Yamaha steht vor Einigung mit neuem Kundenteam

Mike Leitner (KTM): Die Stoppuhr zeigt die Wahrheit

Von Günther Wiesinger
Mike Leitner zieht nach den ersten fünf MotoGP-Jahren Bilanz. Im Interview mit SPEEDWEEK.com beantwortet der Österreicher offen alle heiklen Fragen.

Nach sieben Jahren endet jetzt die operative Tätigkeit von MotoGP Race Manager Mike Leitner (59) bei KTM Factory Racing. Im Januar übernimmt der Italiener Francesco Guidotti die Rolle des Teammanager für Red Bull KTM Factory Team mit den MotoGP-Sieger Brad Binder und Miguel Oliveira. Leitner hat noch einen KTM-Vertrag bis Ende 2022 und übt künftig eine Berater-Funktion aus.

Im Interview mit SPEEDWEEK.com erzählte der ehemalige 125-ccm-GP-Pilot Mike Leitner, er habe das MotoGP-Projekt ab Januar 2015 von null weg aufgebaut, er habe zeitweise bei KTM drei Jobs gleichzeitig ausgeführt und beachtliche Erfolge errungen.

Aber 2021 blieb KTM hinter den hoch gesteckten Erwartungen. Brad Binder beendete die Fahrer-WM zwar immerhin auf dem sechsten Rang. Doch eigentlich gab es von Firmenchef Stefan Pierer die Vorgabe, KTM solle um den Titel fighten.

Deshalb werden jetzt die Strukturen optimiert, mehr Personal eingestellt und die Hierarchie und das Organigramm erneuert. Mit dem ehemaligen Ducati-Ingenieur Fabiano Sterlacchini wurde ein neuer «MotoGP Head of Technology» installiert – als starker Mann im Ressort Technik, Research & Develelopment. Er galt bei Ducati Corse als rechte Hand von General Manager von Gigi dall‘Igna.

Mike, du warst bei KTM für das Testteam zuständig und dazu für das Werksteam, für die Rekrutierung von Personal und für das Tech3-Kundenteam mitverantwortlich. Hast du dir zu viele Aufgaben aufgehalst?

Wenn ich zurückschaue, so habe ich immer auf mehr Personal gedrängt, da kannst du jeden Beteiligten fragen. Ich war auch voll involviert, als Techniker wie Bertolatti von Aprilia und Sterlacchini von Ducati zu uns kamen. Diese Personalien sind immer gemeinsam beschlossen worden.

Ich mache jetzt nach sieben Jahren einen Schritt zurück und übe in Zukunft eine Beraterrolle aus. Man wird sehen, wohin das führt.

Ich habe mit der aktuellen Situation kein Problem; ich bin ja nach wie vor bei KTM beschäftigt. Ich bin nicht gefeuert worden, mein Vertrag gilt weiter für das nächste Jahr.

Meine neue Rolle muss noch genau definiert werden. Es steht noch nicht fest, in welchem Ausmaß ich mitarbeiten werde.

Ich werde zu einzelnen Grand Prix kommen und habe viel mehr Zeit, um mir andere Sachen anzuschauen, die dem Projekt auch helfen können. Ich habe mich im Moment vom Tagesgeschäft etwas freigespielt.

Vom Team habe ich manchmal gehört, dass die Hierarchie nicht ganz geklärt war. Es soll Diskussionen gegeben haben, ob dir Sterlacchini untergeordnet ist und ob du bei KTM Road Racing Vice President Jens Hainbach unterstellt bist.

Nein, diese Diskussionen hat es nicht gegeben. Denn Fabiano Sterlacchini ist im Haus als Leader eingesetzt worden. Das haben wir sehr gepusht, denn eine Führungskraft wie er hat uns eine Zeitlang gefehlt, weil wir sehr viele starke MotoGP-Techniker in den Bereichen für Motor, Chassis, Elektronik, Aerodynamik und so weiter haben.

Wenn ich als Race Manager ca. 200 Tage pro Jahr auf den Rennstrecken unterwegs bin, kann ich im Werk gar nicht der sein, der daheim noch voll die Fäden zieht.

