Ducati: Ideen aus der Formel 1, vom Cross & Radsport

Von Günther Wiesinger
Ducati-Tüftler Ing. Gigi Dall'Igna sorgt seit Jahren mit technischen Mätzchen für Furore. Den neuen «ride height adjuster» gibt es längst im Mountainbike-Sport.

Zuerst sorgte Ducati Corse vor drei Jahren mit den Winglets für eine Revolution. Die Gegner wetterten, sie wurden dann nach innen verlegt und sehen heute wieder genauso bedrohlich aus wie früher. Vor einem Jahr machte Ducati mit dem umstrittenen Hinterradspoiler von sich reden, der angeblich den Hinterreifen kühlen soll, in Wirklichkeit aber Downforce erzeugt und das Hinterrad auf den Boden drückt.

Außerdem wurde die MotoGP-Konkurrenz hellhörig, als Ducati das Geheimnis um die Startvorrichtung «holeshot device» lüftete, für das Anleihen im Motocross-Sport genommen wurden. Der Unterschied: Ducati-Konstrukteur Gigi Dall’Igna blockiert das Federbein und nicht die Gabel. Dazu kreuzte Ducati letztes Jahr mit teilweise verkleideten Rädern auf; diese Aerodynamik-Idee kommt aus dem Radsport.

Jetzt hat sich beim Katar-Test (22. bis 24.2.) herausgestellt, dass Ducati den heiligen Gral des Motorradrennsports angetastet hat – und an den GP20-Werksmaschinen von Dovizioso, Petrucci, Miller und Bagnaia mit einer einstellbaren Fahrwerks-Geometrie experimentiert.

Gigi Dall’Igna interessiert sich durchaus für den Radsport, er ist selbst aktiver Hobbyradler. Und man kann sich vorstellen, dass er angesichts von absenkbaren Teleskop-Sattelstützen im Mountainbike-Sport und des Shapeshifter-Systems des deutschen Herstellers Canyon hellhörig wurde und ins Grübeln kam.

Bei Canyon kann das MTB-Federbein dank eines Ventils bei einem Druck zwischen 9 bis 11 bar je nach Fahrbahnbeschaffenheit straffer (Cross Country Mode) oder weniger straff abgestimmt werden.

Ducati hat ein System entwickelt, das sich «ride height adjuster» (Fahrhöhe-Anpassung) nennt und auf ähnliche Weise funktioniert.

Die Fahrer können beim Rausbeschleunigen aus den Kurven mit einem Hebel das Heck und den Schwerpunkt absenken und den Federweg straffer einstellen, das reduziert die Wheelie-Neigung durch die Absenkung der Fahrhöhe. «Es funktioniert wie eine Launch-Control, aber halt nicht nur beim Start, sondern nach jeder Kurve. Aber du hast 19.000 Möglichkeiten, es ist kompliziert», berichtete Jack Miller.

Miller hat das System 2019 schon beim Thailand-GP eingesetzt. In Sepang fiel es beim Test im Februar den Gegnern auf. «Alex Rins ist deshalb in Malaysia auf der Piste dauernd um mich rumgeschlichen», erzählte Jack.

Gigi Dall'Igna: Er kupfert überall ab

Gigi Dall’Igna hat also die Gegner mit dem nächsten Trick überrascht. Und obwohl das System bisher keine Wunder wirkte (Dovizioso auf Platz 10, Petrucci auf Platz 16), werden sich die anderen Hersteller darüber Gedanken machen müssen.

Jack Miller legte auf dem Losail Circuit einen Top-Speed von 355,2 km/h vor. Deshalb brauchen die Italiener alle erdenklichen Hilfsmittel, um die bald 300 PS der Desmosedici auf den Boden zu bringen.

Die «adjustable geometry» ist das nächste Gimmick aus der Trickkiste von Dall’Igna.

In der MotoGP stehen die Techniker vor immer schwierigeren Aufgaben. Längst haben alle Bikes eine Einheits-ECU, Einheitsreifen, Big Bang, Kurbelwellen, die sich gegen die Fahrtrichtung drehen, eine ausgeklügelte Aerodynamik, Karbonschwingen gehören zur Tagesordnung, und so weiter. Also wird auf anderen Ebenen geforscht.

