Goubert: Warum MotoE-Reichweite keine Priorität hatte

Von Nora Lantschner
MotoE-Direktor Nicolas Goubert zieht im Interview mit SPEEDWEEK.com nach dem ersten Test mit der neuen V21L Bilanz und erklärt, warum die Verantwortlichen wegen der kurzen Renndistanz keine Bedenken haben.

Beim ersten MotoE-Test der Ducati-Ära standen in Jerez in der vergangenen Woche vier 15-Minuten-Sessions pro Tag auf dem Plan, dazwischen wurden die neuen Einheits-Bikes aus Borgo Panigale je rund eine Stunde an die Ladestationen angeschlossen.

Auf dem 4,423 km langen Circuito de Jerez-Ángel Nieto schafften die MotoE-Piloten in 15 Minuten acht gezeitete Runden, das sind 35,384 km. Beim nächsten Testlauf vom 3. bis 5. April auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya sind übrigens fünf Sessions täglich geplant.

Bei der Reichweite blieben also Fortschritte aus, dafür überzeugte die 225 kg schwere V21L mit Ergonomie und Fahrgefühl. Die Rundenzeiten – der inoffizielle MotoE-Rekord von Eric Granado in Jerez liegt nun bei 1:47,053 min – kamen aber auch aufgrund der durchwachsenen Witterungsverhältnisse nicht an die Moto3-Messlatte heran. Die Moto3-Piloten fuhren am Freitag auf komplett trockener Piste 1:46,090 min.

Im Interview mit SPEEDWEEK.com zieht Nicolas Goubert, MotoE Executive Director, ein erstes Fazit.

Mit dem Jerez-Test begann eine neue MotoE-Ära, die Erwartungen an Ducati waren hoch. Erfüllte der italienische Hersteller diese Erwartungen?

Ich glaube, alle waren beeindruckt. Wenn ich alle sage, dann rede ich von den Teams und den Fahrern. Ducati ist mit vielen Leuten nach Jerez gekommen. Es sind sehr kompetente Leute, die das Know-how mitbringen, das sie über viele Jahre im Rennsport entwickelt haben. Sie haben eine echte Prototypen-Rennmaschine gebaut. Das kann anfangs ein bisschen erschreckend für einige Mechaniker sein, die es nicht gewohnt waren, sie brauchen also Zeit. Sie sind aber sehr glücklich.

Wir haben beim Jerez-Test am Dienstag ein Meeting mit allen Teams und Ducati abgehalten. Und das Treffen hat mit einem Applaus für Ducati begonnen. Ich wollte, dass die Teams dem Hersteller bei dieser Gelegenheit ein direktes Feedback geben: Was sie verändern möchten, womit sie glücklich sind, womit weniger… Es gab dann zum Beispiel die Anfrage für ein anderes Set-up mit der Traktionskontrolle und die Frage: «Können wir das für den Barcelona-Test bekommen?» Und die Ducati-Mitarbeiter haben geantwortet: «Ihr bekommt es am Mittwochmorgen.»

Wir können also von einer neuen Herangehensweise, einem ganz neuen Konzept sprechen, das Ducati als erfolgreicher Hersteller in der MotoGP- und Superbike-WM in die MotoE mitbringt. Was einige Beobachter allerdings enttäuscht hat: Die Renndistanz wird sich wieder im Bereich der acht Runden bewegen, in Sachen Reichweite blieb eine Verbesserung also aus.

Als wir das Projekt mit Ducati begonnen haben, mussten wir ihnen natürlich sagen, was wir wollten. Wir haben ihnen gesagt, dass wir mit 15-minütigen Rennen glücklich waren. Wir wollen aber, dass wir diese 15-Minuten-Rennen immer durchführen können, unabhängig vom Wetter, den äußeren Umständen oder den Anforderungen und dem Layout aller Strecken, auf denen die MotoGP fährt.

