Die Akte X der Formel 1: Zufall oder Schicksal?
Eine düstere Vorhersage
Nanou van Melderen, damals Freundin des Rennfahrers François Cevert, war davon überzeugt, dass ihr eine Wahrsagerin vorhergesagt hatte, dass sich ihr Weg mit jenem von François kreuzen würde. 1966 ging sie zu der Frau zurück, um mehr zu erfahren. Die Wahrsagerin meinte (ohne zu wissen, dass es sich um Cevert handelt), dass ihr Freund in seinem Metier viel Erfolg haben werde, dass dieser Erfolg sie aber entzweien würde.
François war skeptisch und besuchte die Frau selber. Sie wusste nicht, dass er der Freund von Nanou war, sie wusste nicht, dass er Rennfahrer war. Sie wiederholte, dass er in seiner Arbeit viel Erfolg finden würde, aber seinen 30. Geburtstag nicht erleben werde. Cevert lächelte die düstere Vorhersage weg. Er kam bei einem Unfall im Training zum Grossen Preis der USA 1973 in Watkins Glen ums Leben. Mit 29 Jahren.
Wir sehen doppelt doppelt
30 Fahrer gingen ins britische GP-Wochenende von 1959 in Aintree bei Liverpool. Und gleich vier Piloten im Feld hiessen Taylor: Henry Taylor (Elfter mit seinem Cooper), Mike Taylor (ebenfalls Cooper, ausgeschieden), Dennis Taylor (Lotus, nicht qualifiziert) sowie Trevor Taylor (Cooper, ebenfalls nicht qualifiziert). Skurril: Keiner war mit dem anderen verwandt. Und alle bestritten ihr erstes GP-Wochenende im Rahmen eines Formel-1-WM-Laufs!
Kurioserweise gab es in der Formel-1-WM in den 1950er und 1960er Jahren gleich sechs Piloten des Namens Taylor – Michael Taylor (2017 verstorben), Henry Taylor (2013 verstorben), John Taylor (1966 tödlich verunglückt), Dennis Taylor sowie Trevor Taylor, der Erfolgreichste unter den Vieren, als WM-Zehnter 1962, er ist 2010 verstorben. Dennis Taylor kam 1962 in Monaco bei einem Formel-Junior-Rennen ums Leben. Darüber hinaus gehört zur F1-Statistik auch der US-Amerikaner Bill Taylor, der 1952 zum Indy 500 antrat, das damals zur Formel-1-WM zählte, der US-Amerikaner starb 2004.
Sturz ins Hafenbecken von Monaco
Beim Traditions-GP von Monaco stürzten zum Glück in all den Jahren nur zwei Fahrer ins Hafenbecken: Der Italiener Alberto Ascari 1955 und der Australier Paul Hawkins 1965. Beide überlebten den Sturz mit verhältnismässig geringen Blessuren. Beide kamen später an einem 26. Mai ums Leben – Ferrari-Star Ascari bei Testfahrten vier Tage nach dem Unfall von Monaco, Hawkins bei einem Sportwagen-Rennen in Oulton Park vier Jahre nach dem Unfall von Monaco.
Vater und Sohn
Antonio und Alberto Ascari, Vater und Sohn: Beide Italiener kamen an einem 26. ums Leben, beide waren dabei 36 Jahre alt. Beide wurden vier Tage nach einem schweren Unfall getötet, beide hatten zuvor 13 GP-Siege errungen. Beide hinterliessen eine Gattin mit zwei Kindern. Beide starben ausgangs von schnellen Linkskurven. Der Kuriositäten nicht genug: Ascari fürchtete die Zahl 13 wie den Teufel. An einem 13. stieg der Italiener grundsätzlich nichts ins Rennauto. Ascaris Unfallwagen von Monaco trug die Nummer 26, was zwei Mal der Unglücks-13 entspricht. Die Geschichte, wonach in Ascaris Taschen nach dem tödlichen Unfall 13.000 Lire gefunden wurden, ist jedoch frei erfunden.
Alberto Ascari zeigte teilweise absurden Aberglauben. Sein langjähriger Freund Gigi Villoresi erzählte: «Wenn wir unterwegs waren und eine schwarze Katze kreuzte die Strasse, dann kehrte Alberto auf der Stelle um. Nie im Leben hätte er diese Strasse weiter befahren. Das ist mir an seiner Seite einige Male passiert. Er hat seine Meinung nur dann geändert, wenn von links eine zweite schwarze Katze gekommen wäre. Aber mal ehrlich: Wie gross ist die Chance, dass so etwas passiert? Also fuhren wir halt Umwege.»
Ascari, am Rennlenkrad todesmutig, war als Fussgänger ein Hasenfuss: Vor dem Überqueren einer Strasse guckte er nach links, nach rechts, dann nochmals nach links, erneut nach rechts. Übervorsichtiger geht es nicht. Und Ascari war ein Zahlenfetischist. An Tagen mit Zahlen, die einen Bezug zum Todestag seines Vaters hatten, trat er bisweilen nicht zu Rennen an.
Jackie Stewart, Herr Regelmässigkeit
Der Schotte Jackie Stewart war drei Mal Formel-1-Weltmeister – 1969, 1971 und 1973. Jedes Mal hielt er seinen Titel exakt gleich lang, 392 Tage.
Ausgleichende Gerechtigkeit
Kurz nach dem Start zum Belgien-GP 2012 verursachte Lotus-Fahrer Romain Grosjean einen Crash, bei dem Fernando Alonso, Sergio Pérez und Lewis Hamilton aus dem Rennen gerissen wurden. Eine Woche später musste der Genfer Grosjean zur Strafe beim Grossen Preis von Italien einmal aussetzen. Und wer stand auf dem Siegerpodest? Lewis Hamilton, Sergio Pérez und Fernando Alonso!
