Pirro (Ducati): MotoE und MotoGP im Vergleich
Michele Pirro mit der V21L
Die neuen MotoE-Einheitsmaschinen kommen ab 2023 bekanntlich aus dem Hause Ducati. «Bei der MotoE bin ich neugierig, wie das Bike funktioniert – ohne Kupplung, ohne Lärm... Aber wenn ich wählen müssten, wäre mir ein MotoGP-Test lieber», räumte Superbike-Weltmeister Álvaro Bautista ein, als er auf das Thema angesprochen wurde.
Und wie steht es um die Neugierde von MotoGP-Weltmeister Pecco Bagnaia? «Die MotoE ist so anders zu dem, was ich bisher immer gefahren bin, dass ich gar nicht weiß, was ich davon erwarten soll. Ducati baut aber jedes Motorrad auf hohem Level, also wäre es sicherlich sehr schön, so ein Bike zu testen.»
Ducati-Testfahrer Michele Pirro saß natürlich schon auf dem neuen MotoE-Bike: Er war es, der den Prototyp mit dem Code-Namen V21L am 16. Dezember 2021 zum ersten Mal überhaupt auf die Strecke gebracht hatte.
«Der erste Run mit der MotoE war großartig», erinnert sich Pirro. «Ich hatte ein Motorrad mit schwierigem Handling erwartet, weil das Gewicht etwas höher liegt als bei einem MotoGP-Bike. Nach der ersten Runde spürte ich aber, dass es kein großes Problem darstellte. Das Gefühl ist ähnlich wie auf der MotoGP- oder Superbike-Maschine. Vor allem die Entfaltung des Drehmoments fühlt sich gut an, es kommt den Bikes sehr nahe, die ich sonst fahre – der MotoGP, Superbike oder Panigale V4.»
«Abgesehen vom Geräusch ist die Reaktion ähnlich wie auf den anderen Bikes, wenn es um das Chassis oder das Handling geht. Klar, es fehlt das Getriebe, aber schon nach drei oder vier Runden fühlt es sich an wie ein normales Motorrad, nur eben ohne den Sound. Der ist anders, es hört sich eher an wie ein Jet. Insgesamt fühlt es sich aber sehr gut an.»
Herzstück der V21L ist die 110 kg schwere und speziell für ein Rennmotorrad geformte Batterie, die eine Kapazität von 18 kWh hat und deren Kohlefaser-Gehäuse gleichzeitig tragender Bestandteil des Chassis ist. Die Geometrie sei einem MotoGP-Bike ähnlich, war bei Ducati zu hören.
Der Motor allein wiegt nur 21 kg, der Inverter zusätzliche 5 kg. Ducati setzt auf ein modernes 800-Volt-System und ein innovatives Kühlsystem, das die Batterie und die Einheit aus Motor und Inverter jeweils separat kühlt. Als maximale Leistung wurden 110 kW (150 PS) angegeben.
In Mugello wurde mit dem insgesamt 225 kg schweren Bike bereits ein Top-Speed von 275 km/h erreicht. Rundenzeiten wurden offiziell noch keine kommuniziert, Randy Krummenacher aber hörte sich bei Mattia Casadei um: «Er hat mir erzählt, die Ducati-Testfahrer Michele Pirro und Alex De Angelis seien in Misano bereits 1:40er-Zeiten gefahren, also drei Sekunden unter den Weltcup-Zeiten von diesem Jahr geblieben.»
Pirro: «Ich bin natürlich die MotoGP oder die Superbike gewohnt, im Vergleich hat das MotoE-Bike weniger Leistung. Man muss also einen höheren Kurvenspeed fahren. Ich glaube aber, dass die Ingenieure und die Jungs bei Ducati diesen Gap in Zukunft verkleinern können», ist der Tester überzeugt.
Die V21L ist mit Bremsen von Brembo und Federelementen von Öhlins ausgestattet. Die Elektronik soll mit den Systemen von anderen Rennmaschinen aus Borgo Panigale vergleichbar sein (Traction Control, Slide Control, Wheelie Control sowie Mappings für Gas und Motorbremse).
«Ohne Getriebe ist es im ersten Moment ein bisschen anders. Vor allem die elektronischen Systeme wie in der MotoGP geben einem aber ein sehr ähnliches Gefühl, besonders auf der Bremse und im Kurveneingang. Man kann Kurve für Kurve dieselbe Motorbremse wie bei einem normalen Bike einsetzen», schilderte Pirro.
Der Ducati-Testfahrer abschließend: «Ich arbeite mit den Jungs bei der Entwicklung auf dieselbe Weise wie an dem MotoGP-Bike und der Superbike. Es ist eine Bestätigung dafür, wie sehr sich Ducati für das Projekt und die aktuellen technischen Innovationen einsetzt und wie in jeder anderen Sache auch die Excellenz verfolgt – wie in den vergangenen Jahren in der MotoGP und der Superbike, wo sie auf Top-Level sind.»