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Cal Crutchlow (Yamaha/12.): «Total verrückt»

Von Friedemann Kirn
Yamahas Test- und Ersatzfahrer Cal Crutchlow flitzte in Sepang vor Miguel Oliveira und Pol Espargaró als Zwölfter über die Ziellinie. Seine gewohnt offene Schilderung eines «epischen Gefechts».

Cal Crutchlow katapultierte sich beim Sepang-Grand Prix mit einem Raketenstart von Platz 15 in die Top-10, fiel dann aber wieder zurück und kämpfte die meiste Zeit im Rennen in einem dichten Pulk von bis zu zehn Fahrern. «Unterhaltsam, aber total verrückt», zog er Bilanz.

Der Kampf im MotoGP-Mittelfeld war nichts für schwache Nerven. «Keine Ahnung, wieviel Winglets in unserer Gruppe verlorengegangen sind. Es war ein episches Gefecht von bis zu zehn Piloten. Es war total verrückt, aber auch ein Riesenspaß. Die Kameras hätten öfter auf uns schwenken sollen», schilderte der Brite, der nach dem Misano-Grand Prix für den scheidenden Andrea Dovizioso einsprang und sich in den wenigen Rennen seither besser in Szene setzte als der Italiener in anderthalb Yamaha-Jahren zuvor.

«Ich hatte einen glänzenden Start, wahrscheinlich den besten Start einer Yamaha seit etlichen Jahren. Ich kam problemlos durch Turn 1, doch eingangs der engen zweiten Kurve rutschte mein Bike ebenso urplötzlich weg, wie es am Samstag auch Jack Miller passierte. Anders als er konnte ich das Bike wieder abfangen, verlor aber ein paar Positionen. Vor allem Darryn Binder kam wie ein Verrückter aus dem Nirgendwo», berichtete Crutchlow. «Zu diesem Zeitpunkt hatte ich immer noch richtig gute Fahrer hinter mir, wie Aleix Espargaró, Johann Zarco und Jack Miller. Dann verlor ich vier Plätze in einer einzigen Runde. Erst wurde ich abgedrängt, war dann zu spät dran für die folgende Kurve und abermals zu spät für die nächste. Doch am Ende des Rennens war ich wieder zufrieden mit mir selbst: Ich fand wieder den Anschluss, überholte Miguel Oliveira und Maverick Viñales und drosselte meine Zeiten in den letzten beiden Runden um zwei Sekunden, um die beiden mit einer Blockier-Taktik auf Distanz zu halten.»

Die Yamaha sei nun einmal so, wie sie ist. «Das Problem ist, dass wir Yamaha-Fahrer nur allein schnell fahren können. Wenn du vor einer Gruppe bist und freie Fahrt hast, ist es relativ leicht, aufzuholen und Anschluss an die nächste Gruppe im Vorderfeld zu gewinnen. Doch wenn du hinter anderen Fahrern bist und vor den Kurven abbremsen musst, steckst du fest. Fabio Quartararo ist die meiste Zeit im Rennen allein gefahren, hatte eine tolle Pace und konnte diesen Speed in ein starkes Ergebnis ummünzen. Doch wir müssen in der Lage sein, auch im Pulk mit den anderen zu fahren», unterstrich der Yamaha-Testfahrer.

Fabio habe seine Sache großartig gemacht, merkte Cal an. «Er tat, was er tun musste, um die WM bis zum Finale in Valencia offenzuhalten. Der Druck lastet auf Pecco Bagnaia, nicht auf Fabio. Er muss nur versuchen, in Valencia zu gewinnen. Es ist alles, was er tun kann».

Was sein eigenes Resultat angeht, sei der 36-Jährige zufrieden. «Ich mache meinen Job, so gut es geht. Als ich dieses Angebot akzeptierte, war mir klar, dass ich das nicht mit halbem Herzen machen konnte, denn wenn du halbherzig an dieser Meisterschaft teilnimmst, wirst du dir wehtun. Es ist kein Spiel, an dem du einfach teilnehmen und notfalls hinterher bummeln kannst. Wenn du die Reifen nicht aktivierst, wenn du keinen Druck machst, bist du in einer Gefahrenzone. Und wenn du im Kopf halb woanders bist, machst du Fehler», warnte er. «Ich bin immer noch konkurrenzfähig genug, hier mitzufahren, aber ich bin nicht konkurrenzfähig genug für den Kampf an der Spitze. Ich mache mir nichts vor. Ich bin vor zwei Jahren zurückgetreten, weil es einen Zeitpunkt in deiner Karriere gibt, wo du nicht mehr schnell genug bist und wo du nicht mehr an jedem Wochenende rennfahren und vorne dabei sein kannst. Wenigstens haben wir in manchen Situationen unseren Spaß, so wie am Freitag, wo ich im richtigen Moment Slicks aufgezogen, Gas gegeben habe und unsere Farben nach vorn gebracht habe, was die Sponsoren sicher gefreut hat. Doch auf diese Weise will ich nicht mehr an jedem Wochenende die Register ziehen.»

