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Valentino Rossi: Warum er ein Siegertyp bleibt

Von Günther Wiesinger
Portugal-GP: Rossi stürzte im Rennen vor seinem Bruder Luca Marini

Portugal-GP: Rossi stürzte im Rennen vor seinem Bruder Luca Marini

Valentino Rossi hat in den letzten zwölf Grand Prix nur drei zwölfte Plätze erzielt. Trotzdem sollten wir ihn nicht abschreiben. Schon gar nicht als MotoGP-Teambesitzer.

Wer glaubte, Valentino Rossi habe nach dem tristen 15. WM-Rang von 2020 den Tiefpunkt seiner GP-Karriere erreicht, wurde bisher in der Saison 2021 eines Schlechteren belehrt. Der Petronas-Yamaha-SRT-Neuzugang hat in den ersten drei Rennen nur einen zwölften Platz (bei Katar-1) am 28. März errungen und ist in der Tabelle auf Rang 19 abgerutscht.

Selbst als langjähriger, begeisterter Fan des italienischen Evergreens, der am 31. März 1996 beim Shah Alam-GP in Malaysia mit Platz 6 in der 125er-WM debütiert und bisher 115 GP-Siege, neun WM-Titel und bei 417 GP-Starts immerhin 235 Podestplätze erobert hat, kann man die Performance des 42-jährigen Superstars nur noch als Trauerspiel bezeichnen.

Daran ändert auch der vierte Startplatz beim Saisonstart in Doha nichts, an dem Valentinos VR46-Academy-Schützling Pecco Bagnaia deutlichen Anteil hatte. Der Ducati-Werksfahrer hatte Rossi ins Schlepptau genommen. Da kommt beinahe Mitleid auf.

Denn Valentino Rossi hat seit der Dutch-TT in Assen am 25. Juni 2017 keinen WM-Lauf mehr gewonnen. In Sepang 2018 und Texas 2019 lag er zwar in Führung, aber dann schnappten ihm Marc Márquez und Alex Rins den Sieg weg.

Die mageren Jahre begannen 2017, als die MotoGP-Rookies Johann Zarco und Jonas Folger oft schneller waren als die hochbezahlten Stars Rossi und Viñales. Zarco kämpfte für Yamaha als Privatfahrer 2018 sogar um die WM-Führung, Rossi schaffte dank seiner Beständigkeit immerhin noch den dritten WM-Rang – aber 123 Punkte hinter Márquez.

Der Niedergang setzte sich 2019 mit dem siebten WM-Rang und trostlosen 244 Punkten Rückstand auf Weltmeister Marc Márquez fort. Sogar Rookie Fabio Quartararo stellte Rossi in den Schatten – er wurde WM-Fünfter. Viñales steuerte die Werks-Yamaha auf den dritten WM-Rang.

Inzwischen wird unter den Funktionären von Dorna und IRTA und unter den Ex-Weltmeistern im Paddock schon die Frage erörtert: Wirft Rossi womöglich während der Saison den Krempel hin, wenn sich die Resultate nicht bessern?

Wir erinnern uns: Auch Niki Lauda, Toni Mang und Kevin Schwantz hatten das Im-Kreis-Fahrern mitten in der Saison plötzlich satt.

Aber Rossi hat sich schon oft aus einer aussichtslosen Situation gerettet. Und jetzt kommen drei Rennstrecken, auf denen er unzählige Erfolge errungen hat. Allein in Jerez hat er das Rennen in der «premier class» sieben Mal gewonnen, dazu kommen sechs weitere Podestplätze. Auch 2020 hat er dort mit Platz 3 sein einziges Top-3-Ergebnis im ganzen Jahr sichergestellt. In Le Mans hat Rossi drei MotoGP-Siege eingeheimst, in Mugello hat er von 2002 bis 2008 sieben Mal in Serie gewonnen.

Lang, lang ist es her.

Der Mai 2021 wird also Aufschluß darüber geben, ob die Zeit des Ausnahmekönners wirklich abgelaufen ist oder ob er der neuen Generation noch die Stirn bieten kann.

Mit Biaggi, Gibernau, Stoner, Lorenzo und Márquez hat Valentino einige Generationen von Superstars überstrahlt. Aber jetzt hat er im Kampf gegen die Aufsteiger wie Quartararo, Bagnaia, Miller, Morbidelli, Rins, Zarco, Binder und Oliveira viel von seiner Strahlkraft verloren. Sogar für die Rookies wie Jorge Martin und Enea Bastianini und Bruder Luca Marini war VR46 zuletzt keine unüberwindliche Hürde mehr.

