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Halo, Flaggenstreit, Pistensünder, Funk, das sagt FIA

Von Mathias Brunner
​Formel-1-Rennleiter Charlie Whiting hat sich Zeit genommen, um über Reizthemen zu reden: Halo, Streit um gelbe Flaggen, Pistengrenzen und Sprechfunk. Hier seine Antworten.
Charlie, allen ist bekannt, was die Strategiegruppe in Sachen Halo beschlossen hat – Einführung also erst 2018. Wird die FIA diese Entscheidung aus Gründen der Sicherheit aushebeln?

Nein, die FIA hat sich dazu entschlossen, die normale Entscheidungskaskade zu befolgen. Der Hauptgrund: Wir haben nur vier Fahrer, die wenige Runden mit dem Halo gefahren haben, wir brauchen mehr Erfahrungswerte. Wir fanden, uns geht die Zeit aus, im – in einem Idealfall – allen Piloten die Möglichkeit zu geben, mit diesem Kopfschutz zu fahren.

Habt ihr keine Angst vor folgender Situation? Dass wir 2017 einen schlimmen Unfall haben, bei welchem ein Halo den Piloten geschützt hätte, aber ihr habt es versäumt, den Halo einzuführen?

Doch, das ist diskutiert worden. Aber wir fanden, es wäre falsch, den Halo einzuführen und dann festzustellen, dass wir ein fundamentales Problem mit der Sicht haben. Daher der Aufschub auf 2018. Wir arbeiten nun an einem strukturierten Plan, wonach alle Rennställe im Laufe der kommenden fast eineinhalb Jahre ausführlich mit dem Halo zum Fahren kommen und so Erfahrungen sammeln. Es handelt sich um eine standardisierte Version, die Teams haben alle Angaben dazu. Aber es ist gleichzeitig ein Dummy.

Der Halo war doch schon im Winter an einem Ferrari. Wieso haben wir ihn seither nicht öfter gesehen?

Weil wir die Teams nicht zur Verwendung zwingen konnten. Ich will aber, dass jeder Pilot ein ganzes Training mit dem Halo fahren kann, um ein klares Bild zu erhalten. Ein anderer Grund: Bislang haben die Rennställe für 2017 Designstudien angestellt, falls denn der Halo käme, aber sie wussten nicht, ob das wirklich passiert. Für 2018 wissen sie: Der Halo kommt. Nun können sie sich um fundamentale Fragen kümmern – Gewichtsverteilung etwas, weil wir neun Kilo weit oben haben, was dem Schwerpunkt abträglich ist, und dann natürlich Aerodynamik.

Wir sahen bei Halo am Red Bull Racing-Renner, wie Pierre Gasly eine Videobrille trug. Was haben diese Bilder ergeben?

Die Bilder zeigen, dass die Sicht sehr gut ist, gemessen an einem geschlossenen Sportwagen. Aber Pierre gab zu Protokoll, dass er sich eingeschlossen fühlte, ein angenehmes Gefühl. Aber das waren nur zwei Runden. Ich glaube, die Fahrer werden sich problemlos daran gewöhnen.

Wir hören von einem ausfahrbaren Halo. Ist das technisch überhaupt machbar? Wann könnte so etwas kommen?

Ich schätze ein aktives Halo als komplett unpraktisch ein. Ich weiss nicht, wie ein System schnell genug auf die verschiedenen Szenerarien reagieren soll. Der Fahrer hat ganz sicher nicht genügend Zeit, um einen Knopf zu drücken, und Sensoren können nicht jede Situation erfassen, um das System zu aktivieren. Die Zukunft ist der Halo, wie ihr ihn kennt. Es wäre sinnlos, die bisherige Entwicklungszeit über Bord zu werfen und wieder von vorne zu beginnen.

Was passiert mit dem Aeroscreen?

Der grösste Stolperstein für den Aeroscreen ist, dass der Helm des Fahrers mit dem Rahmen in Berührung kommen kann. Wenn wir durch eine andere Form da Verbesserungen erzielen, wäre das gut. Zudem gibt es Fragezeichen in Sachen Sicht. Generell steht für uns fest: Der Aeroscreen bietet einen kompletteren Schutz als der Halo.

Ich weiss, das wir kaum passieren: Aber was, wenn ein Wagen mit Halo kopfüber liegt und brennt?

Wir haben daran gedacht. Wir glauben: Die Streckenposten sind schnell genug am Wagen, um ein Auto wieder umzudrehen.

Wieso der Fallrückzieher beim Sprechfunk?

Da muss ich ein wenig ausholen. Wir bekamen 2014 mehr und mehr Klagen darüber, dass die Piloten von aussen gesteuert wirken. Die Fans erhielten den Eindruck, dass den Piloten alles gesagt werden muss. Wir zeigten dann den Teams eine Liste von Einschränkungen bei Funksprüchen, sie fanden, das ginge zu weit, wir haben diese Liste verringert und schrittweise verfeinert. Aber die jüngsten Ereignisse haben klar gemacht, dass wir wohl übers Ziel hinausgeschossen sind, daher wollen wir nun wieder eine liberalere Auslegung anwenden. Bernie Ecclestone fand zudem: Wenn wir den Funk wieder erlauben, die Teams aber mehr vom Sprechfunk fürs Fernsehen offenlegen müssen, dann ist das für den Fan ein Mehrwert.