Schon gar nicht bei Hitzerennen wie dem von Sepang. «Im Windschatten der anderen stieg der Druck in meinem Vorderreifen schon in der zweiten Runde so an, dass ich gedacht habe: Das wird ein langes Rennen», so Crutchlow. «Die einzige Möglichkeit, den Reifendruck zu senken, ist, ohne Windschatten zu fahren, doch dann fällst du mit der Yamaha zurück. Ich hatte also keine Wahl, als den Vorderreifen irgendwie bis zum Ende zu managen. Und das ist sehr, sehr schwierig in der Gruppe. An einem bestimmten Punkt habe ich gedacht: ‚Fuck off‘ und lasst mich alleine! Lasst mich einfach das Rennen beenden, lasst mich glücklich und zufrieden meine Runden drehen und ins Publikum winken. Stattdessen war ich in einem Kugelhagel. Es tut richtig weh, wenn die anderen Bikes bei 300 km/h Steine auf dich werfen.»

Auch die Tropenhitze in Sepang sei kaum auszuhalten. «Ich habe es nie verstanden, wie andere Fahrer in diesem Backofen noch zwei Stunden nach Rennende in ihren Lederkombis dasitzen», schüttelte Cal den Kopf. «In anderen Sportarten gibt es ein Hitzeprotokoll, hier nicht. Vor Jahren haben wir einen Test gemacht, wo ich vor dem Rennen eine bestimmte Art von Tablette geschluckt habe, die später wieder hinten raus kam und analysiert wurde. Es hat sich herausgestellt, dass unser Sport die höchste Körpertemperatur und die höchste Pulsfrequenz aller Sportarten der Welt erzeugt. Schon in der ersten Kurve hier in Sepang übersteigt deine Körpertemperatur 40 Grad, und dann hast du 20 Runden vor dir. Du bist in eine enge Lederkombi gezwängt, atmest heiße Luft in dein eigenes Gesicht, hast 200 Puls, es herrschen 35 Grad und extreme Luftfeuchtigkeit, du bist inmitten anderer Bikes mit heißen Abgasen, und du sitzt auf einem 1000-Grad-Ofen, der dir Verbrennungen zufügt. Es ist die Härte!»

MotoGP-Ergebnis, Sepang (23.10.):

1. Bagnaia, Ducati, 20 Rdn in 40:14,332 min
2. Bastianini, Ducati, + 0,270 sec
3. Quartararo, Yamaha, + 2,773
4. Bezzecchi, Ducati, + 5,446
5. Rins, Suzuki, + 11,923
6. Miller, Ducati, + 13,472
7. Marc Márquez, Honda, + 14,304
8. Brad Binder, KTM, + 16,805
9. Zarco, Ducati, + 18,358
10. Aleix Espargaró, Aprilia, + 21,591
11. Morbidelli*, Yamaha, + 23,235
12. Crutchlow, Yamaha, + 24,641
13. Oliveira, KTM, + 24,918
14. Pol Espargaró, Honda, + 25,586
15. Fernández, KTM, + 27,039
16. Viñales, Aprilia, + 30,427
17. Alex Márquez, Honda, + 33,322
18. Gardner, KTM, + 33,691
19. Mir, Suzuki, + 41,838
– Darryn Binder, Yamaha, 10 Runden zurück
– Di Giannantonio, Ducati, 10 Runden zurück
– Martin, Ducati, 14 Runden zurück
– Nagashima, Honda, 16 Runden zurück
– Marini, Ducati, 19 Runden zurück

*= 3-Sekunden-Strafe («unverantwortliche Fahrweise»)

MotoGP-WM-Stand (nach 19 von 20 Rennen):

1. Bagnaia 258 Punkte. 2. Quartararo 235. 3. Aleix Espargaró 212. 4. Bastianini 211. 5. Miller 189. 6. Brad Binder 168. 7. Zarco 166. 8. Rins 148. 9. Oliveira 138. 10. Martin 136. 11. Viñales 122. 12. Marc Márquez 113. 13. Marini 111. 14. Bezzecchi 106. 15. Mir 77. 16. Pol Espargaró 56. 17. Alex Márquez 50. 18. Nakagami 46. 19. Morbidelli 36. 20. Di Giannantonio 23. 21. Dovizioso 15. 22. Darryn Binder 12. 23. Gardner 10. 24. Crutchlow 10. 25. Raúl Fernández 10. 26. Bradl 2.

Konstrukteurs-WM:
1. Ducati 432 Punkte (Titelgewinner). 2. Aprilia 248. 3. Yamaha 243. 4. KTM 220. 5. Suzuki 174. 6. Honda 153.

Team-WM:

1. Ducati Lenovo Team 447 Punkte (Titelgewinner). 2. Aprilia Racing 334. 3. Red Bull KTM Factory 306. 4. Prima Pramac Racing 302. 5. Monster Energy Yamaha 271. 6. Gresini Racing 234. 7. Suzuki Ecstar 225. 8. Mooney VR46 Racing 217. 9. Repsol Honda 171. 10. LCR Honda 96. 11. WithU Yamaha RNF 37. 12. Tech3 KTM Factory 20.

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