Lin Jarvis: «Grand Prix womöglich erst im Oktober»

Von Günther Wiesinger
Valentino Rossi: Wann darf der Yamaha-Star wieder auf eine Rennstrecke?

Valentino Rossi: Wann darf der Yamaha-Star wieder auf eine Rennstrecke?

Yamaha-Renndirektor Lin Jarvis rechnet mit einem Start der MotoGP-Saison im September oder Oktober. Denn 16 GP-Teams sind im hart getroffenen Italien stationiert.

Das Monster Yamaha Werksteam triumphierte in den letzten Monaten mit Maverick Viñales bei drei von vier Wintertests. Dazu wurde der Vertrag mit dem schnellen Spanier um zwei Jahre verlängert bis Ende 2022, und Wunderknabe Fabio Quartararo bekam einen Zwei-Jahres-Vertrag als Teampartner von Viñales, Rossi soll ins Petronas-Yamaha-Team neben Morbidelli transferiert worden. Die Verpflichtung von Edeltestfahrer Jorge Lorenzo war ein weiterer schlauer Schachzug.

Aber die Coronavirus-Katastrophe hat die prächtigen Aussichten für die Saison 2020 mit einer Vollbremsung zum Stillstand gebracht. Statt um den MotoGP-WM-Titel zu kämpfen brütet der Engländer Lin Jarvis, Managing Director von Yamaha Motor Racing, jetzt über Corona-Fallzahlen, er studiert Reiseverbote und beobachtet aufmerksam, wie sich die Aussichten auf einen Neustart der WM von Woche zu Woche verschieben.

Das Hauptquartier von Yamaha Motor Racing befindet sich in Gerno di Lesmo bei Monza in der Lombardei. Dort sind ca. 15.000 Menschen am Virus gestorben. Jarvis wohnt in der weniger betroffenen Region Piemont, darf sich aber auch nach dem 3. Mai nicht aus seiner Region fortbewegen, höchstens aus medizinischen Gründen oder wegen unaufschiebbaren beruflichen Beweggründen.

Wie alle in Italien ansässigen Menschen stand der Yamaha-Stratege unter Hausarrest, statt nach Katar, Thailand, Texas und Argentinien zu reisen. Und statt seine Fahrer beim Kampf um Tausendstelsekunden zu bestaunen, haben sich die Interessen und Aufgaben stark verschoben. Die Teams haben darüber diskutiert, wie viele Menschen man zu den Rennen maximal mitbringen darf, sobald es wieder losgeht. Und es wurden Ideen zur Kostenreduktion für 2021 gewälzt, die Entwicklung wurde eingefroren, die Bikes von 2020 bleiben auch für 2021 homologiert.

Am kommenden Wochenende hätte der Europa-Auftakt in Jerez stattfinden sollen. Aber Dorna, FIM und IRTA gehen davon aus, dass vor September kein Grand Prix machbar sein wird.

Lin, beim Re-Start dürfen die privaten MotoGP-Teams 25 Personen ins Fahrerlager einschleusen, die Werksteams 40. Mit welcher Manpower ist das Yamaha-Werksteam bisher angetreten?

Wir sind bisher mit ca. 55 Personen zu den MotoGP-Rennen gereist. Aber wir haben uns darauf verständigt, dass wir auch mit 40 Leuten durchkommen können. Den Privatteams wurden 25 Personen zugestanden.

Wir werden zwar einige Leute ausklammern müssen, aber es ist machbar.

Die Teams sind sich bisher nicht einig, ob man mit dieser Anzahl von erlaubten Personen eine Hospitality betreiben kann. Fausto Gresini sagt, man braucht sie, weil man die Teammitglieder nicht in Restaurants schicken, sondern sie lieber im engen Kreis verpflegen will.

Wir haben einen Plan und bereits vorgesorgt. Normal haben wir bei den Europa-Rennen eine sehr geräumige Hospitality für das Team und die Gäste, für die wir zehn Personen benötigen. Dafür haben wir vier große Trailer, einen für die Küche, die restlichen für die Aufbauten.

