MotoGP-Rennen Jerez: Bagnaia und Marquez grandios

Rush: Wieso Sie den Lauda-Hunt-Film sehen müssen

Von Mathias Brunner
Ab heute in den Kinos von Deutschland und Österreich bald in der Schweiz: «Rush», das 1976er Formel-1-WM-Duell zwischen Niki Lauda und James Hunt.

Ein Kino in Singapur: die Menschen strömen aufregend schwatzend aus dem Saal, sie haben soeben eine Vorpremiere von «Rush» erlebt, jenes Films von Ron Howard («Apollo 13», «A Beautiful Mind»), der das Formel-1-Titelduell 1976 zwischen Niki Lauda und James Hunt thematisiert. Heute läuft der Streifen in Deutschland und in Österreich an, eine Woche später können ihn auch die Schweizer Kinogänger sehen. Die Kernfrage: Lohnt sich das Geld? Ist «Rush» ein würdiger Formel-1-Film, so wie der Klassiker «Grand Prix»? Oder muss man sich als Insider im Kino fremdschämen wie bei Sylvester Stallones grauenvollem «Driven»? Wir haben Pro und Contra für Sie aufgelistet.

Rush: Das hat uns gefallen

– Daniel Brühl als Niki Lauda ist der Hammer: Wer die Augen schliesst, glaubt tatsächlich den Wiener zu hören. Brühl traf sich für seine Recherche oft mit der Rennlegende. Selbst während der Dreharbeiten kontaktierte der Schauspieler öfter den Racer, um zu einer bestimmten Szene nachzuhaken – wie hättest du reagiert? Was hättest du gesagt?

– Die Rennszenen wirken realistisch und sind mitreissend.

– Chris Hemsworth («Thor») steht Brühl in Sachen schauspielerischer Leistung kaum nach. Leider konnte der Australier nicht so arbeiten wie Brühl mit Lauda: James Hunt erlag 1993 einem Herzanfall.

– Weite Teile der Szenen von Lauda wurden auf Deutsch belassen. Sofern Sie die Möglichkeit dazu haben: Gucken Sie keine Synchronfassung, sondern das Original.

– Der Film lebt von der nachvollziehbaren Rivalität zweier starker Charaktere, nicht von Rennaufnahmen. Daher spricht er ein breiteres Publikum an.

– Lauda wird in der ihm eigenen Unverblümtheit als verbissen-unsympathisch dargestellt. So viel Mut zur Ehrlichkeit ist bewundernswert.

– Der Film hat (gemessen an Grossproduktionen lächerliche) 30 Mio Dollar gekostet, sieht aber teurer aus. Bei vielen Hollywood-Produktionen ist es genau umgekehrt.

– Zur Mitte des Films gibt es einen Schnelldurchlauf durch einige Rennen, die mit überaus passenden 70er-Jahre-Grafiken aufgehübscht sind.

– Kameramann Anthony Dod Mantle («Slumdog Millionaire») arbeitet mit einem überaus breiten Farbspektrum: mal beinahe psychedelisch bunt, dann wieder in dunklen Blau- oder Braun-Tönen, teilweise fast wie durch einen Nebel. Das erzeugt Stimmung.

– Der Film wird deshalb nicht nur Rennfans ansprechen, weil die Schaupieler überzeugen (Daniel Brühl wird bereits als Oscar-Kandidat gehandelt!) und weil die Handlung nachvollziehbar ist. Dass die Action-Szenen auf der Strecke mitreissen, ist ein Bonus.

Rush: Das hat uns missfallen

– Was zu wenig herüber kommt, ist die Tatsache, dass Lauda und Hunt nicht nur Respekt füreinander hegten, sondern Freunde waren.

– Die Tatsache, dass jemand den Satz ins Drehbuch schrieb «der Fahrer dreht den Zündschlüssel seines Rennautos» zeugt nicht eben von Fachwissen. Zum Glück mussten wir diese Szene nicht im fertigen Film erleben. Das Gleiche gilt für eine Szene des töglich verunglückten Österreichers Helmut Koinigg, der beim Unfall enthauptet wurde.

– Rennfahrer gucken beim Rad-an-Rad-Duell nicht ständig zum Rivalen hinüber.

– Wenn Detailtreue ein Thema ist, wieso tragen Niki Lauda und Clay Regazzoni dann die falschen Helmfabrikate?

– Einige Unfälle wurden der Dramatik wegen erfunden. Das wäre nicht notwendig gewesen.

