Paolo Ciabatti: «Motorsport im Juli wäre ein Wunder»

Von Günther Wiesinger
Paolo Ciabatti mit Teammanager Davide Tardozzi

Paolo Ciabatti mit Teammanager Davide Tardozzi

Ducati-Sportdirektor Paolo Ciabatti lebt in Italien im Epizentrum der Virus-Katastrophe. Er kann sich längst kein Szenario mehr vorstellen, wonach im Juni oder selbst Juli Rennen gefahren werden können.

Italien ist das vom Coronavirus in Europa am schwersten betroffene Land, jeden Tag hören wir von unserem Nachbarn neue erschüttternde Fallzahlen. Am 21. Februar gab es in Italien nur 200 bestätigte Covid-19-Fälle, jetzt sind es unfassbare 86.498. Und allein gestern wurden 969 Todesopfer beklagt, total sind es bisher 9134.

Unsere Besorgnis wächst, denn jeder hierzulande hat Freunde, Bekannte oder gar Verwandte in Italien, die Motorsportsfans bewundern viele italienische Fahrer – über alle Sportarten hinweg.
Ducati ist eine italienische Motorrad-Kultmarke, dank der beispielhaften Superbike-Erfolge und der beachtlichen MotoGP-Darbietungen hat sich Ducati zum «Ferrari auf zwei Rädern» gemausert.

Ducati-Sportdirektor Paolo Ciabatti ist Italiener und lebt im Piemont, er ist für die Superbike-WM (Werksfahrer Scott Redding und Chaz Davies) und die MotoGP-Klasse veranwortlich, in der Ducati Corse allein drei Teams (neben dem Werksteam mit Dovizioso und Petrucci auch Pramac mit Miller/Bagnaia und Avintia mit Zarco/Rabat) ausrüstet.

Ciabatti hat sich mit SPEEDWEEK.com ausführlich über die Gegenwart und Zukunft unterhalten, nicht nur in Bezug auf den Motorsport.

Paolo, die ganze Motorsport-Gemeinde beschäftigte sich mit der Frage: Wann werden wir wieder WM-Läufe sehen? Die Situation verschlimmert sich momentan noch täglich. Ist in Italien Licht am Ende des Tunnels zu sehen? Pit Beirer meint, man könne vielleicht im Juli erste Rennen bestreiten, eventuell später.

Wenn ich das bestmögliche Szenario zugrunde lege, stimme ich Pit zu.

Aber die wichtigen Motorsportländer Italien, Spanien und Frankreich sind am heftigsten betroffen. Dort wird nicht so rasch so etwas wie Normalität einkehren? Das gilt auch für die deutschsprachigen Länder und den Rest von Europa, der im Motorsport eine Rolle spielt.

Es geht nicht nur um die Frage, wann werden die Regierungen und Behörden wieder Events mit 100.000 Zuschauern erlauben.
Wann wird man Menschen aus Ländern, die fast gar nicht betroffen sind, die Reise in Länder erlauben, die momentan eine große Anzahl von Infizierten aufweisen? Das kann nicht passieren.

Ich nehme China als Beispiel. China hat erst vor zwei Tagen die Grenzen wieder geöffnet, aber ausschließlich für chinesische Staatsbürger. Es kann also kein Ausländer nach China einreisen. Denn sie haben den Virus fast beseitigt und wollen die Gefahr von Neuinfektionen nicht riskieren.

So präsentiert sich die Lage, knapp drei Monate nach dem Bekanntwerden des Covid-19-Ausbruchs. Und außerdem haben sie autokratische, militärische Maßnahmen angewendet, die bei uns nicht denkbar sind.

In Europa hat sich der Virus in den unterschiedlichen Ländern mit unterschiedlicher Geschwindigkeit verbreitet. Es wird hier also Länder geben, die allmählich den Höhepunkt der Infektionswelle erreichen und die Verbreitung des Viruses hoffentlich bald eindämmen.

Im Moment sind wir sehr schlimm betroffen. Schlimmer als die meisten anderen Staaten. Aber was wir als Letztes wollen: Dass der Virus irgendwann neu eingeschleppt wird, wenn es uns vorher gelingt, ihn in absehbarer Zeit los zu werden.

Ich denke deshalb, wenn wir im Juni oder Juli wieder aus dem Dilemma rauskommen und bald danach wieder an Motorsport denken können, wäre das fast ein Wunder.

Wie viele Mitarbeiter sind bei Ducati Corse beschäftigt?

Etwas mehr als 110. Und dazu kommen die Teammitglieder, die nur für die Tests und Rennen unter Vertrag stehen.

Man muss sich auch darauf gefasst machen, dass Risikosportarten dann nicht das dringlichste Anliegen der Behörden sein werden. Und die Motorradfirmen müssen zuerst wieder ihr Kerngeschäft in Gang bringen?

Ja, klar, der Rennsport ist ein sehr sinnvolles Marketing-Werkzeug, wenn die Mutterfirma gesund ist.

Momentan sind natürlich alle Unternehmen hier in Europa stark von der Krise betroffen. Die Produktion wurde stillgelegt. Die Motorradhändler haben die Bikes in den Läden stehen, aber sie mussten zusperren. In Italien darf niemand Motorradfahren, keiner darf rausgehen und Motorräder kaufen.

Racing ist für eine Marke wie Ducati sehr wichtig. Aber noch wichtiger ist die Gesundheit, nicht nur für die Menschen, sondern auch für ein Produktionsunternehmen wie Ducati.
Deshalb muss das Wohlergeben von Ducati Motor unsere größte Besorgnis sein.

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