KTM: Im Werk gingen die Lichter aus

Joan Olivé (VDS): Wie er den Sam Lowes-Erfolg erklärt

Von Günther Wiesinger
Der 30-jährige Engländer Sam Lowes mauserte sich 2020 im Marc VDS-Team vom Bruchpiloten zum Titelanwärter. Sportmanager Joan Olivé erklärt die Gründe für den Erfolg.

Weil Alex Márquez erst beim WM-Finale in Valencia 2019 als neuer Moto2-Weltmeister einen MotoGP-Vertrag erhielt, musst sich das belgische Marc VDS-Moto2-Team von Bier-Milliardär Marc van der Straten im vorletzten November eilig nach einem Ersatz umsehen. Es wurde dann Augusto Fernandez aus seinem Vertrag beim Pons HP-40-Team herausgekauft und mit dem Briten Sam Lowes ein neues Fahrerduo für 2021 gebildet.

Während Fernandez hinter den Erwartungen blieb, erstaunte Sam Lowes schon bei den Wintertests mit etlichen Bestzeiten. Und der 30-jährige Brite aus Lincoln, der jetzt in der Nähe von Donington Park wohnt, mauserte sich zur Überraschung der Saison. Denn der ehemalige Bruchpilot verbuchte nur drei Nuller, aber drei Siege in Serie und dazu zwei zweite und zwei dritte Plätze.

Welch eine Trendwende zur jüngsten Vergangenheit: 2018 und 2019 hatte Lowes mit KTM und Kalex nur die WM-Ränge 16 erreicht – mit 49 und 66 Zählern. Im Vorjahr kassierte er nicht weniger als 196 Punkte ein, genauso viele wie Vizeweltmeister Luca Marini, der aber drei zweite GP-Plätze verbuchte.

Jon Olivé, ehemaliger 125-ccm-GP-Pilot und dann langjähriger Teamkoordinator bei Ajo Motorsport bis Ende 2018, agiert seit zwei Jahren nach dem Finanzskandal um Ex-Teamchef Michael Bartholemy bei Marc VDS als «Sportive Manager». Der Spanier war von 2001 bis Ende 2009 in der 125er-WM aktiv und viermal in der Gesamtwertung unter den Top-Ten. Er schaffte keinen GP-Sieg, aber fünf zweite und vier dritte Plätze.

Sam Lowes bekam bei Marc VDS den ehemaligen Lüthi-Crew-Chief Gilles Bigot zugeteilt. Fernandez wurde von David Garcia betreut. 2021 kümmert sich Lucio Nicastro um ihn, der von Intact zum American Team kam und 2020 für Joe Roberts zuständig war. 

Joan Olivé betont im Interview mit SPEEDWEEK.com, die Zusammenarbeit mit Sam Lowes habe von Anfang an perfekt geklappt. «Die Erfahrung von Gilles hat einen großen Unterscheid bewirkt», meint der Spanier.

«Alles ging vom Beginn weg leicht von der Hand. Gilles hat sehr viel Erfahrung und deshalb arbeitet er sehr ruhig. Er ist sich seiner Fähigkeiten sicher. Diese Ruhe und Sicherheit hat sich auf Sam übertragen. Die beiden haben dann in einem guten und friedlichen Umfeld gearbeitet. Sie haben sich gut ergänzt, auch der Daten-Ingenieur hat einen Teil zum Erfolg beigetragen. Er ist schon früher bei Sam tätig gewesen. Gilles und Sam haben vom ersten Moment an tadellos zusammengepasst. Das ist im Rennsport ein Schlüssel zum Erfolg. In der Moto2 haben alle Fahrer und alle Teams dasselbe Material, dieselben Bikes, dieselben Motoren. Alles ist identisch. Deshalb ist es sehr wichtig, dass der Fahrer Vertrauen zu seinem Technikpersonal hat. Sam hat beim ersten Test gespürt, dass wir ihm zu 100 Prozent vertrauen und umgekehrt war es genauso. Das war die Basis für den Erfolg.»

Als Sam Lowes nach den erfolglosen Jahren (auch im Aprilia-MotoGP-Team 2017) im Herbst 2019 für das Marc VDS Team engagiert wurde, wurde das von vielen Experten auf seine Partnerschaft mit Marc VDS-Teamkoordinatorin Marino Rossi zurückgeführt, die seine Lebensgefährtin und Mutter seines Kindes ist.

Aber Sam Lowes zeigte sich 2020 wie verwandelt, er war zwar beim Katar-GP verletzt, kassierte aber danach nur noch zwei Nuller. Vor dem Saisonstart in Losail war Lowes bei einem Test in Jerez am 10. Februar in Kurve 2 per Highsider abgeflogen, er verletzte sich an der rechten Schulter: Ein Bruch am schulternahen Oberarm und mehrere gerissene Bänder im Schulterbereich waren die unerfreuliche Bilanz des Zwischenfalls. Er musste deshalb auf die Katar-GP-Teilnahme verzichten.

Sam Lowes genoss die familiäre Atmosphäre bei Marc VDS. Aber Joan Olivé macht auch handfeste andere Gründe für den Erfolg verantwortlich. «Gleich zu Jahresbeginn hat Sam die neue Hinterradbremse probiert. Mit diesem neuen Scooter-Hebel konnte er die Hinterradbremse beim Kurveneingang viel besser kontrollieren als mit dem Fuß. Manchmal sind es solche Kleinigkeiten, die den Extra-Speed ausmachen. Sam hat sich zwar beim ersten Test verletzt. Aber Gilles hat diese Fingerbremse am linken Lenker für sinnvoll gefunden und Sam davon überzeugt. Dieses System vermittelt mehr Feedback. Technisch hat das Sam stark geholfen, und das erwähnte freundliche Umfeld hat den Rest ausgemacht.»

Moto2-WM, Endstand nach 15 von 15 Rennen:

1. Bastianini 205 Punkte. 2. Marini 196. 3. Lowes 196. 4. Bezzecchi 184. 5. Martin 160. 6. Gardner 135. 7. Roberts 94. 8. Nagashima 91. 9. Schrötter 81. 10. Vierge 79. 11. Lüthi 72. 12. Baldassarri 71. 13. A. Fernandez 71. 14. Canet 67. 15. Di Giannantonio 65. 16. Garzo 63. 17. Navarro 58. 18. Dixon 44. 19. Ramirez 37. 20. Bulega 32. 21. Syahrin 21. 22. Manzi 21. 23. Bendsneyder 18. 24. Corsi 15. 25. Chantra 10. – Ferner: 28. Aegerter 4.

Team-WM

1. Sky Racing Team VR46, 380 Punkte. 2. Estrella Galicia 0,0 Marc VDS 267. 3. Red Bull KTM Ajo, 251. 4. Italtrans Racing Team 210. 5. Liqui Moly Intact GP 153. 6. ONEXOX TKKR SAG Team 135. 7. Flexbox HP 40, 134. 8. Tennor American Racing 131. 9. Petronas Sprinta Racing 123. 10. MB Conveyors Speed-up Racing 40. 11. Openbank Aspar Team 40. 12. Federal Oil Gresini 37.

Marken-WM

1. Kalex 375. 2. Speed up 118. 3. MV Agusta 32. 4. NTS 22.

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