Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

Hervé Poncharal: «Die Macht der Topfahrer wächst»

Von Günther Wiesinger
Tech3 KTM Factory Racing tritt in der MotoGP-Saison 2022 mit zwei Rookies an. Teamchef Hervé Poncharal weiß, dass jungen Fahrern in der Königsklasse oft nur eine kurze Bewährungsfrist eingeräumt wird.

KTM-Tech3-Teambesitzer Hervé Poncharal will in der zweiten Saisonhälfte der MotoGP-WM mit seinen Rookies Remy Gardner und Raúl Fernández ernten, was bei den ersten elf Grand Prix gesät wurde. Die Neulinge haben in dieser Saison einige Enttäuschungen erlebt, aber vor allem Moto2-Weltmeister Remy Gardner hat seit dem Barcelona-GP (Platz 11) positive Signale erkennen lassen.

«Wir hoffen, dass Brad Binder und Miguel Oliveira bei den restlichen Rennen regelmäßig ins Qualifying 2 kommen, was ihnen zuletzt in Assen tadellos gelungen ist», sagt der französische Teamchef. «Denn wenn du am Startplatz nicht unter den Top-12 stehst, ist es sehr schwierig. Die Grid Position ist extrem wichtig, deshalb wird bei KTM daran gearbeitet, die Performance über eine einzelne Runde zu verbessern.»

Da Gardner und Fernández 2021 in der Moto2-WM 13 Rennen gewonnen und im Red Bull KTM-Ajo-Team für sieben Doppelsiege gesorgt haben, stieg dieses Fahrerduo mit sehr hohen Erwartungen in die MotoGP-WM 2022 ein. Sie wollten ähnliche Meisterstücke vollführen wie die Rookies Fabio Quartararo, Enea Bastianini und Jorge Martin in den drei Jahren zuvor.

Rául Fernández stellte nach dem ersten MotoGP-Test im September 2021 in Misano unmissverständlich fest: «Ich will der erste Fahrer sein, der die MotoGP-WM auf KTM gewinnt.»

Doch das Niveau in der MotoGP-WM ist durch die immer höhere Anzahl an diesjährigen Werksmaschinen und die Schlagkraft der letztjährigen Ducati GP21 (Bastianini, Di Giannantonio und Bezzecchi fahren solche Geräte) noch höher geworden. Sogar ehemalige GP-Sieger wie Morbidelli und Dovizioso fahren hinterher.

Gleichzeitig oder trotzdem wird das Schicksal mancher Rookies von den Teams und Werken schon nach fünf, sechs Rennen besiegelt. Die Bewährungsfrist wird immer kürzer.

«Anderseits klopfen die Fahrer-Manager schon fast zu Beginn der Meisterschaft an die Türen der Teams und der Hersteller», weiß Poncharal. «Und wenn dann ein Team frühzeitig eine Fahrerentscheidung für die nächste Saison trifft, müssen die anderen Teams und Werke nachziehen. Wir können heute die Macht eines Spitzenfahrers klarer sehen als je zuvor. Wenn Yamaha nach dieser Saison Fabio verloren hätte, hätten sie vielleicht alles verloren. Honda ist ohne Marc Márquez nirgends. Wenn ein Werk einen besonderen Fahrer hat, muss er für die Zukunft gebunden werden. Sobald die Spitzenfahrer unter Vertrag sind, folgt der Rest des Fahrerfeldes. Da liegt nicht nur an den Teams und Werken, sondern auch an den Fahrer-Managern. Sie sind es, die auf rasche Entscheidungen drängen. Die Teams würden die Ergebnisse der Fahrer und die Performance länger beobachten. Früher wurden die meistens Deals in der zweiten August-Hälfte gemacht…»

«Man kann ja der Red Bull-KTM-Organisation nicht vorwerfen, dass sie den jungen Fahrern und Talenten nicht hilft und sie nicht unterstützt», betont der 65-jährige Franzose. «Raúl und Remy sind 2022 neu in der MotoGP. Das haben sie vor allem KTM und Red Bull zu verdanken, die an sie glauben und ihnen die Gelegenheit für den Klassenwechsel gegeben haben.»

Raúl Fernández erklärte im September im SPEEDWEEK.com-Interview: «Ich verdanke meine gesamte Karriere KTM. Nur ein Jahr bin ich Mahindra gefahren. Da bin ich in der Junioren-WM auf Platz 27 gelandet.» Mit der KTM hat er sie ein Jahr später im Aspar-Team gewonnen.

«In der MotoGP-Klasse existieren nur 24 Startplätze», hält Poncharal fest. «Viele junge Fahrer wollen aufsteigen. Die älteren wollen alle bleiben und weiterfahren. Deshalb verteidigt jeder Fahrer seine eigene Position, die Manager unterstützen sie dabei. Jeder von ihnen verkauft sein Produkt, als sei es das Beste.»

In der ersten Saisonhälfte haben Gardner und Fernández durchaus Kritik an den RC16-Bikes geübt. Beide stürzten oft und litten dann an Verletzungen, dadurch dauerte die Lernphase länger als erwartet.

«Ich erinnere mich an den Misano-Test im vergangenen September», sagt Poncharal. «Raúl sagte damals, er möchte mit diesem Bike Weltmeister werden. Er versicherte, er habe mit diesem Motorrad kein Problem, es sei einfach zu fahren. Er sagte sogar, er verstehe nicht, warum sich die MotoGP-Fahrer von 2021 über die KTM beschwerten. Aber man weiß ja: Wenn du die letzte Sekunde suchst, wird es richtig schwer.»

MotoGP-Fahrer-WM nach 11 von 20 Grand Prix:

1. Quartararo 172 Punkte. 2. Aleix Espargaró 151. 3. Zarco 114. 4. Bagnaia 106. 5. Bastianini 105. 6. Brad Binder 93. 7. Miller 91. 8. Mir 77. 9. Rins 75. 10. Oliveira 71. 11. Martin 70. 12. Viñales 62. 13. Marc Márquez 60. 14. Bezzecchi 55. 15. Marini 52. 16. Nakagami 42. 17. Pol Espargaró 40. 18. Alex Márquez 27. 19. Morbidelli 25. 20. Di Giannantonio 18. 21. Darryn Binder 10. 22. Dovizioso 10. 23. Gardner 9. 24. Raúl Fernández 5.

Konstrukteurs-WM:

1. Ducati 246 Punkte. 2. Yamaha 172. 3. Aprilia 155. 4. KTM 121. 5. Suzuki 101. 6. Honda 85.

Team-WM:

1. Aprilia Racing 213 Punkte. 2. Monster Energy Yamaha 197. 3. Ducati Lenovo Team 197. 4. Prima Pramac Racing 184. 5. Red Bull KTM Factory 164. 6. Suzuki Ecstar 152. 7. Gresini Racing 123. 8. Mooney VR46 Racing 107. 9 Repsol Honda 100. 10. LCR Honda 69. 11. WithU Yamaha RNF 20. 12. Tech3 KTM Factory 14.

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