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Sebastian Vettel: Was kopiert Ferrari von Mercedes?

Von Mathias Brunner
Sebastian Vettel (Ferrari) in Spanien vor Lewis Hamilton (Mercedes)

Sebastian Vettel (Ferrari) in Spanien vor Lewis Hamilton (Mercedes)

​2015 war Ferrari der einzige wahre Herausforderer von Mercedes-Benz: Nur Sebastian Vettel konnte einen Durchmarsch der Silberpfeile verhindern. Nun muss der nächste Schritt kommen.

Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene darf auf ein erfolgreiches Jahr zurückblicken. Nach einer sieglosen Saison 2014 (mit Fernando Alonso und Kimi Räikkönen) konnte Sebastian Vettel 2015 drei Rennen gewinnen – ein stattlicher Fortschritt. Arrivabene resümiert: «Wir hatten schon im ersten Wintertest mit dem neuen Wagen ein gutes Gefühl. Aber wir hatten auch den Eindruck: Wir stehen vor einem ziemlich hohen Berg. Wir alle – an der Rennstrecke und auch im Werk – machten uns dann auf die Socken, diesen Berg zu erklimmen. Aber als wir am Gipfel ankamen, merkten wir: Da ist schon einer.»

Arrivabene weiter: «So lange du den Titel nicht in der Tasche hast, kannst du nicht sagen, dass die Mission erfüllt ist. Aber vor einem Jahr schien es eine „Mission Impossible“, jetzt wissen wir, dass es sehr wohl machbar ist. Der Titel 2016 muss das Ziel sein. Dazu müssen wir überall besser werden, beim Motor, beim Chassis, bei der Aerodynamik.»

Fiat-Geschäftsleiter und Ferrari-Präsident Sergio Marchionne redet nicht um den heissen Brei herum: «Für mich ist es wichtig, dass wir gleich den ersten Grand Prix der Saison in Australien 2016 gleich gewinnen. Ferrari geht es finanziell prächtig, aber nun wollen wir auf der Rennstrecke Ergebnisse sehen. Das nächste Jahr muss das Jahr unserer Rückkehr an die Spitze sein. Ich kenne die Arbeit, die in aller Ruhe in Maranello getan wird. Aber nun müssen die Siege kommen.»

«2016 soll kein Jahr werden, in welchem wir erneut die Rolle des Jägers spielen und den Rückstand verringern. Das muss nun vorbei sein. In der kommenden Saison wollen wir an der Spitze liegen.»

Marchionne gibt damit den Ton vor, und auch die italienische Presse macht sich für ein grosses Jahr bereit. Die Erwartungen sind extrem hoch. Der «Corriere dello Sport» bringt auf den Punkt, was viele in Italien denken: «Ferrari steht vor einer Saison, in der es keine Entschuldigungen mehr geben wird: Vettel muss den Titel holen.»

In der Formel 1 gilt: Sich bei den Besten etwas abzuschauen, gehört zum Geschäft. Daher stellt sich die Frage: Wieviel Mercedes wird im 2016er Ferrari stecken?

Bis im Februar der neue Wagen von Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen enthüllt wird, gibt es offiziell keine Informationen über die neue rote Göttin. Aus Ferrari-Kreisen sickert jedoch schon einiges durch.

Die Rechnung ist sehr einfach: Um mit Mercedes-Benz 2016 auf Augenhöhe anzutreten, muss Ferrari im Winter mehr Fortschritte machen als der Weltmeister. Im Schnitt waren die Silberpfeile mindestens eine halbe Sekunde schneller als die Autos aus Maranello. Das ist für die Techniker von Ferrari-Projekt 667 eine grosse Aufgabe.

Die Entwicklung des neuen Ferrari (dessen Name noch nicht bekannt ist) begann früh. Der 2016er Ferrari ist keine Weiterentwicklung wie das 2015er Modell nach dem 2014er Auto. Technikchef James Allison und seine Mitarbeiter haben mit einem frischen Blatt Papier begonnen.

Aufhängung: Eine Altlast von Nicholas Tombazis?

Als offenes Geheimnis in Maranello gilt: Nach vier Jahren einer Vorderradaufhängung nach Zugstrebenprinzip (pull rod) kehrt Ferrari zu jener Schubstrebenlösung zurück (push rod), welche von allen anderen Rennställen verwendet wird.
In Italien wird gemutmasst, das grösste Problem des 2015er Ferrari

sei eine Altlast gewesen – jene Zugstreben-Vorderradaufhängung, die auf dem Mist des inzwischen entlassenen Designers Nicholas Tombazis gewachsen sei. Ist dieser Vorwurf berechtigt?

Als technische Grundlage: Schub- oder Zugstreben übertragen die Radbewegungen auf die Feder-/Dämpfer-Einheiten, diese Bewegung der am Querlenker angebrachten Streben wird via Kipphebel übertragen.

