Reality-TV-Show: Wohin entwickelt sich die MotoGP-WM?

Kolumne von Michael Scott
Wie entwickelt sich die MotoGP?

Wie entwickelt sich die MotoGP?

Beim Österreich-GP vor einer Woche wurde öffentlich, dass in Zukunft ein Sprintrennen die MotoGP-Wochenenden vervollständigen wird. Kolumnist Michael Scott sprach über Veränderungen in der «premier class».

«Nicht vorwärtszugehen, bedeutet einen Rückschritt.» Durch IRTA-Präsident Hervé Poncharal zum Ausdruck gebracht, war dies das Mantra der Protagonisten der Dorna, FIM und IRTA, als sie ihre Kräfte bündelten und eine große Änderung in der Weltmeisterschaft ankündigten.

Einen Schritt nach vorne? Ab der kommenden Saison soll ein Sprintrennen am Samstagnachmittag an jedem GP-Wochenende helfen.

Doch was machte diesen Schritt nötig? Eine Anhäufung von Problemen, die die MotoGP nach einer langen gesunden Phase ins Hintertreffen gebracht haben. Von denen einige Probleme für sich genommen ziemlich unbedeutend sind.

Einige sind Dornas hausgemachte Probleme – immer mehr TV-Übertragungen wanderten ins Pay-TV, das hat einige wichtige Märkte stark beeinflusst. Während die diesjährige Amazon-Dokumentation, die das superpopuläre «Drive to Survive» der Formel 1 nachahmen sollte, ein Flop war.

Andere Dinge sind nebensächlich. Rossis Abgang hat wehgetan. Seine Fanartikel verkaufen sich immer noch und gelb gekleidete Fans sind immer noch bei Rennen und leben in der Vergangenheit. Die Zuschauerzahlen beim GP von Mugello in Italien beliefen sich am Rennsonntag auf etwa 43.600 – 40.000 weniger als 2019, 55.000 weniger als 2017.

Dazu kommt noch das Fehlen von Marc Márquez: Quartararo, Bagnaia und Bastianini fehlt beim besten Willen die Starqualität des achtfachen Weltmeisters.

Wenn man die Rennen mit wenig Überholmanövern hinzunimmt, die einer Prozession gleichen, so riecht die Entscheidung für ein zusätzliches Samstagsrennen nach purer Verzweiflung. Ein zusätzliches halbes Rennen. Das Sprintrennen wird über die halbe Distanz mit halber Punktzahl durchgeführt. Wird es auch nur halb so beliebt?

Die Reaktionen im Fahrerlager waren gemischt. Aber einige anfängliche Feindseligkeiten ließen über Nacht nach. Fabio Quartararo war einer, der, als er mehr Details erfuhr, von «dumm» zu der entscheidenden Aussage überging: «Ich habe meine Meinung geändert!»

Die Befürworter, und es saßen mehr als nur die drei Bosse in einem Raum, waren zuversichtlich, dass es die Attraktivität der MotoGP erhöhen wird.

Einen Schritt weiter sagte Dorna-Chef Carmelo Ezpeleta, es ginge darum, die MotoGP nicht nur als aufregendsten Motorsport der Welt zu stärken, sondern ihn auch zum Beliebtesten zu machen. Eine Aussage, die Formel-1-Bosse wohl kaum zum Nägelkauen veranlasst.

Es würde den TV-Sendern am Samstagnachmittag etwas Wichtigeres bringen und den Ticketverkauf anschwellen lassen. Wenn der Rennerfolg nur an diesen Faktoren gemessen wird, dann ist die Begeisterung seiner Förderer nachvollziehbar.

Dann die Bestürzung der traditionalistischen Verleumder. Für sie verwässert ein kürzeres Samstagsrennen den Wert des Rennens am Sonntag. Eine Matinee, die die große Show untergräbt.

Andere Einwände spielten auf eine Verdoppelung der Anzahl von Rennen an, insbesondere von Rennstarts in einem Jahr. Hinzu kommt ein weiterer Verlust von Trainingszeit für die technische und fahrerische Entwicklung (das Rennen findet anstelle des vierten freien Trainings statt, sodass keine zusätzliche Distanz oder Streckenzeit erforderlich ist).

Noch wichtiger ist, dass viele meinten, dies sei ein Pflaster auf einem gebrochenen Knochen: Eine Schaufensterdekoration, die, anstatt Probleme zu lösen, nur ein weiterer Schritt ist, um die MotoGP in eine Seifenoper zu verwandeln. Oder Reality-TV-Show.

Natürlich hat ein intensiver Sprint auch positive Aspekte – ein pures Vollgas-Rennen, ohne Reifen, Leistung oder Sprit sparen zu müssen. Das könnte viel Spaß machen.

Der Sprint bietet auch einem Fahrer, der einen Sturz oder ein mechanisches Problem erleidet, die Chance, nach einem Wochenende nicht mit null Punkten abzureisen. Andererseits könnte eine Verletzung den Verlust von 37 (25 plus 12) statt nur 25 Punkten bedeuten.

Ähnliches passiert woanders auch. In der Superbike-WM gibt es das Superpole-Rennen am Sonntagmorgen – ein Sprint über zehn Runden, der ebenfalls halbe Punkte bringt.

In der Formel 1 gibt es bei drei Rennen 100-km-Sprints, ohne obligatorische Reifenwechsel und Boxenstopps. Es ist eine erfrischende Abwechslung zu den langen und oft verworrenen taktischen Rennen. In beiden Fällen bestimmen diese verkürzten Rennen die Startpositionen.

Das wird hier nicht passieren, vielen Dank. Ezpeleta und seine Mitstreiter gaben sich alle Mühe zu betonen, dass sich die MotoGP nicht von Superbikes oder der F1 inspirieren ließ.

Vielleicht ein wenig arrogant. Ein Sprintrennen zur Ermittlung der Startpositionen zu nutzen, ist doch gar keine schlechte Idee. Vor allem, wenn dies der Hauptzweck ist, anstatt reduzierte Meisterschaftspunkte oder einen «falschen» GP-Sieg zu verteilen.

Die Fahrer beschweren sich bereits, dass die ersten drei freien Trainings im Grunde eher Hochrisiko-Qualifyings mit Vollgas sind als eine Chance, Techniken und Motorradeinstellungen zu verfeinern, da bei so schwierigen Voraussetzungen zum Überholen der Anfang oft auch das Ende ist.

Es ist wahr, dass etwas getan werden musste. Beliebt oder nicht, dies ist nur die erste einer Reihe versprochener Änderungen, die noch bekannt gegeben werden müssen.

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