Danner: «Sport ist immer problemheilend»
Christian Danner
Das Fahrerlager brummt. In unserem Rücken hält der Kronprinz von Bahrain eine improvisierte Pressekonferenz ab. Er geht im Meer von Kameras und Mikrofonen fast unter. RTL-Formel-1-Experte Christian Danner ist zum Glück weniger belagert, und wir beginnen, weswegen wir hier sind – mit dem Sport.
Christian, was ist dir heute im freien Training aufgefallen?
Ganz offensichtlich haben viele Piloten Probleme mit der Hinterachse. Das ist ungefähr für alle gleich – am einen Auto wird das etwas kritischer sein als am anderen. Das schubst ein Team aber grundsätzlich in eine knifflige Situation: Wie stark soll man nun auf diese Probleme reagieren? Denn morgen wird sich die Strecke in einem anderen Zustand präsentieren, und dann geht die Arbeit wieder von vorne los.
Das ist oft ein Problem, nicht? Dass ein Team zu stark auf die Pistenverhältnisse vom Freitag reagiert und dann am Samstag quasi neben den Schuhen steht …
Ja, genau. Man kann in der modernen Formel 1 so unglaublich viel simulieren, mit einer verblüffend hohen Trefferquote. Aber kein Mensch kann sagen, welche Haftung die Strecke nach einem weiteren Training der GP2 bieten wird. Ein Teil der Kunst besteht eben darin, dass man in gewisser Weise vorhersehen muss, wie sich die Strecke entwickelt. Teams und Fahrer reden dabei oft vom Fachbegriff, die Strecke auf sich zukommen zu lassen. Die Einflüsse der Piste in ihrer Interaktion mit dem Reifen sind wirklich faszinierend. Ich habe mich länger mit Pirelli-Rennchef Paul Hembery unterhalten. Und er hat mir gesagt, eines der grössten Probleme in Malaysia beispielsweise war jener Gummi, den die MotoGP-Zweiräder bei ihrem Wintertest auf der Bahn gelassen hatten.
Was sagt die Rangliste für dich aus?
Michael Schumacher ist schneller als seine Zeit und Platz 5 aussagen. Er hatte mit den weichen Reifen Verkehr auf seiner besten Runde. Vettel war mit den weichen Reifen nur eine Zehntelsekunde schneller als mit den harten, das ist ein gutes Beispiel dafür, dass oft seltsame Dinge passieren, die dann am Samstag scheinbar aus heiterem Himmel auf den Kopf gestellt werden. In China war am einen Tag der Unterschied zwischen härteren und weicheren Reifen eine halbe Sekunde, am nächsten waren es eineinhalb Sekunden. Die grossen Themen bleiben also Reifen und Strecken-Entwicklung. Ich finde das prima. Denn alles, was die Lage stabilisiert, würde das Feld auseinander ziehen. Und alles, was die Situation unberechenbar macht, mischt das Feld weiter durcheinander.
Was dieses Renn-Wochenende angeht, bewegen wir uns ja auf zwei Ebenen: die sportliche und die politische. Aus deiner Sicht – wie präsentiert sich die Lage in Bahrain?
Dazu möchte ich drei Dinge festhalten. Als ich mir überlegt habe, ob ich hierher nach Bahrain kommen will oder nicht, habe ich gesagt – ich will. Und zwar deswegen, weil ich an die heilende und wohltuende Wirkung des Sports glaube. Selbst in den schwierigsten Situationen hilft der Sport eher als dass er schadet. Ob Fussball oder Olympische Spiele – Sport ist völkerverbindend, vielleicht nicht problemlösend, aber sicher problemheilend. Also habe ich gesagt, ich komm nach Bahrain und mache, was ich immer mache: ich kümmere mich um die Rennwagen.
Der zweite Punkt: Ich bin über Abu Dhabi nach Manama geflogen, und natürlich war ich gespannt zu sehen, was in Bahrain los sein würde. Und was war los? Manama war genauso ruhig, fast verschlafen wie immer. Also in München stehen mehr Polizisten herum als hier. Und zum Dritten: Ich sehe und höre natürlich auch, wie die Leute hier herumstehen und diskutieren. Aber man sollte immer den ersten Schritt vor dem zweiten tun. Jedem stand frei, hierher zu kommen oder nicht. Wenn man sich dann mal entschlossen hat, herzukommen, dann finde ich es nicht in Ordnung, jeden Tag alles in Frage zu stellen. Natürlich haben wir in vielen Ländern grundsätzliche Probleme mit den Menschenrechten, übrigens auch in Deutschland, was im vorigen Jahr gerügt worden sind. Es ist gut, dass es Organe und Foren gibt, wo so etwas öffentlich gemacht und angeprangert wird. Aber ich, in meiner Funktion im Formel-1-Sport, bin nicht derjenige, der diese Probleme lösen kann.