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F1-Fahren heute leichter?

Von Peter Hesseler
Lenkrad des Red-Bull-Renault von 2009

Lenkrad des Red-Bull-Renault von 2009

Dreifach-Weltmeister Nelson Piquet stösst eine Diskussion über die Anforderungen von damals und jetzt an.

Nelson Piquet sieht keinen Vergleich in den Leistungen des dreifachen Weltmeisters Sebastian Vettel und etwa seinen eigenen drei Titeln, errungen in den Jahren 1981, 1983 und 1987.

«Heute muss ein Fahrer vor allem schnell sein und darf keine Fehler machen», sagt der Brasilianer zu den aktuellen Anforderungen an Formel-1-Piloten. Und um es vorwegzunehmen: Er meint dies keineswegs despektierlich.

«Damals starben viele Kollegen. Und wir mussten Fahrer und Mechaniker in Personalunion sein», sagt Piquet. «Die Autos waren schwerer abzustimmen und noch viel schwerer war es, sie in einem Stück ins Ziel zu bringen. Wir mussten ja mit der Hand schalten, es gab keine Automatik. Und die Motoren und die Mechanik musste man auch schonend behandeln.»

In den ersten beiden F1-Jahren sah Piquet Ende der 70er-Jahre die Zielflagge in weniger als die Hälfte aller Rennen.

In dieser Hinsicht hat sich seit Piquets letztem Titelgewinn mit Williams 1987 viel getan. Die semi-automatische Schaltautomatik, eingeführt von John Barnard bei Ferrari Ende der 80er Jahre, war revolutionär und wurde stetig verfeinert. Anfang der 90er verschwanden die Schaltknüppel aus den Cockpits.

Später kamen Drehzahlbegrenzer für Motoren dazu, die den Fahrern eine weitere Aufgabe abnahmen.

Aber dass die Anforderungen geringer wurden, dürfte schwierig zu belegen sein. Die Anforderungen haben sich nur mehr verschoben. Heute ist in höherem Masse der Kopf gefragt, damals war es mehr der Körper.

Schon wenn man die Lenkräder von Piquet und Vettel vergleicht, betrachtet man Steinzeit und Raumfahrzeitalter. Die Fahrer können, ja müssen, häufig die Bremsbalance und ihre Differenzialeinstellungen ändern. Sie haben zig übereinanderliegende Funktionen in ihren Displays, die sie durchblättern können. Sie haben über 20 Knöpfe zum Drücken, Drehen oder Scrollen. Sie bekommen über Leuchtdioden – parallel zu den Flaggensignalen an der Strecke – Befehle ins Cockpit gefunkt. Sie müssen den beweglichen Heckflügel bedienen. Und dies bei sich ständig ändernden Streckenbedingungen. Dazu müssen sie sehr clever mit dem Einsatz ihres KERS umgehen, der Zusatzleistung aus dem Batteriespeicher, die inzwischen  extrem strategisch eingesetzt wird.

Dies ist ein Vielfaches der Aufgaben, die auf das Fahrerhirn inzwischen zukommen. Und diese Flut an Denkprozessen muss bei einem viel höheren Tempo bewältigt werden.

Als wir uns mit Timo Glock in Brasilien unlängst nach der Qualifikation einige aktuelle Inboard-Aufnahmen ansahen, entfuhr dem Hessen: «Mensch, ist das Tempo wieder hoch geworden.»

Und in  der Tat: Die S-Kombination von Austin etwa war kaum mit dem Auge nachzuvollziehen, die Sequenz flog wie in einem  Videospiel dahin, das zu schnell eingestellt war. Das heisst, die Prozessoren im Kopf müssen heutzutage viel mehr Funktionen in viel kürzerer als noch in den 80er Jahren lösen, als die Fahrer vor allem vor der Frage standen, wann sie bei einem 1400-PS-Turbo-Motor auf’s Gas zu steigen hatten.

Mit einem hat Piquet zweifellos Recht. Die statistische Chance, das Saisonende zu erleben, ist bis heute um ein Vielfaches gestiegen. Der Faktor Mut war früher grösser als heute, wo die Auslaufzonen oft bis zum Horizont reichen. Oder wie Scherzbolde zu sagen pflegen: «Bevor ein Fahrer heute irgendwo anschlägt, geht ihm vorher der Sprit aus.»

Ja, in den neuen Arenen mag das so sein. Auf Strecken wie in Spa-Franorchamps, Monaco, Melbourne, Montreal, Valencia, Suzuka oder Singapur jedoch sicher nicht. Da kann man sich noch sehr weh tun.

Und dass die Fahrer heute die Saison in der Regel genauso zahlreich beenden, wie sie begonnen wurde, ist doch eigentlich eine fantastische Errungenschaft.

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