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Nico Rosberg & Lewis Hamilton: Die grosse Analyse

Von Peter Hesseler
Nico Rosberg und Lewis Hamilton

Nico Rosberg und Lewis Hamilton

Jung-Siegfried und der schwarze Riese – nach fünf Grands Prix 2014 ist klar: Nur mit unspektakulären deutschen Tugenden kann der Wiesbadener Lewis Hamilton schlagen.

Jetzt hat Nico Rosberg, was er wollte und wofür er gearbeitet hat, seit er 2006 in die Formel 1 kam: die Chance seines Lebens, die Chance auf den Titel. Die Chance, mit seinem Vater Keke (Weltmeister 1982) gleichzuziehen.

Der junge Mann aus Wiesbaden hat Ehrgeiz. Das wissen wir. Er hat auch die nötige Klasse, keine Frage. Nur besteht derzeit nach fünf Rennen der laufenden Saison die an Wahrscheinlichkeit grenzende Möglichkeit, dass ein anderer vom Reifegrad her – sagen wir – eine knappe Zehntelsekunde weiter vorne ist: Lewis Hamilton.

Nach vier Siegen in Folge für den britischen Champion von 2008 besteht die Gefahr, dass der Trend zur Gewissheit darüber wird, wer der schnellere Mann ist beim derzeit dominierenden Formel-1-Team Mercedes. Deshalb muss man kein Hellseher sein, um voraus zu sagen: Wenn Hamilton am 25. Mai auch in Monaco die Oberhand behält, bricht er Nico – rein sportlich – das Genick.

Denn erstens würde ein Monaco-Erfolg Hamilton nochmals beflügeln und seine Hochform weit in den Sommer hinein tragen. Zweitens wäre er fortan der Titel-Fahrer im Silber-Lager. Ein unschätzbarer Bonus hinsichtlich minimaler taktischer Vergünstigungen, die im Laufe eines Wochenendes über Sieg und Platz 2 entscheiden. Etwas anderes kommt auf absehbare Zeit für Mercedes – unter normalen Umständen – nicht in Frage.

Dazu kommt die Gefahr, nach einem weiteren Hamilton-Sieg, zumal in Monaco, gefühlsmässig bergauf schwimmen zu müssen. Für Rosberg wird es also immer schwieriger, den Trend zu stoppen. Für Hamilton immer leichter, ihn fortzusetzen.

Was muss Nico Rosberg tun?

Nico weiß das alles, deshalb hat er vor dem Spanien-GP freimütig zugegeben, die Serie seines Gegners möglichst schnell brechen zu müssen. Wohl wissend, dass er diese Aussage gegebenenfalls noch einige Male wird wiederholen müssen.

Dabei hatten selbst britische Fachjournalisten vor Saisonbeginn eher auf den Deutschen gesetzt als auf ihren Landsmann.

Warum?

Weil der im Zeitalter des Video-Drivings mit unzählbaren Einstellmöglichkeiten am Auto und im Cockpit und vor dem immensen taktischen Hintergrund der aktuellen Rennerei gegenüber dem puristischen Renn-Stier Hamilton der Fahrer zu sein schien, der besser zum aktuellen Reglement passt. Oder umgekehrt. Ein lernwilliger Jung-Siegfried am Lenkrad: blond, intelligent, fit, hart, entschlossen, gierig, schnell und erfahren.

Das alles ist Rosberg. Und das alles ist derzeit zu wenig gegen diesen Hamilton, der schon rein bildlich einen Kontrapunkt markiert. Und auf den vom schieren Tempo her ein Satz passt, den Niki Lauda einst auf den legendären Ayrton Senna gemünzt hat: «Wer den schlagen will, muss das Rennfahren neu erfinden.»

Vor dieser Herausforderung steht Rosberg jetzt. Kann er sie bewältigen?

Hamiltons grösster Gegner ist Hamilton

Die Antwort hängt zunächst mal an Hamilton. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben, dass Lewis sich eigentlich nur selbst schlagen kann. Schon die Art, wie er 2007 in den GP-Sport einstieg, war davor und blieb danach unerreicht. Schon sein erster Start in Melbourne hatte etwas Atemberaubendes. Wie er da im McLaren aussen an seinem Teamkollegen Fernando Alonso vorbeiflog, das war eher eine Prophezeiung als der respektvolle Dienstantritt eines Novizen.