Das Ziel: Die Teams suchen ein Motorrad, das auf allen Strecken konkurrenzfähig ist und das sich beim Start, beim Bremsen, beim Kurvenfahren und beim Beschleunigen vorbildlich verhält, und das am besten mit frischen und mit sehr gebrauchten Reifen, über eine einzelne schnelle Quali-Runde und über 22 Rennrunden.

Dazu gehört dann noch ein Fahrer für alle Jahreszeiten – für Bremser-Strecken, für langsame und schnelle Pisten, für Low-Grip-Circuits und solche mit viel Grip, gleichzeitig müssen sie Spezialisten für Regen und Trockenheit sein – und für gemischte Verhältnisse.

Der Begriff «Königsklasse» kommt ja nicht von ungefähr.

Gigi Dall’Igna bedient sich bei allen Motorsport-Disziplinen. Zu den Winglets animierte ihn die Formel 1, den «holeshot device» kupferte er im Motocross ab. Den «ride height adjuster» (alias Canyon-Shapeshifter) und die verkleideten Räder schaute er den Radsportlern ab.

Im Grunde verringert der Shapeshifter beim Mountain-Bike-Fahren den Kompromiss bei der Fahrwerks-Geometrie, er gleicht die unterschiedlichen Ansprüche beim Bergauf- und Bergabfahren aus. Ein Hebel am Lenker links verändert das Federbein-Set-up, ein anderer Hebel senkt dort die Teleskop-Sattelstütze ab.

Ob sich diese aktuelle Ducati-Innovation dauerhaft durchsetzt, wird sich zeigen.

Als der französischen Mineralölkonzern «elf» mit der Elf-500-Honda GP von André de Cortanze von 1978 bis 1988 ein Aufsehen-erregendes Chassis mit revolutionärer Achsschenkel-Lenkung für die Halbliter-WM bauen ließ, blieb Kel Carruthers, Cheftechniker von Yamaha-Star Kenny Roberts, ganz entspannt. «Sobald sie damit aufs Podest fahren, kopieren wir das System», meinte er.

Aber so weit kam es nie.

An der ELF Honda 500 GP wurde die vordere und hintere Suspension durch einen Torsionsstab («torsion bar») verbunden. Wenn das Federbein beim Beschleunigen hinten einfederte, wurde die Vorderraddämpfung dadurch zu einem geringeren Ausfedern gezwungen.

Die Überlegung hörte sich genial an. Aber die Fahrer wie Ron Haslam berichteten, das Fahrverhalten des Motorrads würde an einen Schaukelstuhl erinnern.

Katar-Test, MotoGP, kombinierte Zeitenliste 3 Tage

1. Maverick Viñales, Yamaha, 1:53,858 min
2. Franco Morbidelli, Yamaha, 1:53,891 min, + 0,033 sec
3. Fabio Quartararo, Yamaha, 1:54,038, + 0,180
4. Alex Rins, Suzuki, 1:54,068, + 0,210
5. Jack Miller, Ducati, 1:54,105, + 0,247
6. Joan Mir, Suzuki, 1:54,129, + 0,271
7. Marc Márquez, Honda, 1:54,149, + 0,291
8. Takaaki Nakagami, Honda, 1:54,239, + 0,381
9. Brad Binder, KTM, 1:54,283, + 0,425
10. Andrea Dovizioso, Ducati, 1:54,312, + 0,454
11. Francesco Bagnaia, Ducati, 1:54,326, + 0,468
12. Valentino Rossi, Yamaha, 1:54,332, + 0,474
13. Aleix Espargaró, Aprilia, 1:54,432, + 0,574
14. Johann Zarco, Ducati, 1:54,565, + 0,707
15. Pol Espargaró, KTM, 1:54,623, + 0,765
16. Danilo Petrucci, Ducati, 1:54,634, + 0,776
17. Tito Rabat, Ducati, 1:54,674, + 0,816
18. Cal Crutchlow, Honda, 1:54,830, + 0,972
19. Miguel Oliveira, KTM, 1:55,008, + 1,150
20. Iker Lecuona, KTM, 1:55,301, + 1,443
21. Alex Márquez, Honda, 1:55,519, + 1,661
22. Bradley Smith, Aprilia, 1:55,916, + 2,058

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