Rossi: Versöhnliches Ende?

Valentino Rossi wirkt immer häufiger ratlos und frustriert. Die neueste Generation der Michelin-Einheitsreifen bevorzugt eher den Fahrstil der jungen Moto2-Newcomer. Rossi war bei Bridgestone extrem harte Karkassen am Vorderreifen gewöhnt. Seit 2016 die Michelin-Reifen eingeführt wurden, tut sich der Italiener schwer.

Am einem Mangel an Mut, Angriffslust oder Einsatzbereitschaft liegt es nicht, das untermalen die vielen Stürze.

Im Interesse der Millionen VR46-Rossi-Fans auf der ganzen Welt wünschen wir Valentino ein versöhnliches Ende seiner glanzvollen Karriere und ein paar respektable Ergebnisse in seiner vermutlich letzten GP-Saison.

«The Doctor» hat es auch verdient, bald wieder vor Zuschauern zu fahren und seine Abschiedstournee mit ein paar Achtungserfolgen zu genießen.

Er tröstet sich seit geraumer Zeit mit den Erfolgen seiner Schützlinge von Morbidelli über Bagnaia bis zu Luca Marini und Marco Bezzecchi.

Seine spärlichen persönlichen Erfolge auf der Rennstrecke kompensiert Rossi mit Triumphen seiner Fahrer und seines Teams. Er übernimmt das Esponsorama-Ducati-MotoGP-Team nach der Saison 2021 für fünf Jahre als Teambesitzer.

Mit der riesigen saudi-arabischen Mineralölgesellschaft ARAMCO hat die Nummer 46 einen neuen Hauptsponsor gefunden, um den ihn alle Kollegen beneiden werden. Sie hat 2018 nicht weniger als 111 Milliarden US-Dollar Nettogewinn erwirtschaftet.

Valentino bleibt also ein Siegertyp, auch wenn er vielleicht den idealen Zeitpunkt für den Rücktritt verpasst hat.

Aber dieses Urteil können wir erst nach Mugello, Catalunya oder Assen endgültig fällen.

Der joviale und charismatische Valentino Rossi hat unter den Lockdowns und unter den Geisterrennen mehr gelitten als die meisten seinet jüngeren Rennfahrerkollegen.

Hoffentlich sorgt die für das späte Frühjahr und Sommer erwartete neue Normalität durch sinkende Infektionszahlen auch beim Evergreen aus Tavullia für eine neue Blütezeit.

Die Bilanz von Rossi in der Königsklasse

2000: WM-2. auf Honda 500, 209 Punkte, zwei GP-Sege
2001: WM-1. auf Honda 500, 325 Punkte, elf Siege
2002: WM-1. auf Honda 990, 355 Punkte, elf Siege
2003: WM-1. auf Honda 990, 357 Punkte, neun Siege
2004: WM-1. auf Yamaha 990, 304 Punkte, neun Siege
2005: WM-1. auf Yamaha 990, 367 Punkte, elf Siege
2006: WM-2. auf Yamaha 990, 247 Punkte, fünf Siege
2007: WM-3. auf Yamaha 800, 271 Punkte, vier Siege
2008: WM-1. auf Yamaha 800, 373 Punkte, neun Siege
2009: WM-1. auf Yamaha 800, 306 Punkte, sechs Siege
2010: WM-3. auf Yamaha 800, 233 Punkte, zwei Siege
2011: WM-7. auf Ducati 800, 139 Punkte, kein Sieg
2012: WM-8. auf Ducati 1000, 163 Punkte, kein Sieg
2013: WM-4. auf Yamaha 1000, 237 Punkte, ein Sieg
2014: WM-2. auf Yamaha 1000, 295 Punkte, zwei Siege
2015: WM-2. auf Yamaha 1000, 325 Punkte, vier Siege
2016: WM-2. auf Yamaha 1000, 249 Punkte, zwei Siege
2017: WM-5. auf Yamaha 1000, 208 Punkte, ein Sieg
2018: WM-3. auf Yamaha 1000, 198 Punkte, kein Sieg
2019: WM-7. auf Yamaha 1000, 174 Punkte, kein Sieg
2020: WM-15. auf Yamaha 1000, 66 Punkte, kein Sieg
2021: WM-19. auf Yamaha 1000, 4 Punkte, kein Sieg

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