Es folgten Podeste in Serie, ein knapp verpasster WM-Titel und ein Doppel-Weltmeister namens Alonso, der durch Monaco und die Saison gejagt wurde, dass ihm dem Hören und Sehen und die Lust verging. Bald wurde für Hamilton das Rennfahren neu analysiert, weil alt-hergebrachte Methoden sein Tempo schlichtweg nicht zu erklären vermochten. Seine Kurven-Linien wurden vermessen und ebenso zur Aufklärung herangezogen wie seine einzigartige Hand-Fuß-Koordination, Reaktionstests und ähnlicher Hokuspokus. Natürlich spielt das alles eine gewisse Rolle, aber nur das Resultat ist interessant und bei allen Ausnahmefahrern dasselbe: Sie benötigen durch die Summe ihrer Fähigkeiten etwas weniger Zeit von A nach B.

Ich persönlich erkläre ihn mir etwas einfacher.

Hamiltons Fahrzeugbeherrschung ist durchaus von Seltenheitswert. Aber dazu scheint er die Fähigkeit zu besitzen, schnelle Abläufe in noch langsamere Einheiten zu zerlegen als seine Kollegen. Das zeigt sich speziell an seinen Überholmanövern. Sein Timing als wandelndes Geschoss ist absolut kugelsicher. Der Grund dafür kann nur in einem außerordentlichen Blick für Geschwindigkeit liegen. Eine natürlich angeborene Fähigkeit zur Berechnung seiner selbst in Relation zum beweglich Gegner – grandios. Oder: Von Geburt Glück gehabt.

Ich kann Rosberg gegen den Bazillus Hamilton, der seine Rennen zerstört und den Karriereplan zersetzt, einstweilen nur zu einem Hausmittel raten: mit nie nachlassendem Druck dafür sorgen, dass er zur Stelle ist, wenn der Gegner patzt. Aber der Brite hat bisher kein Rad falsch gesetzt. Er lustwandelt stabil auf höchstem Niveau.

Hamilton stellt die richtigen Fragen

Und die Art und die Zeitpunkte seiner Rückfragen während der Spanien-GP an seinen Renningenieur belegen, dass Hamilton bei aller Simplizität seiner Fähigkeiten, seines emotionalen Naturells, seiner durchschaubar ego-gesteuerten Zielsetzung, seines extrem auf Äußerlichkeiten bedachten, vermutlich und nachweislich recht oberflächlichen Charakters, eines ganz gewiss nicht ist: blöde. Denn er fragte exakt zum richtigen Zeitpunkt über Funk nach, in welchem Streckenabschnitt er die meiste Zeit auf Verfolger Rosberg einbüßt. Und weckte seinen Renningenieur an anderer Stelle mit der Frage: «Seid ihr noch da?» – als er dringend etwas Unterstützung von der Boxenmauer benötigte.

Es waren zwei Gefahrenmomente, die Hamilton instinktiv auf den Punkt gespürt hat – die einzigen des gesamten Nachmittags.
Wir dürfen also festhalten: Fehlende Intelligenz im Cockpit wird es am Ende nicht sein, die Hamilton in die Knie zwingt. Nico muss es hauptsächlich mit dem rechten Fuß richten.

Das macht es nicht leichter.

Wenn der Erfolgreichere langsamer ist

Wir erleben derzeit, wie Daniel Ricciardo dem vierfachen Weltmeister Sebastian Vettel das Wasser abgräbt. Wir haben 2008 erlebt, wie Felipe Massa bei Ferrari Weltmeister Kimi Räikkönen niederrang. Die GP-Geschichte steckt voller Überraschungen. Zum Beispiel auch jener, die mit Jenson Button 2010 bei McLaren als dominierenden Fahrer hervor brachte – gegenüber Lewis Hamilton. Aber auch das hatte mehr mit Hamilton zu tun als mit Button.