Wir haben also eine Führungspersönlichkeit gesucht, und das ist Fabiano. Ich hoffe, er kriegt das gut auf die Reihe.

Francesco Guidotti ist als Teammanager nur für die Red Bull-MotoGP-Mannschaft mit Binder und Oliveira zuständig, nicht mehr für Tech3 und so weiter. Er wird sich wohl auch bei der Technik weniger einmischen. Deine Aufgaben werden jetzt auf mehr Personen verteilt?

Genau. Da jetzt mehr Personal kommt und sich KTM breiter aufstellt, werden die Tätigkeitsbereiche getrennt. Die Leute haben dann kleinere Aufgabengebiete.

Aber ich bin nach den Aufenthalten auf der Rennstrecke immer wieder ins Werk gefahren und habe dort Druck machen müssen, damit die Entwicklung weitergeht.

Das ist nie eine dankbare Rolle. Das fühlt sich immer wieder einmal jemand auf den Schlips getreten. Bei einer anderen Gelegenheit eckt man dafür wieder weniger an.

Diese Rolle habe ich ernst genommen; sie war Teil des Spiels.

Motorsport-Direktor Pit Beirer hat dich immer wieder gelobt, weil du mit dem Erreichten nie zufrieden warst.

Ja, das hat ja gut geklappt. Wir haben immerhin auch ein bisschen etwas erreicht in dieser Zeit.

Natürlich habe ich bei den Ingenieuren Druck gemacht, das musst du in dieser Klasse unbedingt tun, es geht nicht anders.

Es ist ganz schwer, in der MotoGP nach vorne zu kommen, ohne pausenlos Druck auszuüben und zu pushen.

Hat dir als Mann der Praxis bei der Druckausübung manchmal die nötige Diplomatie gefehlt? Wenn du die Uhr zurückdrehen könntest: Was würdest du anders machen?

Wenn ich zurückschaue, würde ich eigentlich nicht viel anders machen, wenn ich ehrlich bin.

Mehr Diplomatie? Ja, sicher muss man immer ein bisschen ein Fingerspitzengefühl haben. Aber am Ende muss die Wahrheit ertragen werden.

Die Wahrheit bestand bei mir immer aus den Ergebnislisten und der Stoppuhr.

Dazu stehe ich. Ich stehe auch dazu, was wir mit dem Projekt in den ersten fünf Jahren erreicht haben. Ich sehe aber auch, was wir nicht erreicht haben.

Jeder muss für sich selber entscheiden, wie er die Gesamtbilanz betrachtet. 

MotoGP Endstand Fahrer-WM (nach 18 Rennen):

1. Quartararo, 278 Punkte. 2. Bagnaia 252. 3. Mir 208. 4. Miller 181. 5. Zarco 173. 6. Binder 151. 7. Marc Márquez 142. 8. Aleix Espargaró 120. 9. Martin 111. 10. Viñales 106. 11. Bastianini 102. 12. Pol Espargaró 100. 13. Rins 99. 14. Oliveira 94. 15. Nakagami 76. 16. Alex Márquez 70. 17. Morbidelli 47. 18. Rossi 44. 19. Marini 41. 20. Lecuona 39. 21. Petrucci 37. 22. Bradl 14. 23. Pirro 12. 24. Dovizioso 12. 25. Pedrosa 6. 26. Savadori 4. 27. Rabat 1.

Konstrukteurs-WM:

1. Ducati 357 Punkte. 2. Yamaha 309. 3. Suzuki 240. 4. Honda 214. 5. KTM 205. 6. Aprilia 121.

Team-WM:

1. Ducati Lenovo 433 Punkte. 2. Monster Energy Yamaha 380. 3. Suzuki Ecstar 307. 4. Pramac Racing 288. 5. Repsol Honda 250. 6. Red Bull KTM Factory Racing 245. 7. LCR Honda 146. 8. Esponsorama Racing 143. 9. Aprilia Racing Team Gresini 135. 10. Petronas Yamaha SRT 96. 11. Tech3 KTM Factory Racing 76.

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