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Roberto Locatelli: «Aron Canet war übermenschlich»

Von Thomas Kuttruf
Dass Aron Canet eine Pole-Position sowie einen sechsten Platz beim Moto2-WM-Lauf in Le Mans herausfahren konnte, ist keine Sensation. Unter welchen Umständen der Spanier das Event meisterte, allerdings schon.

Es war nicht das erste Mal, dass ein Pilot nach einer Verletzung in Rekordtempo zurück auf sein Renngerät kletterte. Doch das Comeback von Moto2-Star Aron Canet, dass eigentlich keines war – denn der Spanier verletzte sich im Training des Spanien GP und stieg zwei Wochen danach beim nächsten Event in Frankreich wieder auf seine Kalex in Fantic-Lackierung – nachdem er die Krücken in der Box abgestellt hatte.

Die Geschichte ist beeindruckend. Nach dem erfolgreichen Check des eine Woche zuvor operierten Wadenbeins durch das medizinische Team in Le Mans fuhr der Tattoo-Liebhaber am Samstag zur Pole-Position. Verrückt: Auch am Samstag flog Canet noch einmal von der Maschine. Betrachter kniffen mitleidend die Augen zu, als sie den ramponierten Canet einbeinig durchs Kiesbett hüpfen sahen.

Im fünften Moto2-Rennen der Saison schlug sich Aron ebenfalls sehr respektabel. Mit gut vier Sekunden Rückstand auf das Boscoscuro-Triple an der Spitze holte die #44 einen beeindruckenden sechsten Platz. Ein Ergebnis, dass für den Spanier nicht weniger Stellenwert als sein erster Moto2-Sieg haben dürfte. Denn trotz der de facto noch nicht ausgeheilten gravierenden Verletzung blieb Canet mit seiner Willensleistung auch im Rennen um den Moto2-WM-Titel. Auch wenn die Saison noch jung ist, es waren 11 wertvolle Zähler für den ambitionierte Fantic-Racer.

Zurecht zeigte sich der Teamchef extrem begeistert von der Arbeit seines eisernen Piloten. Ex-Weltmeister Roberto Locatelli sang ein bewegendes Loblieb, dass es verdient in nahezu ungekürzter Version wiedergeben zu werden.

Locatelli: «Ich werde versuchen zu erklären, wie man als Fahrer lebt; was ich früher war und was sie heute sind. Das Design der Lederkombis hat sich verändert, aber darunter wohnt auch heute dasselbe 'Biest' – der Rennfahrer. Ich erinnere mich an das eine Mal, als ich aus dem Koma aufgewacht bin. Ich hatte ein Problem mit meinem Knöchel, ein externer Fixateur wurde eingesetzt, um die Frakturen zu stabilisieren. Ich saß im Rollstuhl, aber als ich Doktor Costa sah, fragte ich ihn sofort, wann ich wieder auf mein Bike steigen kann», erinnert sich Locatelli an seinen schwersten Unfall 2007.

«Ich schätze, dass Aron Canet das gleiche Gefühl hatte. Wie Marc Márquez 2020, als er nur eine Woche nach seinem Oberarmbruch ein Comeback in Jerez versuchte, aber nicht fahren konnte. Jorge Lorenzo bei der Dutch TT, der nach seiner Schlüsselbeinverletzung im Freien Training am Donnerstag auf die Strecke zurückkehrte und im Rennen Fünfter wurde. Ein anderes Mal in Assen ging Loris Capirossi mit einer gebrochenen Hand ins Rennen.»

«Sie alle haben das Gleiche bewiesen. Wir sind Fahrer, und wenn man ein Profi wird, widmet man sein Leben diesem Beruf. Es wird zu der einen Sache, die dir das Gefühl gibt, am Leben zu sein. Man tut es nicht wegen des Geldes, sondern um sich lebendig zu fühlen. Deshalb ist man auch nach einem schweren Unfall zwar traurig, aber nicht ängstlich. Man verliert nicht den Mut; die Faszination verschwindet nicht.»

Der 125er-Weltmeister von 2000 weiter: «Canet hat in meinen Augen etwas Übermenschliches geleistet, ich bin kein Pilot mehr, aber ich verstehe, wie er dazu in der Lage war. Nicht die Pole-Position an sich bewertet seine Leistung, sondern die Tatsache, dass er trotz körperlicher Probleme, trotz eines gebrochenen Beins, die schnellste Rundenzeit gefahren ist. Das bedeutet nicht, dass er doppelt so schnell fahren würde, wenn er fit wäre, aber es zeigt doch, wie stark er ist».

«Was Aron Canet getan hat, war etwas Außergewöhnliches, und die Welt hat davon Notiz genommen - nicht nur von der Tatsache, dass Rennfahrer zu so etwas in der Lage sind, sondern auch von der Tatsache, dass Aron einer von ihnen ist. Er gehört zu dieser seltenen Spezies, so der ehemalige Weltklassepilot und heutige Teamchef.

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