Giancarlo Cecchini: 56 Jahre im GP-Paddock sind genug

Von Günther Wiesinger
Giancarlo Cecchini (82) hat im GP-Paddock rund 56 Jahre lang als Techniker gearbeitet – 1964 mit Provini. Sohn Mirko gehört das Snipers-Team. Inzwischen hat sich der Senior aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen.

Als Romano Fenati im April 2017 auf dem Circuit of the Americas (COTA) in Texas als Moto3-Sieger auf das Podest kletterte, stand still und zurückhaltend ein 77-jähriger Italiener in der Menschenmenge in der Boxengasse – er klatschte begeistert und freute sich nicht überschäumend, aber bescheiden und innerlich.

Es handelte sich um Giancarlo Cecchini, Vater von Rennstallbesitzer Mirko Cecchini, der damals das Marinelli-Rivacold Snipers-Team mit den Honda NSF 250RW-Piloten Romano Fenati und Jules Danilo betrieb und der in der Moto3-WM 2022 mit Andrea Migno und Alberto Surra auftritt. Migno ist WM-Achter, er gewann 2022 den Auftakt in Doha und landete in Texas auf Platz 3. 

Kaum jemand nahm 2017 vom stillen Giancarlo Cecchini Notiz, als er sich in Austin über Fenatis Erfolg freute, und schon gar niemand sah ihm vor fünf Jahren sein Alter von 77 Jahren an.

Aber der Chefmechaniker oder Crew-Chief, wie man heute sagt, hatte schon weit mehr als 50 Berufsjahre im GP-Paddock hinter sich. Er genoss seinen Unruhestand zwischen Losail, Termas de Río Hondo, Austin, Jerez und anderen GP-Schauplätzen.

Doch inzwischen fehlt Giancarlo Cecchini in der Snipers-Honda-Box. «Mein Vater hat sich 2020 wegen der Pandemie aus dem GP-Geschäft zurückgezogen», schilderte Mirko Cecchini auf Nachfrage von SPEEDWEEK.com. «Er hat am Freitag vom Sachsenring-GP seinen 82. Geburtstag gefeiert. Aber er ist daheim geblieben.»

Von Tarquinio Provini über Renzo Pasolini, Dieter Braun, Graziano Rossi bis zu Jarno Saarinen, Dovizioso, Masbou, Antonelli, Fenati, Salac und Arbolino: Cheftechniker Giancarlo Cecchini schraubte jahrzehntelang im GP-Paddock. Auch Mike Hailwood ist er nahegekommen.

In der 125-ccm-WM fuhr schon der Österreicher Michi Ranseder für die Cecchini-Truppe. Das Team machte nachher 2012 in der neuen Moto3-Viertakt-WM mit, hieß 2013 noch Ongetta CBC Corse und trat in der neuen 250-ccm-Einzylinder-Viertaktklasse mit FTR-Honda-Maschinen an – mit den Fahrern Alexis Masbou, Isaac Viñales sowie Matteo Ferrari.

Alexis Masbou wurde WM-Achter, als Belohnung dafür wurde der traditionelle italienische Rennstall von Honda für 2014 mit kostbaren NSF-250RW-Werksmaschinen verwöhnt. Neben Alexis Masbou wurde mit HRC-Hilfe der Malaysier Zulfahmi Khairuddin engagiert, der die Airline AirAsia als Sponsor mitbrachte. Masbou gewann 2014 den Brünn-GP.

Der kleinen, verschworenen Cecchini-Mannschaft gelangen immer wieder GP-Erfolge in der kleinsten Hubraumklasse, auch 2016 mit Niccolò Antonelli in Katar. Der Italiener stand dann in Le Mans auf der Pole-Position, kam aber insgesamt in der WM nur an die elfte Position.

Was heute keiner mehr weiß: CBC Corse gewann 2004 die Fahrer-Weltmeisterschaft in der 125-ccm-Klasse – mit Andrea Dovizioso auf Honda.

Den Firmennamen CBC Corse hat die Familie Cecchini inzwischen abgelegt, das Team heißt jetzt Snipers. Und das kommt nicht von ungefähr, denn «cecchino» heißt auf Deutsch Heckenschütze, die Mehrzahl («cecchini») auf Englisch Snipers.

Urgestein Giancarlo Cecchini, der schon in den 1970er-Jahren unter dem deutschen Morbidelli-Konstrukteur Ing. Jörg Möller aus Essen WM-Titel und GP-Siege (125, 250, 350 ccm) abräumte, stand vor zwei Jahren noch unermüdlich in der Box und bereitete die Motorräder vor.

«Ich war mehr als 50 Jahre dabei», erzählte Giancarlo im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Vor ein paar Jahren hat mir ein Fotograf ein Foto geschenkt, das mich 1964 mit Tarquinio Provini auf der Benelli zeigt, für den ich damals gearbeitet habe. Das war meine Anfangszeit im GP-Sport. Nachher habe ich für Renzo Pasolini und kurz für Jarno Saarinen geschraubt... Bei Morbidelli für Pileri und Bianchi, dann kamen Fahrer wie Dovizioso.»