Hamilton verstrickte sich damals in epische Duelle mit Ferraris Nummer 2, eben Massa. Er verhedderte sich auch gegen Alonso 2007 in seiner aufgewühlten Gefühlswelt, obwohl er eigentlich nicht zu bremsen war. Und unterlegte sein Übermaß an fahrerischen Qualitäten immer wieder mit unterirdischen Einlagen. Er ist auffällig anfällig dafür, private Probleme mit ins Cockpit zu nehmen. Mal gehört zu ihm eine Pussycat Doll, mal nicht. Dann ist er in Los Angeles, dann im Nachtclub, dann auf Twitter, dann beim Papst – und behauptet dennoch, dem Rennsport alles unterzuordnen. Das kann man getrost als Marketing-Gebrabbel abtun.

Mehrfach scheiterten Versuche, Lewis mit Arbeitsdienern zur Raison zu bringen. Mit Fachkräften, die ihn an der Strecke durch die Untiefen der stressigen Wochenenden führen. Aber ich denke nach vielen Experimenten in diese Richtung: alles Unsinn. Wenn er gut drauf ist, fliegt er auf einer eigenen Umlaufbahn, wie seit einigen Wochen. Wenn nicht, dann wankt sein ganzer Kosmos.

Rosberg hat eine ganz andere Balance: seine Form-Amplitude bewegt sich beständig in der Nähe des Maximums. Er hat sich selbst und sein Umfeld im Griff, erkennt Untiefen im Ansatz und charmiert sich geschickt aus allen drohenden Fallen, die vorwiegend von den Medien aufgebaut werden. So bewahrt er sich Ruhe und kann sich auf sein Geschäft konzentrieren. Das heisst: Rosberg ist immer bereit, Topleistung abzuliefern. Und tut dies auch beständig seit 2006.

Wenn man Rosbergs WM-Punkte in Relation zu seinen Fähigkeiten setzt, hat er deutlich mehr aus seinen Möglichkeiten gemacht als Hamilton. Aber in der Spitze eben auch weniger erreicht, wie das Verhältnis von Pole-Positionen (5:35) und Siegen (4:26) belegt.

Die Statistik spricht also klar für Hamilton, auch die dieser Saison: viermal Pole, vier Siege. Rosberg: einmal auf Pole, ein Sieg.

Noch ärgerlicher: Hamilton gewann in Bahrain ein Rennen, das Nico von allen Vorzeichen und mit den besseren Reifen bestückt, für sich entscheiden musste. Was ihm nicht gelang. Darin – und in den Qualifikationen – zeigt sich Hamiltons ganze Klasse. Während Rosberg methodisch und mit Fleiss die besseren Ausgangspositionen herausfährt, wie auch zuletzt in Barcelona zum Rennende hin, rettet sich Hamilton mit Instinkt und Fahrgefühl – man könnte sagen: mit Können – auf das Podest – und leider auf die oberste Stufe.

Das bedeutet auch: Der Streber ist momentan derjenige, der verliert. Das erhöht in den Augen der Fans die Faszination für den dunkelhäutigen Briten ungemein. Irre: ein schwarzer Blitz auf Rädern. Und es kann durchaus sein, dass dieser Entwicklung im Rennteam genauso gesehen wird, denn dort arbeiten auch nur Menschen. Motto: Wenn Rosberg alles dafür tut, Hamilton zu biegen, und es trotzdem nicht schafft, muss der andere ja besser sein. Derartiges Gerede kann Nico gar nicht brauchen.

Trotzdem liegt seine einzige Chance in einer unspektakulären und äusserst biederen Form von deutscher Beharrlichkeit, denn die ist Nicos grösste Stärke. Ganz gleich wie sehr Mercedes in den letzten Jahren am Boden lag, Nico hat den Glauben an das Team nie verloren, obwohl er zeitweise dafür bespöttelt wurde. Jetzt zeigt sich: Er hatte Recht. Nur wenn er den Glauben auch an sich selbst aufrecht halten kann und dies Hamilton unerbittlich klar zu macht, besteht die Möglichkeit, dass der schwarze Riese ins Wanken gerät. Dann kann Hell gegen Dunkel, Gut gegen Böse gewinnen. Das wäre dann ein Hollywood-Klassiker.

Es kann natürlich auch sein, dass eine von Hamiltons Doggen krank wird. Und Lewis dadurch den Faden verliert.

Aber wetten sollte man darauf nicht.

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