Wir sind also wieder zurück an Punkt, dass die Piloten von aussen ständig Anweisungen erhalten werden?

Ja.

Gibt es da keinen Mittelweg?

Wir sehen keinen. Und Bernie Ecclestone hat ein starkes Argument, wenn er sagt, er wolle die Show für die Fans verbessern.
Red Bull Racing-Teamchef Christian Horner hat angeregt, dass auch der Funk zwischen den Teams und dir freigegeben wird.
Das würde ich ungern sehen. Denn viele Anfragen der Rennställe sind vertraulich. Mir wäre es sehr unbehaglich, wenn sich das alle anhören könnten.

Was ist mit dem Beachten der Pistengrenzen?

Ich bin noch immer der Ansicht, wir sollten das regeln, ungeachtet der Entscheidung der Strategiegruppe, die nun den normalen Weg weiter zur Formel-1-Kommission geht. Denn wenn den Piloten komplett freie Hand gelassen wird, dann entsteht eigentlich ein anderer Rennkurs. Die Entscheidung der Strategiegruppe jedoch ist, das Thema fallenzulassen, weil die Kontrolle von Pistengrenze mehr Unmut und Diskusionnen erzeuge als freie Fahrt. Hier in Hockenheim hingegen ist die Situation unverändert. Wir haben eine gleiche Lage wie in Ungarn, dass es an verschiedenen Stellen einfach schneller ist, die Piste zu verlassen, weil man dort mehr Schwung mitnehmen kann. Wir müssen uns noch im Detail angucken, wie wir das ab morgen Samstag regeln wollen. Am Freitag greifen wir nicht ein, weil die Rundenzeiten im Grunde keine Rolle spielen. Qualifying und Rennen sind ein anderes Paar Schuhe.

Was ist mit gelben Flaggen wie bei Nico Rosberg?

Da reagieren wir mit sofortiger Wirkung, weil dies lediglich eine kleine Anpassung des heutigen Reglements ist. Haben wir nochmals eine Situation wie in Ungarn, dann wird nicht doppelt Gelb gezeigt, sondern gleich mit der roten Flagge abgebrochen. Weil ich so eine Situation wie nach dem Abschlusstraining auf dem Hungaroring nicht nochmals haben will und weil die rote Flagge für alle gleich ist.

Viele Fans haben den Eindruck, die Entscheidungsfindung bei den Rennkommissaren werde verzögert, weil sich die Rennpolizei zwischendurch um Vorkommnisse bei den Rahmenrennen kümmern muss. Sind da die Prioritäten falsch gelegt?

Diese Ansicht ist nicht mehr korrekt. Das war früher so, heute aber nicht mehr. In Ungarn kam es beim Fall der gelben Flaggen und bei Nico zu einer Verzögerung, weil die Rennkommissare sich das sofort angeschaut haben und fanden – Rosberg hat nichts Falsches getan. Dann entstand viel Unruhe im Fahrerlager, so dass die Rennkommissare später fanden, vielleicht sollte man sich das nochmals angucken und eine andere Sichtweise anwenden. Daraufhin wurde Nico vorgeladen, und 90 Minuten später hatten wir dann eine Entscheidung.

Aber machen wir einen Schritt zurück und schauen uns das an: Ärger über Funk, Regeln zur Einschränkungen, nun wieder Regeln weg. Anhaltende Diskussion über Pistengrenzen. Das Hin und Her um den Halo. Ohne Not Einführung eines neuen Qualis, das nach wenigen Versuchen über Bord gekippt wird. Werden in der Formel 1 nicht ein wenig viele Fallrückzieher gemacht?

Quali schien eine gute Idee zu sein, aber sie hat in der Praxis nicht funktioniert. Aber vergesst nicht, wie schnell die Leute vergessen. Wer weiss schon noch, was in Australien war. Auch beim Funk waren die Einwände nachvollziehbar, und wir wollten reagieren. Leider hat sich das in der Praxis als kaum umsetzbar erwiesen.

Aber liegt das nicht an einer mangelhaften Regelschreibung?

Wir dürfen nicht vergessen, dass wir einen überaus komplexen Sport haben. Wenn wir eine Regel schreiben, dann zeigen wir das den Teams. Von einigen kommen dann Einwände: „Habt ihr auch an diesen Fall gedacht und an jenen?“ Und wir sagen: Hm, das ist ein guter Einwand, wir müssen das in die Regel einbauen. Und ein entsprechender Artikel wird komplexer und komplexer. Ein kugelsicheres, glasklares Reglement ist bei der Komplexität der Autos und des Renngeschehens so gut wie unmöglich.

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