Inzwischen haben wir das Konzept für den Rest der Saison geändert, da wir ja 2020 keine Gäste mehr empfangen dürfen. Wir werden in Europa und auch Übersee unser übliches Übersee-Hospitality-System anwenden. Das heißt: Wir verwenden einen Container, in dem wir Tische, Sessel, Bestecke, Kaffeemaschine, Zelt und so weiter verstauen. Dieses Konzept können wir mit vier Personen betreuen.

Wir haben das Konzept intern umgetauft, wir bezeichnen es nicht mehr als Hospitality, sondern als Catering Service.

Es geht ja nicht mehr um Gäste, sondern in erster Linie um die Verpflegung der Teammitglieder.

Wir stimmen Gresini zu und wollen die Qualität und gewissenhafte Zubereitung des Essens sicherstellen. Denn die Gesundheit spielt eine sehr, sehr wichtige Rolle. Jetzt noch mehr als in der Vergangenheit. Deshalb wollen wir nicht in öffentlich zugängliche Restaurants gehen.

Wir haben dazu dem Petronas-Team den Vorschlag gemacht, dass wir dieses Service auf sie ausweiten, wenn sie daran Interesse haben.

Wenn sie das akzeptieren, werden wir alle Mitglieder der «Yamaha MotoGP Operations» unter einem Dach verpflegen. Wir haben ausgerechnet, dass wir 80, 85 oder vielleicht sogar 90 Leute versorgen könnten.

Wenn wir uns jetzt Ende April unterhalten: Wann kann die MotoGP-Saison 2020 losgehen, wenn wir uns die Corona-Probleme in Italien, Spanien, Frankreich, Großbritannien, USA und so weiter vor Augen halten?

Wir müssen abwarten, wie sich die Maßnahmen und Vorschriften in den einzelnen Ländern in den nächsten Monaten entwickeln, welche Verordnungen die Regierungen erlassen. Man weiß nicht, wann die Versammlungsverbote wieder aufgehoben werden. Ich kann dazu nur meine persönliche Meinung kundtun. Mein Bauchgefühl sagt mir: Wir werden vor September keine Rennen fahren. Und eher wird es sogar bis Oktober dauern.

Die Formel-1-Macher planen einen Österreich-GP für 5. Juli. Aber die Grenzen zu Italien bleiben dicht, wahrscheinlich über den Sommer hinaus. Wann werden zum Beispiel die Italiener ihre Reisefreiheit zurückerlangen?

Jetzt darf man bis auf weiteres in Italien seine Region nicht verlassen. Wann die Grenzen zu den Nachbarländern geöffnet werden, weiß niemand. Ab wann wir dann wieder zurückreisen könnten ohne Quarantäne, muss auch noch festgelegt werden.

Der Standpunkt von Yamaha ist klar: Die ersten Lockerungsmaßnahmen in Italien treten am 4. Mai in Kraft. Aber diese Phase gilt als «weicher Start», denn so viele Menschen wie möglich sollten weiter im «Home Office» arbeiten. Es bleiben viele strenge Maßnahmen weiter in Kraft. Ich könnte zum Beispiel eventuell nächste Woche von meinem Wohnsitz im Piemont ins Office nach Gerno di Lesmo fahren. Aber ich müsste dringende Gründe vorweisen.

Mein Sohn lebt in der Lombardei. Ich habe ihn seit mehr als sechs Wochen nicht treffen dürfen. Ich durfte seit 16. März nicht einmal meine Gemeinde verlassen und mich nur 200 Meter vom Haus fort bewegen. Wir mussten immer dieses Eigenerklärungsdokument dabei haben, das sich «Autocertificazione» nennt. Wir müssen damit nachweisen, warum wir uns draußen befinden und wohin wir fahren wollen.

Solange wir in Italien so viele Infizierte und Todesfälle haben, rechne ich persönlich nicht damit, dass wir aus Italien im Juni oder Juli irgendwo hin ins Ausland reisen können.

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