Theissens unglückliche Bilanz
Hier erfährt die Weltpresse vom Ende des BMW-Formel 1-Projekts
Wenigstens hat Toyota sich nun für die drei nächsten Jahre zur Formel 1 bekannt. Hoffentlich sehen wir das gleiche Signal bald von Renault.
Aber zurück zu BMW. Im Zeitalter der permanenten Bewertung ist der Ausstieg von BMW auch eine Niederlage von Dr. Mario Theissen. Er ging Ende 2005 den mutigen Weg und verlies mit seinen Motoren Williams. Damals war es die oft gestellte Frage, lag das nicht den Erwartungen entsprechende Ergebnis der Kombination BMW und Williams an den Motoren oder am Chassis? Wobei die Frage viel zu einfach ist, denn die Kombination kann man heutzutage kaum trennen. Es lag wohl an den eigenwilligen, vielleicht auch egoistischen Charakteren von Frank Williams und Patrick Head, aber natürlich auch Dr. Theissen. Denn zur Krise in einer Ehe gehören immer zwei!
Theissen bzw. BMW übernahmen also Sauber, damit gab es ein reinrassiges BMW-Team und die Frage Chassis oder Motor stellte sich nicht mehr. Nun gab es keine Ausrede mehr und zumindest die Jahre 2007 und 2008 waren ermutigend. Und dennoch war der eine Grand Prix-Sieg von Kubica in Montreal zu wenig, zumindest gemessen an den Anforderungen. Die jetzige Saison kann man getrost als Desaster bezeichnen. Wobei dies nicht nur für BMW gilt. Die grossen Werke bislang geschlagen von den Privatiers Brawn sowie Red Bull, das ist nicht das, womit man Vorstände glücklich stimmt.
Theissen betont auf Anfrage immer gerne, dass die Fahrer das geringste Problem sind. Das mag einerseits stimmen. Aber weder Heidfeld noch Kubica spielten je in der gleiche Liga wie ein Michael Schumacher oder Fernando Alonso; sprich, die ein Team auch einmal mitreissen können, wenn es nicht so rund läuft. Zumindest beim Mönchengladbacher ist diese Erkenntnis nicht neu und der Pole ist im Vergleich zum Vorjahr, als es sehr gut lief, nicht wiederzuerkennen. Als Aussenstehender wurde man in den letzten Jahren jedenfalls den Eindruck nicht los, dass BMW bei der Fahrerwahl gerne den Weg des geringsten Widerstandes gegangen ist. Und dies nicht nur wegen Montoya oder Villeneuve...
Dazu hatte Dr. Theissen noch Pech: Im Tourenwagen-Sport setzte er auf die aufstrebende Weltmeisterschaft, vor allem ganz im Sinne des Kundensports, schliesslich können Kunden die 320er kaufen und mit fast identischen Production-Racern auch unzählige nationale Meisterschaften bestreiten. Was auch sehr gut funktionierte. Dazu gab es anfangs auch den sportlichen Erfolg mit den WM-Titeln von Andy Priaulx.
Leider hat die FIA die einst tolle Serie zu einer Farce verkommen lassen, von der es schwer, wenn nicht sogar unmöglich wird, sich zu erholen. Aus der deutschsprachigen Betrachtungsweise kämpft BMW dort gegen Marken, die für unseren Markt mehr oder weniger bedeutungslos sind, oder schlimmer, die wie Lada belächelt werden. Für die Osteuropäer ist es ein Erfolg, in einem Rennen wie zuletzt in Brands Hatch mit BMW zu kämpfen, für die Münchner ist es nach deren Verständnis sicher peinlich, wenn Lada und der bayrische Hersteller in einem Atemzug genannt werden. Dies hat Theissen aber nicht zu verantworten.
Aber zumindest bei den Tourenwagen hält sich BMW ein grosses Tor offen: Man spricht davon, weiter Tourenwagen-Sport zu bestreiten. Dies kann viel sein. Es kann die WTCC sein. Es kann aber auch eine Serie mit deutschen Wurzeln sein, die sich gerne als populärste, internationale Tourenwagen-Serie mit viel Eigenlob selbst beschüttet. Nachdem die Formel 1 weggefallen ist, wäre dies ein logischer Schritt, um zumindest auf dem deutschsprachigen Raum in den Medien sportlich präsent zu sein. Ob es international hilft, steht auf einem anderen Stern, aber für den amerkanischen Markt setzt BMW ja auch zukünftig auf die ALMS. Dass sich die ALMS gerade in der schwersten Krise seit ihrer Gründung 1999 befindet, passt irgendwie ins Gesamtbild der BMW-Sportpolitik.
Theissen konnte also ausgerechnet im wirtschaftlich schwierigen Jahr 2009 dem Vorstand von BMW wenig Positives berichten, als er das neue Concorde-Abkommen präsentierte. Und der Vorstand hat im letzten Winter am Beispiel Honda noch gesehen, dass eine Formel 1-Teilnahme keine Verpflichtung auf Ewigkeit sein muss. Theissens Projekte sind nicht generell gescheitert, aber die derzeitigen Ergebnisse entsprechen nicht den externen und internen Erwartungen, schon gar nicht gemessen am finanziellen Aufwand. Deshalb war der beschlossene Formel 1-Ausstieg wirklich nicht überraschend.
Die Person von Dr. Mario Theissen stand gestern nicht zur Debatte. Noch nicht. Es ist ihm wirklich zu wünschen, dass er bei seinen zukünftigen Projekten ein besseres und auch glücklicheres Händchen hat. Sonst ist zu befürchten, dass BMW schon bald wieder eine Pressekonferenz einberuft. Und das wäre wirklich schade.