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Die Mega-City

Kolumne von Hartmut Lehbrink
In Shanghai spielt die Formel 1 nur eine Nebenrolle

In Shanghai spielt die Formel 1 nur eine Nebenrolle

Shanghai ist eine irrwitzige Mischung aus uralten Traditionen und Kulissen wie aus Science-Fiction-Filmen.

Jenseits des grossen Huangpu-Flusses liegt eine Szenerie, die wie eine um 50 Jahre verfrühte Botschaft aus der Zukunft anmutet. Riesige Zitadellen aus Glas und Stahl bohren sich in den Himmel.

Ihre Dächer verschwinden in den niedrig hängenden Wolken. Links erhebt sich der «Oriental Pearl TV Tower», eine 468 Meter hohe Rakete in Pink und Silber. Sie scheint nicht von dieser Welt, irgendwie beunruhigend uneingewurzelt, als wolle sie jeden Moment abheben.

Vor dieser Science-Fiction-Kulisse schleppen sich schwerfällig tuckernd uralte Boote über den wimmelnden Wasserweg. Mit ihrer Ladung aus Kohle und Sand wirken sie wie Relikte aus den 30er-Jahren.

Shanghai ist ein Motor. Im fernen Osten der Volksrepublik China gelegen, das Gesicht Japan zugewandt, auf der anderen Seite des Nordpazifischen Ozeans, ist Shanghai die grösste Metropole des Landes und die achtgrösste der Welt. Ihre Bevölkerung beläuft sich auf 19 Millionen, mit zügig wachsender Tendenz.
Shanghai ist eine hungrige Stadt, der kraftvolle Motor hinter Chinas explodierender Volkswirtschaft, ein weiss glühender Schmelztiegel von Alt und Modern, von Ost und West.

Splitter des Kolossalischen: der «Bund», eine Promenade entlang des Huangpu in einem der ältesten Viertel, ursprünglich englisch, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die wirtschaftliche Drehscheibe Ostasiens.

Die Bankgebäude, die hier in den Zwanzigern und Dreissigern errichtet wurden, Wolkenkratzer zu ihrer Zeit, werden heute von den gigantischen Türmen des Pudong-Distrikts auf der anderen Seite des Flusses schier erdrückt. Noch vor zwei Jahrzehnten war Pudong ein blubberndes Sumpfgebiet, mit ein paar Fischerhütten als gammeligen Intarsien. Heute schliesst es sich mit neun weiteren Teil-Städten zu dem Makro-Organismus Shanghai zusammen.

Seine Skyscraper bedecken ein Areal von 570 Quadratkilometern und beherbergen mehr als 1,7 Millionen Einwohner.

Geschmolzenes Neon. Vom Beobachtungsraum im 88. Stockwerk des «Jin Mao Tower» hat es nächtens den Anschein, als ersaufe die ganze Stadt in einem digitalen Meer aus geschmolzenem Neon.

Zur Rushhour, die an keine Tageszeit gebunden zu sein scheint, kämpfen hier zwei Millionen Taxis und vier Millionen Zweiräder um dasselbe Fleckchen Boden. Unter heftiger Benutzung seiner Hupe.

Jedermann eilt nach nirgendwo, der protzige Yuppie in seinem Ferrari ebenso wie die alte Frau auf ihrem Fahrrad, die einen mit Zeitungen oder einem halben Schwein vollgestopften Anhänger hinter sich herzieht.

Der europäische Führerschein gilt hier nicht und das ist angesichts der Fahrweise der meisten Chinesen eine gute Idee.

Also vertraut man sich einem beflissenen Taxifahrer an, der sich mit nachtwandlerischer Sicherheit durch das Chaos fädelt - und durch die Jahrhunderte.
Denn unversehens gerät der Trip zur Zeitreise, vorbei an einem Früchtemarkt, der sich seit der Ming-Dynastie offenbar nicht geändert hat, an Parks, in denen Leute lautlos und konzentriert Tai-Chi praktizieren oder fantastische Drachen steigen lassen, hin zur «Nanjing Road», Shanghais beliebtester Einkaufsstrasse voller Markenläden vom Feinsten.

Armani, Cartier, Hermes und andere – alle sind sie hier vertreten. Stets und überall präsent: der hämmernde Beat des Baulärms, mit dem das neue Shanghai dem alten zu Leibe rückt – grelle Lebensäusserungen einer Boomstadt.

Draussen aber, weit vor den Toren der Stadt und auch sonst höchst abgesondert, hat sich der Grand-Prix-Zirkus in dem Tilke-Konstrukt «Shanghai International Circuit» häuslich eingerichtet, nur eine Station einer die Welt umspannenden Pilgerreise.

Shanghai und die Formel 1 vertragen sich nicht miteinander.
Der faltige Alte, der mitten im Moloch Lebensmittel aus einer Barbecue-Box verkauft, die er auf sein Fahrrad geschweisst hat, weiss nicht, was Formel 1 ist.
Die Eintrittspreise, deren Höhe ein kleiner Mann im fernen London bestimmt, können sich nur die neuen Reichen leisten. Eine Bahnverbindung hin zur Rennstrecke, wie sie urprünglich geplant war, kam bislang nicht zustande.

 
Im Übrigen wirkt Shanghai, als hätte die Stadt für die Formel 1 sowieso keine Zeit.

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