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Augusto Fernández: Vom Ersatzfahrer zum Champion

Kolumne von Friedemann Kirn
Weltmeister Augusto Fernández

Weltmeister Augusto Fernández

Als Ai Ogura in Valencia stürzte, stand der 25-jährige Augusto Fernández als neuer Moto2-Weltmeister fest. Doch das war längst nicht der einzige Paukenschlag einer unkonventionellen Karriere.

Augusto Fernández ist ein sympathischer junger Mann, mit gewinnendem Lächeln, hellwachem Blick und einer freundlichen Gelassenheit, mit der er jeden Gesprächspartner sofort auf seine Seite bringt. Er unterhält sich mühelos in vier verschieden Sprachen, antwortet auf alle Fragen ehrlich, witzig und intelligent.

Vielleicht ist es das regelmäßige Yoga-Training mit seiner Mutter Sara Guerra, einer Yoga-Lehrerin, das ihm diese Ausstrahlung verleiht. Was auch immer es ist: Fernández wirkt trotz seiner Jugend wie ein Mensch, der nicht so leicht aus der Ruhe und seinem seelischen Gleichgewicht zu bringen ist. Es ist ein Charakter, der sich auch auf der Rennstrecke zeigt.

Während sich Alonso Lopez nach früher Führung beim Saisonfinale in Valencia zu Hau-Ruck-Aktionen hinreißen ließ und diesen Leichtsinn mit einem Sturz bezahlte, zeigte Fernández seine typische, unerschütterliche Gleichmäßigkeit, obwohl er in den ersten Rennrunden keine Ahnung hatte, was im Kampf gegen Ogura die beste Taktik sein würde. «Die ersten acht Runden waren fürchterlich», gab er nach dem Rennen zu. «Ich war ein bisschen frustriert, denn ich wusste, dass ich einen besseren Rhythmus hatte, was man ja auch später mit Acosta sehen konnte. Aber ich wusste auch, dass ich mich nicht auf jeden Kampf einlassen durfte. Alonso und Pedro haben hart gefightet, Ogura war vor ihnen Zweiter, und ich wollte sie unbedingt überholen, um auf Ogura Jagd zu machen. Doch sowie ich sie überholte, schlugen sie zurück. Mir gingen tausend Dinge durch den Kopf, bis Ogura schließlich stürzte. Es tut mir leid für ihn, wegen der guten Saison, die er hingelegt hat, und wegen der großartigen Titeljagd, die wir uns geliefert haben. Nach seinem Sturz wurde ich lockerer, mir war plötzlich alles egal», schilderte Fernández weiter.

Denn natürlich, nach Oguras Sturz gab es keine mögliche Wende im Rennen mehr, die ihm den sicheren Titel hätte entreißen können.

Die kunterbunte Karriere und Lob von Lorenzos Vater

So feierte Fernández den Höhepunkt einer kunterbunten Karriere, die im Alter von sechs Jahren begonnen hat, als ihm sein gleichnamiger Vater Augusto das erste Motorrad, eine Mini-Cross-Maschine, kaufte. Ursprünglich aus Madrid, war die Familie nach Mallorca umgezogen, als der kleine Augusto zwei Monate alt war. Dort kam er dann im Trainingscamp von José Manuel Lorenzo unter und machte die gleiche strenge, aber erfolgreiche Schule durch, die auch dessen Sohn Jorge Lorenzo absolviert hatte.

«Augusto fährt sauber und präzise. Beim Beschleunigen ebenso wie beim Bremsen hat er seine Maschine exzellent unter Kontrolle. Er fährt im Trockenen und im Nassen mit der gleichen Souveränität und zeigt sein Können nicht nur bei der Alleinfahrt, sondern auch im Pulk», urteilt «Chicho» Lorenzo. «Er beschäftigt sich intensiv mit den Charakteristika jeder Rennstrecke und arbeitet bewusst an der Strategie für seine Karriere. Das stärkt sein Selbstvertrauen und seine emotionelle Balance.»

Fernández zollt seinem Lehrer den gleichen Respekt. «Auf einem Parkplatz habe ich mit Chicho Lorenzo angefangen zu trainieren. Die Vorbereitung war die gleiche wie bei Jorge Lorenzo. Es war seine Methode. Ich war mit Chicho von meinem sechsten bis zum zwölften Lebensjahr zusammen, und das gab mir die Basis für die späteren Erfolge», erklärt Fernández.