– Den Zuseher in Form eines GP-Reporters zu führen, wäre auch nicht notwendig gewesen. Der Fluss des Films wäre selbsterklärend. Die ständigen Erzählungen nerven mit der Zeit ein wenig.

– Niki Lauda erlebte die WM-Entscheidung von Fuji nicht an der Strecke, sondern im Taxi auf dem Weg zum Flughafen.

– So sehr Brühl und Hemsworth ihren Vorbildern Lauda und Hunt glichen, so missglückt ist die Darstellung anderer Fahrer.

– Die Darstellung, dass James Hunt einen Journalisten verprügelt, ist einfach lächerlich und hilft der Geschichte nicht vorwärts.

– Zum 70er Jahre Gefühl passen Computer-generierte Rennaufnahmen einfach nicht. Doch Regisseur Ron Howard und seine Mannschaft waren immerhin klug genug, diese Szenen auf ein Minimum zu beschränken.

– Wer Teamgründer Lord Alexander Hesketh und dessen Gefährten Bubbles Horsley und Harvey Postlethwaite kannte, wird an der Darstellung ihrer Personen keine Freude haben: keine Tiefe, zu klischeehaft, übertrieben gespielt, kein Vergleich mit dem ideal besetzten Daniel Brühl als Niki Lauda.

– Die Chance wurde verpasst, den wunderbar pompösen BRM-Teamchef Louis Stanley entsprechend in Szene zu rücken.

– Niki Lauda entwickelte also quasi im Alleingang den BRM weiter, noch ohne einen Meter im Wagen gefahren zu sein. Und das wurde alles in einer langen Nacht in einer düsteren Garage erledigt. Aber ja doch – und Batman lebt.

Fazit: Müssen Sie für «Rush» wirklich ins Kino?

Wer seit 30 Jahren in der Formel 1 arbeitet, sieht diesen Film mit anderen Augen als ein Kinofreund, der sich im Rennsport nicht besonders auskennt. Ich bin davon überzeugt: Ein Kenner des Apollo-Raumfahrtprogramms hat in «Apollo 13» auch Details erkannt, die nicht gestimmt haben. Die Menschen haben den Film trotzdem genossen. Das Gleiche gilt für «Rush»: Viele Details sind uns aufgefallen, aber die Reaktion der Menschen zeigt – daran stossen sich nur Insider. Kinokritiker, und die Wenigsten davon kennen sich in der Formel 1 aus, haben mit grosser Mehrheit positiv auf den Film reagiert. Sie liegen richtig: Geniessen Sie diesen Film, schauen Sie über Detailfehler grossmütig hinweg, die meisten Ihrer Sitznachbarn werden sie überhaupt nicht bemerken. «Rush» fesselt von der ersten bis zur letzten Sekunde. Einige Szenen sind zum Brüllen komisch, andere rühren zu Tränen, bei wieder anderen sind die Qualen von Niki Lauda fast körperlich mitzuspüren. «Rush» ist ein 123 Minuten langer Film, für den sich die Formel 1 nicht zu schämen braucht und der auch Menschen gefallen wird, die jetzt nicht jeden zweiten Sonntag den Fernseher andrehen, um Grands Prix zu gucken.

Wir dürfen «Rush» empfehlen!

Mehr über...

Siehe auch

Kommentare

Bitte melden Sie sich an, um einen Kommentar zu schreiben.

Dr. Helmut Marko: «So ist Max Verstappen unschlagbar»

Dr. Helmut Marko
​Exklusiv auf SPEEDWEEK.com: Dr. Helmut Marko, Motorsport-Berater von Red Bull, analysiert den jüngsten Grand Prix. Max Verstappen mit Saisonsieg No. 4, auf dem Weg zur erfolgreichen Titelverteidigung.
» weiterlesen
 

TV-Programm

  • So.. 28.04., 16:30, DF1
    The Speedgang
  • So.. 28.04., 16:35, Motorvision TV
    Legends Cars National Championship
  • So.. 28.04., 18:15, Hamburg 1
    car port
  • So.. 28.04., 18:30, Motorvision TV
    IMSA Sportscar Championship
  • So.. 28.04., 19:00, Eurosport 2
    Motorsport: FIA-Langstrecken-WM
  • So.. 28.04., 19:13, ServusTV
    Servus Sport aktuell
  • So.. 28.04., 19:15, Das Erste
    Sportschau
  • So.. 28.04., 19:20, Motorvision TV
    NZ Speedway Championship
  • So.. 28.04., 20:20, Motorvision TV
    IMSA Sportscar Championship
  • So.. 28.04., 21:15, Hamburg 1
    car port
» zum TV-Programm
6