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Michael Schumacher: Was ihn als Racer auszeichnete

Von Mathias Brunner
Benetton 1994: Ross Brawn, Michael Schumacher, Pat Symonds

Benetton 1994: Ross Brawn, Michael Schumacher, Pat Symonds

Die Mitarbeiter von Michael Schumacher haben sich für den Ausnahme-Racer bedingungslos ins Zeug gelegt. Sein langjähriger Weggefährte Pat Symonds sagt, wieso Schumi ein solcher Motivator war.

Pat Symonds denkt noch lange nicht ans Aufhören. Eigentlich wollte sich der inzwischen 70 Jahre alte Engländer 2022 in den Ruhestand begeben, aber die Arbeit als leitender Techniker der Formel 1 macht ihm einfach zu viel Spass.

Das Formel-1-Urgestein Symonds, Anfang der 1980er Jahre mit Toleman (heute Alpine) in die Königsklasse gekommen, kann etwas vorweisen, das den meisten Ingenieuren verwehrt geblieben ist: Er hat mit den drei Ausnahme-Rennfahrern Ayrton Senna, Michael Schumacher und Fernando Alonso gearbeitet. Aber Schumi hat im Herzen von Symonds einen besonderen Platz behalten.

Als Michael Schumacher bei Benetton zum Siegfahrer und Weltmeister 1994/1995 aufstieg, war Pat Symonds sein Renningenieur. Pat holt aus: «Wie Ingenieure und Fahrer miteinander umgehen, das hat mich immer fasziniert, denn man sollte sich nahe stehen ohne sich zu nahe zu kommen. Ich erkläre das: Du musst dem Piloten so nahe sein, dass du fast erahnen kannst, was der andere denkt. Als ich etwa mit Michael Schumacher gearbeitet habe, da erreichten wir dieses Niveau – ein Verständnis fast ohne Worte, es war beinahe wie Gedankenübertragung.»

«Aber, und das ist für einen Renningenieur ganz wichtig, du musst immer im Hinterkopf behalten, dass du für einen Rennstall arbeitest, nicht für einen Piloten. Der Fahrer ist nur ein weiterer Angestellter des Teams.»

«Ingenieure sind sehr logisch denkende Menschen, die alles in einer ganz bestimmten Weise und auf hohem Qualitätsniveau erledigt haben wollen. Also tendieren sie dazu, lieber mit Fahrern zu arbeiten, die ähnlich denken. Wenn du dann als Renningenieur auf einmal beispielsweise mit lateinischem Temperament umgehen musst, dann ist das nicht ganz einfach. Einige Piloten können schon schwierig sein. Aber ein guter Renningenieur ist anpassungsfähig.»

«Ich hatte das Privileg, mit überdurchschnittlichen Piloten arbeiten zu können, mit einigen Weltmeistern, dazu mit anderen, die daran waren, Weltmeister zu werden. Aber von allen Piloten, mit welchen ich in vierzig Jahren Rennsport gearbeitet habe, ist mir Michael Schumacher der Liebste.»

«Wir hatten einfach einen tollen Draht zueinander, in professioneller Hinsicht, aber auch auf menschlich-persönlicher Ebene. Wir sind bei Benetton zusammengewachsen.»

«Michael war unvergleichlich in der Art und Weise, wie er auf jedes Detail geachtet hat. Er hat den Grundgedanken perfektioniert, sich kontinuierlich zu verbessern. Das hat keiner vor ihm so konsequent umgesetzt, und das habe auch ich verinnerlicht. Wir haben uns wirklich um die kleinsten Details gekümmert, um noch ein wenig Zeitgewinn zu erreichen. Es war ein Traum, mit ihm zu arbeiten, was seine Logik angeht, sein Einsatz, seine Arbeitsethik, seine Intelligenz und seine Fähigkeit, ein solches Auto irrsinnig schnell zu fahren. Es war immer wieder verblüffend.»

«Michael konnte unglaublich gut mit Menschen umgehen. Er ist einer der nettesten Kerle, die ich je in diesem Sport getroffen habe. Ich halte die grössten Stücke auf ihn. Seine Mitarbeiter waren ihm wirklich wichtig, er kannte jeden. Wenn er in meiner Nachbarschaft leben würde, dann wäre das mein bester Freund.»

«Ich habe nur zwei Fahrer erlebt, die ein Team wie ein Mann hinter sich scharen konnten – das waren Michael Schumacher und Mark Webber. Sie hatten einfach diese ganz besondere Persönlichkeit, sie wurden von allen gemocht, also zerrissen sich die Mitarbeiter förmlich, um ihnen zu helfen.»

«Das lag auch an seinem gewaltigen inneren Antrieb. Michael hat sich in die Arbeit geworfen wie kaum ein zweiter. Er war einer der ersten am Morgen an der Rennstrecke und einer der letzten, der die Bahn in der Nacht verlassen hat. Er war gerne unter den Mechanikern, und er hat sich nie davor gescheut, sich die Hände schmutzig zu machen und zu helfen.»

«Michael war überragend darin, ein Rennen sozusagen zu lesen. Er konnte sich gewissermassen vom reinen Fahren mental abkoppeln und hatte Reserven, um über den Rennverlauf nachzudenken. Dieses Plus an geistiger Kapazität hebt einen Fahrer wie ihn von den Gegnern ab. Er erinnerte sich auch an alles.»

Sprechen wir hier von einer Art photographischem Gedächtnis? Symonds antwortete: «Nein, das meine ich nicht. Ein Mensch mit photographischem Gedächtnis kann alles abrufen, was er aufgenommen hat, aber das bedeutet nicht, dass er aus diesen Informationen die richtigen Schlüsse zieht. Michael hatte sehr viele Daten zur Verfügung, er wusste mit diesen Informationen umzugehen, zu sortieren – das ist wichtig, das ist nicht so relevant – und dann zog er die korrekten Schlüsse daraus, in welche Richtung zu gehen ist. Das Analysieren ist das Wichtige, nicht das Erinnern.»

«Ein Mensch mit photographischem Gedächtnis wird später sagen können, dass dieser Tisch hier weiss ist und wie die Blumen aussahen, die darauf standen. Michael würde dir erklären, warum der Tisch weiss ist und aus welchen Gründen die Art von Blumen ausgesucht worden ist.»

«Als ich bei Toleman mit Ayrton Senna arbeitete, hatte er definitiv noch ein paar Defizite – bei der Fitness oder bei der Detailarbeit. Er hatte wahrscheinlich mehr Talent als Michael. Und auch bei Fernando gab es noch ein paar Kleinigkeiten, die ausgebügelt werden mussten. Aber Michael war in jeder Hinsicht unglaublich gut: Seine Fähigkeit, an seiner Fitness zu arbeiten, sein Verständnis der Zusammenhänge oder seine Fähigkeit, ein Rennen zu lesen – da stimmte einfach alles. Für mich ist er deshalb der Beste, mit dem ich jemals zusammengearbeitet habe.»

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