Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

Pit Beirer (KTM): «Kein Fahrer bei Red Bull 2023 fix»

Von Günther Wiesinger
KTM-Motorsportchef Pit Beirer machte gegenüber SPEEDWEEK.com eine überraschende Aussage. «Wir haben vier MotoGP-Slots; bisher ist niemand für irgendeinen Platz 2023 gesetzt.»

Das KTM Factory Racing Team hat nach der Sommerpause nur noch einen MotoGP-Podestplatz errungen – und zwar beim Regenrennen des Österreich-GP, als Brad Binder als einziger aus den Top-6 nicht zum Wechsel auf Regenreifen an die Box fuhr. Besonders dramatisch fiel der Leistungsabfall bei Miguel Oliveira aus – nur neun Punkte in den letzten neun Rennen.

«Wir haben ab August von der Performance her geschwächelt, Miguel Oliveira hat sich außerdem im FP1 beim Steiermark-GP eine Handgelenksverletzung zugezogen», sagt KTM-Motorsport-Direktor Pit Beirer. «Wenn das Team schwächelt und das Motorrad nicht konkurrenzfähig ist und gleichzeitig der Fahrer eine schwache Phase hat, dann wird es schwierig, aus diesem Kreislauf herauszukommen.»

«In diesem Zeitraum hat Brad Binder vorbildlich gegen unsere Schwächephase angekämpft», lobt Beirer. «Sein schlechtestes Rennergebnis nach der Sommerpause war ein neunter Platz. Auch Iker Lecuona hat im August und September mehrmals gut aufgezeigt. Er ist zweimal in den Top-Ten gelandet, dann in Aragón bis zum Ausritt um den sechsten Platz mitgefahren und noch Elfter geworden.»

Tatsächlich zeigte Binder mit der KTM RC16 in seinem zweiten MotoGP-Jahr eine erstaunliche Beständigkeit: Er schrieb in 18 Wettkämpfen nur einen Nuller und sicherte sich nach dem Sieg in Spielberg-2 die Plätze 6, 7, 9, 9, 11, 10 und 7. «Brad hat es in den Rennen oft geschafft, von der aussichtslosesten Startposition um den vierten Platz mitzukämpfen», lobte Pit Beirer.

Auch wenn KTM 2021 insgesamt hinter den Erwartungen geblieben ist, bei Pit Beirer herrscht weiter Zuversicht. «Wir sind 2017 in Katar mit 3,5 Sekunden Rückstand in die MotoGP-WM eingestiegen und haben es geschafft, dieses Rückstand auf null zu reduzieren und in den ersten fünf Jahren mit diesem Projekt fünf MotoGP-Siege zu erreichen. Deshalb bin ich überzeugt, dass wir diesen nächsten Extra-Schritt auch noch bewältigen werden. Wir waren in der vergangenen Saison oft noch einen halben Schritt hinten dran. Aber wir lagen am Anfang des Projekts 2017 fünf Schritte zurück. Wenn der Konkurrenz einmal kein Fortschritt gelingt und wir gleichzeitig den letzten Schritt schaffen, sind wir wieder voll dabei. So eine Phase hatten wir ja im Juni 2021. Wir brauchen noch einen halben Schritt. Dann sind wir in diesem Spiel regelmäßig vorne dabei. Wir haben mit unserer genialen Technik-Mannschaft schon viel geschafft. Deshalb werden wir mit diesen Ingenieuren den Weg weiter gehen.»

Da das KTM Tech3 Factory Team 2021 mit Petrucci und Lecuona in der Team-WM nur an elfter und letzter Stelle landete, wird diese Truppe jetzt weiter upgegradet und so nahe wie möglich auf das technische Level des Red Bull KTM Factory Teams mit Miguel Oliveira und Brad Binder gebracht.

Das wird schon deshalb nötig sein, weil die Ausnahmekönner Remy Gardner und Raúl Fernández möglichst lange bei KTM gehalten werden sollen. Moto2-Vizeweltmeister Raúl Fernández hat ja nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er 2022 lieber gleich in der Red Bull-Mannschaft gefahren wäre.

Oliveira und Binder haben KTM-Verträge bis Ende 2023. Man ging bisher davon aus, dass sie bis dahin im Red-Bull-Team fahren werden.

Doch Motorsport-Direktor Pit Beirer verriet jetzt im SPEEDWEEK.com-Interview: «Wir haben bei KTM für die nächsten fünf Jahre jeweils vier MotoGP-Slots. Bisher ist niemand für irgendeinen Platz 2023 gesetzt. Wir werden die vier Plätze bei Red Bull und Tech3 nach der Saison 2022 so belegen, wie wir glauben, dass es vom Fahrer, von der Crew, der Leistung und der Mannschaft am besten zusammenpasst.»

Theoretisch könnten also Binder oder Oliveira bei unzureichenden Leistungen 2023 ins Tech3-Team transferiert werden, wenn Gardner oder Fernández in ihrer Rookie-Saison extrem auftrumpfen?

Beirer: «Wir haben mit Tech3-Teambesitzer Hervé Poncharal ein ausgezeichnetes Verhältnis, wir können uns die Bälle zuspielen. Wir haben mittlerweile bei KTM acht Techniker unter Vertrag, die im Team von Hervé arbeiten. Hervé öffnet also für unsere Ingenieure die Türen. Sie fühlen sich bei ihm so wohl wie im heimischen Red Bull-Team. Wir haben das Tech3-Team im Herbst noch einmal verstärkt, wir haben dort jetzt Esteban Garcias als Technischen Leiter eingesetzt. Wir haben inzwischen die richtige Flughöhe erreicht; wir sind für die kommende Saison gut aufgestellt. Wir werden dort auch für Remy und für Raúl starke Partner sein.»

MotoGP Endstand Fahrer-WM (nach 18 Rennen):

1. Quartararo, 278 Punkte. 2. Bagnaia 252. 3. Mir 208. 4. Miller 181. 5. Zarco 173. 6. Binder 151. 7. Marc Márquez 142. 8. Aleix Espargaró 120. 9. Martin 111. 10. Viñales 106. 11. Bastianini 102. 12. Pol Espargaró 100. 13. Rins 99. 14. Oliveira 94. 15. Nakagami 76. 16. Alex Márquez 70. 17. Morbidelli 47. 18. Rossi 44. 19. Marini 41. 20. Lecuona 39. 21. Petrucci 37. 22. Bradl 14. 23. Pirro 12. 24. Dovizioso 12. 25. Pedrosa 6. 26. Savadori 4. 27. Rabat 1.

Konstrukteurs-WM:

1. Ducati 357 Punkte. 2. Yamaha 309. 3. Suzuki 240. 4. Honda 214. 5. KTM 205. 6. Aprilia 121.

Team-WM:

1. Ducati Lenovo 433 Punkte. 2. Monster Energy Yamaha 380. 3. Suzuki Ecstar 307. 4. Pramac Racing 288. 5. Repsol Honda 250. 6. Red Bull KTM Factory Racing 245. 7. LCR Honda 146. 8. Esponsorama Racing 143. 9. Aprilia Racing Team Gresini 135. 10. Petronas Yamaha SRT 96. 11. Tech3 KTM Factory Racing 76.

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