Teamchef wäre ich, wenn ich meinen Fahrer nicht pushen würde?», erklärte Steiner seinen Stil vor ein paar Wochen.

Gepusht wird auch verbal. Und öffentlich.

Steiner nimmt deshalb in Interviews kein Blatt vor den Mund. Mick Schumacher kritisierte er immer wieder öffentlich, verteilte Seitenhiebe, baute Druck auf. Ob Schumacher diese Art von Führung zusätzlich oder besonders motiviert und angetrieben hat, bleibt zumindest fraglich.

Schumacher geht damit nach außen hin erstaunlich gelassen um, und ob er mit einem anderen Stil erfolgreicher gewesen wäre, ist möglich, aber hypothetisch. Dass es aber anders geht, zeigt das Beispiel Daniel Ricciardo, der in dieser Saison komplett neben sich steht und zum Saisonende bei McLaren gehen muss. Teamchef Andreas Seidl beließ es dabei, sachlich zu bleiben, anstatt polemisch zu werden.

Nicht Netflix, sondern Formel 1

Die jetzigen Haas-Fahrer würden einen guten Job machen, und er glaube, dass Haas gut daran täte, an beiden festzuhalten, stellte Ralf Schumacher zuletzt klar und empfahl Steiner Selbstkritik: «Das ist hier nicht Netflix, das ist die Formel 1.»

In Brasilien verteidigte sich Steiner mal wieder gegen seine Kritiker, die vornehmlich aus Deutschland kommen. Seit Monaten wird nach Schumachers Zukunft gefragt, und Steiner ist irgendwas zwischen belustigt und genervt. Dass der Druck auf Schumacher monatelang groß war, gehöre zum Job, so Steiner.

Immerhin: Nach monatelangen Gedankenspielen habe Haas die Fahrerfrage «in den letzten Tagen» final geklärt, verriet Steiner in Brasilien. «Jetzt arbeiten wir noch an ein paar Details und dann werden wir es bekanntgeben.» In dieser Woche soll das passieren, noch vor dem finalen Rennen am kommenden Sonntag in Abu Dhabi.

Auch wenn Steiner sich weiter nicht in die Karten schauen lässt, wer Teamkollege von Kevin Magnussen wird: Es läuft alles darauf hinaus, dass Schumachers Formel-1-Karriere erst einmal ausgebremst wird, dass der 23-Jährige kein Cockpit für 2023 bekommt. Nico Hülkenberg wird seinen Landsmann ersetzen.

«Haas hat alle Rechte, ich sehe es anders, ich glaube, dass das Team die falsche Entscheidung treffen wird», sagte Ralf Schumacher bei RTL. «Auf der anderen Seite: Wenn ich die Wahl hätte, weiß ich nicht, ob ich als Fahrer mit Günther Steiner zusammenarbeiten möchte.»

Mick muss es vorerst nicht mehr.

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