Wir wollen nicht mehr Reichweite. Wenn wir in der Vergangenheit acht Runden gefahren sind, werden wir wieder diese 15-Minuten-Rennen fahren. Aber wir haben Ducati gesagt: «Stellt sicher, dass das Bike nicht sensibel auf die Umstände reagiert.» Bei Elektro-Autos hört man ja auch, man müsse aufpassen, weil zum Beispiel die Reichweite in Finnland bei minus 10 Grad oder irgendwo anders in glühender Hitze nicht dieselbe sei. Davon wollen wir nichts hören.

Die Verbesserung besteht also darin, auf jeder Strecke dieselbe Renndistanz zu absolvieren.

Das war der erste Punkt, der uns sehr wichtig war. Der zweite Punkt: Solange wir vom Speed her im Vergleich zur Moto3 konkurrenzfähig sind, ist es okay. Wir wollen den Leuten nur zeigen, dass wir im Vergleich zum «normalen» Motorradsport konkurrenzfähig sind. Wir wissen, dass wir nicht mit der MotoGP mithalten, das ist aber nicht das Ziel.

Der dritte Punkt: Mit den ersten zwei Punkten als Vorgabe sollte das Motorrad so leicht wie möglich sein. Mit dem Ergebnis sind wir sehr glücklich.

Ducati hat ein sehr effizientes Kühlsystem entwickelt. Das brauchst du, um den ersten Punkt zu erreichen, damit die Batterietemperatur vom Anfang bis zum Ende des Rennens im Grunde unverändert bleibt. Das ist großartig.

Ducati verwendet zur Kühlung zwei separate Kreisläufe, einen speziell für den Batteriepack, einen anderen für Elektromotor und Inverter.

Genau. Der nächste Aspekt ist, dass das Gewicht mit 225 kg großartig ist. Wir haben vor vier Jahren mit 262 kg begonnen. Es sind also fast 40 kg weniger in vier Jahren. Jetzt stellt man sich vor, wenn wir in den nächsten vier Jahren wieder 40 kg verlieren würden… (Er schmunzelt.)

Das wird sehr schwierig, aber man weiß nie, wenn man sich anschaut, wie schnell sich alles entwickelt.

Zusammenfassend kann man also sagen: Das Gewicht hat Priorität, die Renndistanz weniger?

Das mag überraschend klingen, aber die Renndistanz hat der Dorna nie Kopfzerbrechen bereitet. Es hat mir Sorgen gemacht, als ich angefangen habe. Ich erinnere mich daran, dass ich mehrmals mit Dorna-CEO Carmelo Ezpeleta gesprochen habe. Er hat zu mir gesagt: «Erinnerst du dich, dass wir in der 500-ccm-Klasse keine Flag-to-Flag-Rennen hatten?» Das wurde damals [im Falle eines Wetterumschwungs] ja so gehandhabt, dass das Rennen unterbrochen und dann neu gestartet wurde, über eine kürzere Distanz. Und diese zweiten Rennen waren immer die besten Rennen. Das stimmt.

Ich glaube, wir haben auch in den ersten vier Jahren der MotoE bewiesen, dass die Rennen und die Show großartig waren. Der Grund dafür ist einleuchtend, es gibt nur eine Strategie, Angriff von der ersten bis zur letzten Runde. Gleichzeitig geben sieben oder acht Runden dem Fahrer, der im Grid in keiner sehr guten Position war, 14. oder 15. zum Beispiel, immer noch die Möglichkeit auf das Podium zu fahren. Das hatten wir schon und das ist gut für die Show.

Noch ein Punkt: Die Leute sind heutzutage immer ungeduldiger, sie sitzen nicht mehr so lange vor demselben Programm. 15 Minuten sind in der Hinsicht vielleicht keine so schlechte Idee. Ein MotoGP-Sprint wird ja auch rund 20 Minuten dauern, davon sind wir nicht so weit entfernt.

Wir haben keine längeren Rennen verlangt, aber wir haben gesagt: «Reduziert das Gewicht.» Denn unser Ziel war von Anfang an, Rennsport zu zeigen, der den anderen Klassen so nahe wie möglich kommt. Um das zu ermöglichen und zum Beispiel schnelle Richtungswechsel zu sehen, braucht es leichtere Bikes.

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