Lewis Hamilton und Jenson Button
Lewis Hamilton und Jenson Button verbindet mehr als nur Briten zu sein. Beide eroberten ihren ersten WM-Titel in Interlagos (Brasilien). Beiden reichte dazu ein fünfter Rang. Beide Piloten waren mit Mercedes-Power unterwegs. Beide Rennwagen trugen die Startnummer 22.
Teo Fabi: Vorne ist nicht vorne
Der Italiener Teo Fabi hält einen seltsamen Formel-1-Rekord: Er ist der einzige Fahrer, der im Grand-Prix-Sport mehr als eine Pole-Position errungen, aber nie eine Runde geführt hat! Auf dem Nürburgring 1985 stellte er seinen Toleman-Hart auf Pole, verbrannte aber beim Start seine Kupplung. Auf dem Österreichring (heute Red Bull Ring) und in Monza stellte er den nunmehr Benetton genannten und BMW-befeuerten Wagen erneut auf die Pole. In der Steiermark fiel er gleich hinter Gerhard Berger zurück. Teo erkämpfte sich die Führung zurück, aber bevor er die Ziellinie kreuzen konnte, hatte sich Berger wieder nach vorne getankt. In Monza konnte Fabi nicht mal von der eroberten Pole ins Rennen gehen, weil ihn sein Wagen noch während der Aufwärmrunde im Stich liess.
Merkwürdig verbunden
Seltsam, aber wahr: Der Australier Alan Jones gewann in Argentinien 1980, als Alain Prost seinen ersten Grand Prix fuhr (und Sechster wurde). Alain Prost gewann 1986 in Adelaide (Australien), als Jones zum letzten Mal in der Formel 1 antrat. Prost gewann in Rio 1984, als Ayrton Senna seinen ersten Grand Prix bestritt (für Toleman, Senna schied aus), und Senna gewann in Australien 1993, als Prost seinen letzten Grand Prix fuhr. Aller guten Dinge sind drei: Michael Schumacher triumphierte in Australien 2000 beim ersten Grand Prix von Jenson Button. Und Button war Erster im Abschieds-GP von Schumi, in Brasilien 2012.
Ein besonderes Geschenk
Nur zwei Formel-1-Fahrer haben an ihrem Geburtstag einen WM-Lauf gewonnen: James Hunt (McLaren) in Zandvoort 1976, da wurde der Engländer 29 Jahre alt. Und Jean Alesi (Ferrari) in Montreal 1995, an seinem 31. Geburtstag.
1, 2 und 3
Beim Grossen Preis von Australien 2013 in Melbourne landeten Kimi Räikkönen, Fernando Alonso und Sebastian Vettel auf den ersten drei Rängen. Was daran merkwürdig ist? Ihre WM-Titel – Kimi war zu dem Zeitpunkt einmal Weltmeister, Alonso zwei Mal, Vettel drei Mal.
Der verschwundene Diamant
Diamanten sind punkto Glamour schwerlich zu überbieten, und so lag 2004 eine Kooperation zwischen den Diamanten-Spezialisten der Firma Steinmetz und der Edelmarke Jaguar auf der Hand – die ganze Aktion im Rahmen des Werbegetrommels für den Kino-Knaller «Ocean’s Twelve», eine Gauner-Komödie mit George Clooney, die auch heute noch sehenswert ist. Was dann folgte, war ebenfalls Hollywood-reif.
Jedenfalls fand es Steinmetz eine pfiffige Idee, auf die Fahrzeugnase des Jaguar R5 einen angeblich echten Diamanten zu setzen. Präsentiert wurde das Projekt im Beisein der Rennfahrer und des Supermodels Bridget Hall. Der Österreicher Christian Klien setzte den Wagen in der ersten Runde des Monaco-GP in die Leitschienen, in der Loews-Kehre. Der Viertelmillionen-Stein löste sich im Durcheinander in Luft auf. Natürlich verbat sich der Automobilklub von Monaco jede Andeutung einer Unterstellung, einer der Streckenposten habe für seine Frau ein hübsches Weihnachts-Geschenk gefunden.
2021 löste der frühere Jaguar-Fahrer Mark Webber den Fall: «Der angebliche Edelstein in der Nase des Jaguar war nur ein paar Dollar wert.»
Rätsel in Singapur
Vor ein paar Jahren wurde allen Ernstes behauptet: Stromkabel der Singapurer U-Bahn erzeugten ein so kraftvolles magnetisches Feld, dass die Rennwagen davon beeinträchtig würden. Als angeblicher Beweis wurde angeführt, dass bei einigen Autos wie von Geisterhand das Getriebe in die neutrale Stufe schaltete, und dass der Wagen von Felipe Massa 2015 von der U-Bahn lahmgelegt worden sei.
Wahr ist an der ganzen Geschichte nur eines – dass am ersten Singapur-GP-Wochenende 2008 tatsächlich einige Formel-1-Boliden auf die starken Magnetfelder reagierten, wie etwa der Red Bull Racing-Renner von Mark Webber. Seitdem schützen die Rennställe gewisse Teile ihrer Autos gegen elektromagnetische Störungen mit besonderen Abschirmungen.
Der damalige Williams-Ingenieur Rob Smedley sagte mir jedoch zum Ausfall von Felipe Massa: «Die U-Bahn hat mit dem Ausfall von Felipe rein gar nichts zu tun. Er hatte einfach ein Getriebeproblem.» Das Schlusswort zur U-Bahn-Geschichte hat der frühere Formel-1-Fahrer Martin Brundle: «Das ist ein reines Hirngespinst.»