WM-Favorit Lukas Fienhage nimmt die Schuld auf sich
Alles sah nach einem 10:5 der Deutschen gegen Frankreich aus – und damit einem guten Schritt in Richtung des alles entscheidenden Finales bei der Langbahn-Team-WM in Vechta. Fienhage führte in jenem 18. Lauf. Stephan Katt war Dritter, dahinter Mario Niedermeier. 100 Meter vor dem Ziel erwischte Fienhage auf seiner Heimbahn eine Rille und landete in den Airfences. Es tat weh, sehr weh. Sehr viel mehr aber in der Seele als am leicht lädierten Oberarm. Besonders, als am Ende klar wurde, dass nur ein Pünktchen fehlte, um mit den Niederländern gleichzuziehen. Jenen Niederländern, die die Deutschen zuvor mit 8:7 geschlagen hatten und die weniger Laufsiege aufzuweisen hatten als Deutschland.
«Das streiche ich mir an», sagte Mannschaftskapitän Fienhage kurz nach seinem Sturz. «Ich habe das Finale weggeworfen.» Dass er dennoch mit 23 Zählern knapp die Hälfte der 48 deutschen Punkte einfuhr, interessierte ihn zu diesem Zeitpunkt nicht. Auch nicht, dass aus deutscher Sicht leidglich die Duelle gegen Frankreich und die späteren Weltmeister Großbritannien verlorengingen. Und genauso wenig, dass die Bronzemedaille ungefährdet eingefahren werden konnte. Fienhage wollte mehr – und zu Hause ins Finale. Dass im Endlauf noch einmal alles möglich gewesen wäre, davon gab sich der am vergangenen Freitag 26 Jahre alt Gewordene überzeugt.
Alle ehrlich gemeinten Worte der Mannschaftskollegen, aller Trost, half nicht. «Lukas war unser Punktelieferant. Und ohne ihn wären wir erst gar nicht so weit gekommen», meinte beispielsweise Jörg Tebbe. Auch Stephan Katt resümierte: «Auch ich habe den einen oder anderen Punkt liegen lassen. Natürlich ist die Differenz mit einem Punkt Shit, aber wir sind im Sport. Lukas war den ganzen Tag über so schnell und konstant.» Mario Niedermeier war mit seiner ersten Team-WM-Medaille einfach nur happy, bei Lukas Fienhage herrschte dagegen «eher Enttäuschung» vor. Als «sehr gut» empfand er aber die Zusammenarbeit im Team.
Ein paar Tage nach Vechta ist die Blessur abgeklungen. Der Frust ist wieder gewichen und hat Fienhages Kämpferherz und Ehrgeiz Platz gemacht. «Ich visiere in Roden meinen zweiten Einzeltitel an», gibt sich der Norddeutsche selbstbewusst. Der Weltmeister des Jahres 2020 hat es in der Hand, führt die WM-Tabelle mit 55 Zählern und damit zwei Punkten Vorsprung an. Zwei zweite Ränge und einmal Platz 3 hat Fienhage in den bisherigen drei Finals der Weltmeisterschaft erreicht – und war damit als Einziger konstant und bei allen drei Rennen in Mühldorf, Marmande und Scheeßel auf dem Podest. Jäger sind nun die beiden Briten Zach Wajtknecht und Chris Harris, mit zwei und vier Punkten Rückstand. «Ich muss definitiv vor Wajtknecht liegen», weiß Fienhage. Ansonsten wäre der Vorsprung dahin. Martin Smolinski, Titelverteidiger und WM-Vierter, wird am Sonntag in Roden aufgrund seiner in Scheeßel zugezogenen Verletzung fehlen.
Im Hause Fienhage ist man indes gerüstet. Die Bikes stehen parat, die mentale Form passt, der Sturz ist abgehakt. Fienhage wird alles dafür geben, damit sich dieses Schicksal nicht eine Woche nach Vechta wiederholt. Am Sonntag soll das Edelmetall, das er mit nach Hause nimmt, golden schimmern.