Vor 30 Jahren: Der denkwürdige Imola-GP
Gilles Villeneuve vor Didier Pironi. Im Ziel war es umgekehrt.
Vor 30 Jahren im Frühjahr herrschte Krieg in der Formel 1. Es war die Zeit, als die FOCA-Teams und die der Hersteller sich spinnefeind waren. Man kann auch sagen, es ging um Sauger gegen Turbo.
Als Renault 1977 erstmals mit einem Turbomotor in der Formel 1 auftauchte, wurden sie belächelt. Als Jean-Pierre Jabouille 1979 in Dijon erstmals mit dem Turbo gewann, wurde das Lächeln weniger. Als 1981 Gilles Villeneuve auf den langsamen Strecken von Monaco und Jarama siegte, war klar, dass den Turbos die Zukunft gehören würde, brauchten sie doch bis dahin vor allem schnelle Kurse.
Bis auf Brabham hatte kein FOCA-Team einen Turbomotor. Ausgerechnet Brabham, dessen Teamchef Bernie Ecclestone auch die Geschicke der FOCA und der Formel 1 steuerte, aber dennoch ein Gegner der Turbo-Motoren war. Ecclestone wie auch die anderen FOCA-Teams befürchteten, dass die Turbos in der Formel 1 zu einer gewaltigen Kostenexplosion führen würde. Zu dem Zeitpunkt waren die meisten Teams mit normal käuflichen Saugmotoren von Ford-Cosworth unterwegs, die auch, wie 1981 zuletzt bewiesen hatte, noch für den WM-Titel gut waren. Ecclestone hatte zwar für 1982 BMW als Partner, schob die aber nach dem Saisonauftakt in Kyalami erstmals aufs Abstellgleis mit der Begründung, der Brabham mit Cosworth-Motor sei noch besser, die Bayern sollten weiterentwickeln.
Und so siegte Nelson Piquet im Brabham-Ford beim zweiten WM-Lauf in Rio vor Keke Rosberg in seinem zweiten Rennen für Williams, ebenfalls mit einem Cosworth-Motor. Dritter wurde Alain Prost im Renault-Turbo, der schon in Kyalami gewann. Doch es gab nach dem Rennen einen Protest von Renault gegen die beiden Erstplatzierten mit der Begründung, sie seien untergewichtig. Und damit hatte Renault recht – oder auch nicht.
Fast alle in der FOCA organisierten Teams mit Cosworth-Motoren waren zu Beginn der Saison 1982 untergewichtig konstruiert. Zum Ausgleich des Gewichtes gab es Wassertanks, die bis zu 40 Liter fassten. Offiziell diente das Wasser zu Kühlungszwecken von Motor und Bremse, in Wirklichkeit wurde es bereits in der Einführungsrunde abgelassen, wenn der Wassertank vor dem Start überhaupt gefüllt war.
Denn damals gab es die Regelung, dass nach dem Rennen Öl und Wasser aufgefüllt werden durften, bevor das Auto auf die Waage kam. Als das Reglement rund 15 Jahre vorher entstand, ging natürlich niemand davon aus, dass bis zu 40 Liter nachgefüllt werden mussten. Doch 1982 schütteten die Mechaniker die Wassertanks in aller Seelenruhe voll, und auf der Waage stand ein Wert von über 580 kg, dem damaligen Mindestgewicht.
Die Bombe platzte am Montag vor dem Imola-Grand Prix, dem ersten Rennen in Europa. Die FISA (heute FIA) gab Renault recht, Piquet und Rosberg wurden disqualifiziert, gleichzeitig durfte nach dem Rennen kein Wasser mehr aufgefüllt werden.
Die FOCA-Teams waren geschockt und sahen sich ausserstande, unter dem Gesichtspunkt dieser kurzfristigen Regeländerung am Grand Prix von San Marino teilzunehmen. Bernie Ecclestone als Vertreter der FOCA und Jean-Marie Balestre als FISA-Präsident stellten sich beide stur, man fand keinen Kompromiss. Und so kehrten fast alle Transporter der FOCA-Teams wieder um und fuhren in ihre heimischen Standorte. Der Grand Prix von Imola fand ohne Brabham, Williams, McLaren, Lotus, Arrows, Ligier, Fittipaldi, March, Theodore und Ensign statt. Lediglich Tyrrell, die einen neuen italienischen Sponsor hatten, und ATS traten in Imola an. Dazu noch Ferrari, Alfa Romeo, Renault, Toleman und Osella. Das Rennen fand mit nur 14 Autos statt.
Den Tifosi in Imola war dies ziemlich egal, denn Ferrari war dabei. Und nachdem beide Renault ausgeschieden waren, führten die Ferrari von Gilles Villeneuve und Didier Pironi mit haushohem Vorsprung.
Bei Ferrari wurde das Signal «Slow» an der Box gezeigt, für den führenden Villeneuve die Aufforderung, die Positionen zu halten und den Doppelsieg einzufahren. Pironi freilich sah das anders und interpretierte das Zeichen lediglich so, keine unnötigen Risiken einzugehen. Und griff Villeneuve an. Der empfand dies als Spass für die Zuschauer und holte sich die Führung zurück. So kämpften beide bis zur Ziellinie, erst in der letzten Runde setzte Pironi das entscheidende Manöver gegen den Kanadier und fuhr vor dem konsternierten Villeneuve als Erster ins Ziel.
Während Pironi sich für seinen zweiten Grand-Prix-Sieg feiern liess, grollte Villeneuve. Er fühlte sich vom seinem Teamkollegen, den er bis dahin als Freund bezeichnete, um den Sieg betrogen und erklärte in Interviews, nie mehr mit Pironi sprechen zu wollen. Der hingegen war sich keiner Schuld bewusst.
Zu einer Aussöhnung sollte es nicht mehr kommen. Zwei Wochen später verunglückte Gilles Villeneuve beim Abschlusstraining zum Grossen Preis von Belgien in Zolder nach einem Missverständnis mit Jochen Mass tödlich. Didier Pironi zog sich später in der Saison als WM-Führender in Hockenheim bei einem ähnlichen Trainingsunfall, als er im strömenden Regen auf dem rumrollenden Alain Prost auflief, schwere Verletzungen zu, die seine Karriere als Automobilrennfahrer beendeten. Er starb 1987 bei einem Motorbootrennen vor der englischen Küste.
Die Formel 1 ging weiter, die FOCA-Teams akzeptierten die Regeländerung zähneknirschend, immerhin wurde einer der ihren 1982 Weltmeister: Keke Rosberg im Williams-Cosworth.