Giancarlo Cecchini drängte sich nie in den Vordergrund, er war nie ein großer Redner, aber wenn er einen Journalisten seit Jahrzehnten kennt und alte Erinnerungen auffrischen kann, wird er recht gesprächig, dann blüht er auf.

Mit Romano Fenati haben Vater und Sohn Cecchini 2017 einen großen Fang gemacht, denn der Italiener gewann nach Texas auch die WM-Rennen in Misano und Motegi, er beendete die WM als Vizeweltmeister. Im Jahr zuvor war er bei Rossis VR46-Team beim Österreich-GP im August in Ungnade gefallen. Im ersten Moto2-Jahr bei Rivacold-Snipers wurde Fenati dann wegen seines Fouls gegen Stefano Manzi zuerst für ein ganzes und dann für ein halbes Jahr gesperrt, nachdem er dem Rivalen bei 180 km/h auf die Vorderbremse begriffen hatte.

Giancarlo Cecchinis GP-Laufbahn begann 1964. Mit den Erlebnissen aus diesen bald 54 Jahren ließen sich Bücher füllen.

Und für Cecchini senior ist klar: Der Sport kommt vor allem anderen. So erklärte er die Konkurrenzkämpfe der Vergangenheit zwischen großartigen Piloten wie Valentino Rossi und Marc Márquez. «Jeder Fahrer will nur sein Bestes geben, um zu zeigen, was er draufhat. Was 2015 zwischen Rossi und Márquez in Sepang passiert ist, ist nachvollziehbar. Es hat für Gesprächsstoff gesorgt, weil es niemandem gefällt, wenn Feindseligkeit herrscht. Für Valentino war das Ganze ein Schlag ins Gesicht: Er hat fast während der ganzen WM 2015 geführt und hat im letzten Rennen die Chance auf seinen zehnten WM-Titel verloren. Die Zuschauer vergessen oft, dass die Rennfahrer, auch wenn sie Vollprofis sind, nur Menschen sind, die auch Fehler machen. Da sind große Emotionen mit im Spiel», hält Cecchini fest.

«Der Motorsport ist eine Leidenschaft, es ist viel Adrenalin im Spiel. Die Geschwindigkeit bildet eine Gefahr», weiß der rüstige Italiener. «Für die Fahrer ist der Sport eine Arbeit, bei der sie ihr Leben riskieren und bei der ihnen nichts geschenkt wird. Das Wichtigste ist, dass man sich vor dem Rennen von allen Sorgen befreit, das Rennen wutbefreit fährt und den Groll den Mitstreitern gegenüber hinter sich lässt.»

Moto3-Ergebnis, Assen (26. Juni):

1. Sasaki, Husqvarna, 22 Rdn. in 37:28,371 min
2. Guevara, GASGAS, + 0,314 sec
3. Garcia, GASGAS, + 0,392
4. Suzuki, Honda, + 0,399
5. Artigas, CFMOTO, + 0,661
6. Holgado, KTM, + 11,540
7. Nepa, KTM, + 11,606
8. Yamanaka, KTM, + 12,225
9. Deniz Öncü, KTM, + 12,309
10. Toba, KTM, + 12,368
11. Riccardo Rossi, Honda, + 12,596
12. Ortolá, KTM, + 12,878
13. Fellon, Honda, + 12,976
14. Tatay*, CFMOTO, + 17,903
15. Migno, Honda, + 20,915

*= 3-Sekunden-Strafe (Überschreiten der «track limits»)

Moto3-Fahrer-WM nach 11 von 20 Grand Prix:

1.Garcia 182 Punkte. 2. Guevara 179. 3. Foggia 115. 4. Sasaki 113. 5. Masia 107. 6. Deniz Öncü 98. 7. Suzuki 94. 8. Migno 77. 9. Tatay 64. 10. Artigas 57. 11. Riccardo Rossi 52. 12. Yamanaka 51. 13. Holgado 48. 14. Toba 44. 15. Moreira 34. 16. Ortolá 33. 17. Muñoz 32. 17. 18. Adrian Fernández 28. 19. McPhee 24. 20. Bartolini 23. 21. Kelso 22. 22. Nepa 18. 23. Bertelle 16. 24. Odgen 16. 25. Fellon 8. 26. Aji 5.

Konstrukteurs-WM:

1. GASGAS 235 Punkte. 2. Honda 181. 3. KTM 174. 4. Husqvarna 133. 5. CFMOTO 95.

Team-WM:

1. GASGAS Aspar Team 361 Punkte. 2. Leopard Racing 209. 3. Red Bull KTM Ajo 155. 4. Sterilgarda Husqvarna Max Racing 137. 5. Red Bull KTM Tech3, 126. 6. CFMOTO Racing PrüstelGP 121. 7. MT Helmets – MSI 85. 8. Rivacold Snipers 77. 9. CIP Green Power 66. 10. SIC58 Squadra Corse 60. 11. Angeluss MTA Team 51. 12. QJMotor Avintia Racing 39. 13. BOE Motorsports 32. 14. Vision Track Racing Team 16. 15. Honda Team Asia 5.

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