Zu Beginn gab er in der von Chicho Lorenzo gegründeten «Liga Interescuelas» Gas, einer Art Fahrschul-Wettbewerb. Dann fuhr er im «European Junior Cup» erstmals auf Motorrädern, die echten Rennmaschinen ähnelten. Andere Serien wie die «Cuna de Campeones Bancaja», eine Minimotard-Meisterschaft und ein erster Titel in einer Minimoto-Kategorie folgten, bevor Fernández in die «Open 80 ccm»-Klasse einstieg und 2011 als Wildcard-Fahrer im European Junior-Cup in Magny Cours mit einer Kawasaki 250 erstmals auf einer GP-Piste antrat. 2015 kam er in der Superstock 600-Europameisterschaft an und gewann ein Rennen. 2016 wurde er bester Rookie in der spanischen Moto2-Meisterschaft.

Anruf von Luca Boscoscuro

Dann kam Mitte der Saison 2017 der Anruf von Luca Boscoscuro. Der Italiener, der sich seit Jahren mit seinem kleinen «Speed Up»-Team trotzig gegen die Übermacht von Kalex in der Moto2-WM stemmt, ist nicht nur für seinen unerschütterlichen Optimismus, sondern auch für sein scharfes Auge für neue Talente bekannt. «Hast du Lust, für Axel Bassani einzuspringen», fragte der Italiener vor dem Mugello-Grand Prix.

Fernández war wie vom Donner gerührt. «An einem Tag war ich Fahrer der spanischen Meisterschaft, am nächsten absolvierte ich einen Test mit einem Moto2-WM-Team in Misano. Es war unglaublich», erinnert sich Fernández.

Bei seinem GP-Debüt zog er sich so achtbar aus der Affäre, dass er die gesamte restliche Saison bestreiten durfte. Weil sich Boscoscuro für Fabio Quartararo und Edgar Pons entschied, kehrte Fernández 2018 allerdings in die spanische Meisterschaft zurück.

Bis vor dem Barcelona-Grand Prix erneut ein unerwarteter Anruf kam: Diesmal war Sito Pons in der Leitung und fragte, ob Fernández Lust habe, Hector Barberá zu ersetzen.

Abermals machte Fernández einen guten Eindruck – und erhielt von Pons 2019 die Chance zu seiner ersten kompletten Grand Prix-Saison. Fernández bedankte sich und holte drei Siege, insgesamt fünf Podestplätze und den fünften WM-Rang.

Abermals nahm Augustos Karriere eine überraschende Wendung. Alex Márquez war 2020 von Repsol-Honda als Notnagel engagiert worden, um den scheidenden Jorge Lorenzo zu ersetzen.

Teambesitzer Marc van der Straaten wiederum holte Fernández, um Alex Márquez zu ersetzen. Für diesen Deal griff er besonders tief in die Tasche, weil er Fernández aus dem gültigen Vertrag mit Pons herauskaufen musste – ein einzigartiger Vorgang in der notorisch von Geldnöten geplagten GP-Mittelklasse.

Allerdings wurde die erste Saison im Marc VDS-Rennstall zum Desaster – unter anderem, weil Fernández an dem gefürchteten Karpaltunnelsyndrom litt und immer wieder durch «arm pump» zurückgeworfen wurde. Erst im zweiten Marc VDS-Jahr 2021 stellten sich allmählich Erfolge ein, Fernández holte sechs Podestplätze in den letzten zehn Rennen und wurde WM-Fünfter.

Dann zog der talentierte Spanier weiter und heuerte für 2022 im Team von Aki Ajo an, ein erneuter, unerwarteter Wechsel, bei dem sich van der Straaten verraten und im Stich gelassen vorkam.

«Wenn einer das Team wechselt, muss es sauber ablaufen. Die Art und Weise, in der es Augusto gemacht hat, war nicht sehr elegant. Sie war eine Respektlosigkeit gegenüber dem Team», erklärte der Bier-Milliardär damals.

Doch für seine Karriere hatte Fernández zweifellos die beste Wahl getroffen. Ajo hat bereits Mike di Meglio, Marc Márquez, Sandro Cortese, Brad Binder, Johann Zarco, Pedro Acosta und Remy Gardner die Tür zum WM-Triumph geöffnet. Fernández hatte die Chance, der achte Weltmeister in diesem hoch dekorierten Team zu werden – und packte sie entschlossen am Schopf.

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