Die vom damaligen Brabham-Designer Gordon Murray Ende der 70er Jahre eingeführte Zugstreben-Lösung (englisch: pull rod) hatte vor allem einen Vorteil – weil die Strebe weiter unten angebracht ist und auch die Feder-/Dämpfer-Einheit näher am Boden eingebaut werden kann, sinkt der Schwerpunkt des Autos.

Vor Ferrari 2012 hatte sich Minardi 2001 als zuvor letztes Team für eine solche Vorderradaufhängung entschieden. Als Ferrari beim Modell F2012 zur Zugstrebe zurückkehrte, nannte der frühere Ferrari-Technikchef Pat Fry auch Gewichtsersparnis als Vorteil.

Dritter Vorteil, gewiss einträglicher als das Gewicht: Eine Zugstrebe lässt sich aerodynamisch günstiger platzieren – sie verläuft am Ferrari fast waagerecht, während die von der Konkurrenz verwendeten Schubstreben viel steiler im Wind stehen.

Die Frage hat jedoch bis heute Brisanz: Wiegen diese Vorteile denn wirklich die Nachteile auf?

Es fällt jedenfalls auf, dass kein einziger Gegner der Ferrari-Lösung gefolgt ist. Ganz anders als bei der Hinterradaufhängung, als Red Bull Racing-Technikchef Adrian Newey nach fast 30 Jahren Schubstreben (push rod) an der Hinterachse mit dem Modell RB5 auf einmal zu Zugstreben wechselte – und die Gegner nach und nach mitzogen.

Das grösste Problem der Zugstrebe von Ferrari: eingeschränkte Möglichkeiten der Feinabstimmung und verringertes Fahrgefühl. Fernando Alonso konnte 2014 damit leben, Kimi Räikkönen nicht.

Anders formuliert: es ist mit einer Schubstrebenlösung einfacher, ein gutes Handling in langsamen und schnellen Kurven auszutüfteln als mit dem pull rod.

Aber im Winter gelang Ferrari mit der heiklen Zugstrebenlösung ein Durchbruch. Kimi Räikkönen kommt mit dem Handling des 2015er Autos gut klar, Alonso-Nachfolger Sebastian Vettel ebenfalls.

Ferrari-Technikchef James Allison sagte, auf die verschiedenen Aufhängungsprinzipien angesprochen: «Jedes Jahr machst du dir Gedanken darüber, in welchen Bereichen du den Wagen verbessern willst. Solche grundsätzlichen Entscheidungen müssen recht vorsichtig gefällt werden. Denn wenn du dich entschliesst, an einem gewissen Teil des Wagens zu arbeiten, dann fehlen die Ressourcen vielleicht, um einen anderen Teil zu verbessern. Du musst also sehr weise wählen, wo du arbeiten willst und was diese Veränderung auf der Stoppuhr bringen kann. Zug- oder Schubstreben an der Vorderradaufhängungen haben beide ihre Vor- und Nachteile. Zugstreben sind schwieriger, was den Leichtbau und die Steifigkeit angeht. Dafür bieten sie aerodynamische Vorteile. Wir hatten 2014 nicht den Eindruck, dass das Zugstrebenprinzip ein wahres Problem des letztjährigen Ferrari gewesen ist. Also fanden wir, wir arbeiten lieber an anderen Bereichen.»

Für 2016 orientiert sich Ferrari an der Aufhängungsanordnung von Weltmeister Mercedes. Und das ist nicht der einzige Bereich, in dem man sich am Silberpfeil orientiert.

Die kurze Nase kommt

James Allison hat im Frühling bestätigt, dass Ferrari an einer kurzen Fahrzeugnase arbeite, so wie sie Mercedes 2014 und 2015 einsetzte. Aber eingeführt wurde sie nie. Das ändert sich 2016. Die kurze Nase aus Maranello kommt.

Ferner versucht Allison gemäss der Vorgabe von Mercedes-Benz, die Antriebseinheit noch besser ins Chassis zu integrieren. Die grossen Themen sind hier thermische Effizienz (Kühlung), innere und äussere Aerodynamik, Gewichtsverteilung und Schwerpunkt. So werden Wärmetauscher und elektrische Aggregate neu angeordnet, um den Schwerpunkt zu senken. Das Heck soll so schlank werden wie jenes von Mercedes, um den Aerodynamikern den grösstmöglichen Spielraum zu schenken. Die Seitenkästen werden schlanker, die Verkleidung wird sich noch enger an den Motor schmiegen, das erhöht potenziell Probleme in Sachen Kühlung. Die Hinterradaufhängung wird unverändert bleiben.

2015 war der Zeitplan für den neuen Ferrari so knapp, dass auf eine Präsentation im klassischen Sinne verzichtet wurde. Das soll 2016 dank mehr Vorbereitung anders sein. Die Vorstellung des neuen Ferrari ist Mitte Februar zu erwarten, Testbeginn ist dann Barcelona, 22. Februar 2016.

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