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Todesgefahr in China: Dritter Pistenläufer seit 2000

Von Mathias Brunner
Die chinesische Polizei gibt sich nach der lebensgefährlichen Einlage eines Shanghai-GP-Besuchers zugeknöpft: Wieso ist der Lebensmüde über die Formel-1-Rennstrecke gerannt?

Die meisten trauten ihren Augen nicht: Gut eine Viertelstunde nach Beginn des zweiten freien Trainings zum Grossen Preis von China rannte ein schwarzgekleideter Mann, offenbar von der Haupttribüne kommend, quer über die Start/Ziel-Gerade, ungefähr auf Höhe der Ziellinie, und hechtete gekonnt über die Boxenmauer Richtung Ferrari-Garage.

Der Mann hatte sich auf der Rennstrecke eine Lücke zwischen dem vorbeigerasten Sauber von Felipe Nasr und dem nahenden Force India von Nico Hülkenberg ausgesucht. Nach seinem Sprung über die Boxenmauer verschwand der Mann vom TV-Bild. Was geschah dann?

Der Mann bewegte sich zielstrebig Richtung Ferrari-Box, wurde jedoch von Sicherheitskräften überwältigt, bevor er in den Bereich von Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen eindringen konnte.

Die Sicherheitskräfte übergaben den möglicherweise geistig Verwirrten daraufhin der Polizei, die sich bislang zum Vorfall nicht geäussert hat. Augenzeugen zufolge hat der Mann auf Chinesisch geäussert, er wolle einen Formel-1-Renner fahren. Aktion und Aussage sprechen nicht für einen normalen Geisteszustand.

Bei Start und Ziel sind die GP-Renner jenseits von 250 km/h schnell. Gruselig der Gedanke was passierte, wäre er von einem Formel-1-Auto an- oder überfahren worden. So etwas musste die Formel 1 1977 erleben, damals kamen Shadow-Star Tom Pryce und ein Streckenposten ums Leben.

Die chinesischen Organisatoren reagierten auf Anweisung der Rennleitung umgehend: die Sicherheitskräfte, welche Zäune zwischen Tribünen und Rennstrecke überwachen, wurden verdoppelt.

Menschen auf der Rennstrecke sind im modernen GP-Sport äusserst selten. Unvergessen der frühere Geistliche Cornelius «Neil» Horan, der im britischen Grand Prix 2003 auf die Silverstone-Strecke rannte, um auf die Worte des Herrn aufmerksam zu machen (auf seinem Schild stand: «Lest die Bibel. Die Bibel hat immer Recht»). Das Einzige, was wirklich nah war, war sein eigenes Ende: der Wagen von Mark Webber verpasste den irren Priester nur um Haaresbreite.

Das Safety-Car musste auf die Bahn geschickt werden, um den Eindringling einzufangen. Held der Stunde war Streckenposten Stephen Green, der Horan mit einem gekonnten Ringergriff überwältigte. Horan, der auch bei anderen Sportanlässen Störefried spielte, wurde später für seine Aktion in Silverstone zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt.

Im Jahre 2000 drang der 47jährige Robert Sehli, ein ehemaliger Angestellter von Mercedes, auf die Hockenheim-Rennstrecke vor, er war aus dem Dickicht der ersten Waldgeraden auf den Grünstreifen neben der Bahn gelangt. Der Franzose wollte mit seiner Aktion gegen eine seiner Meinung nach ungerechtfertigte Entlassung protestieren – was auf einer weissen Pellerine stand, die er trug.

Auch hier musste das Safety-Car ausrücken. Später kam heraus, dass er seine Aktion schon beim Frankreich-GP durchführen wollte, es dort aber nicht an den Sicherheitskräften vorbei geschafft hatte.

Selhi erhielt später eine Busse von 200 D-Mark. Und von einem französischen Gericht eine Wiedergutmachung in Höhe von rund 12.000 Dollar – der Richter fand ebenfalls, dass Selhis Entlassung nicht Rechtens war.

Zurück nach China: wie üblich in solchen Fällen wird von der FIA eine Untersuchung eingeleitet. Durchaus denkbar, dass die Betreiber der Shanghai-Rennstrecke später eine Busse erhalten werden, wegen übergenügernder Sicherheitsvorkehrungen.

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