WM-Favorit Pecco Bagnaia (8.): «Man muss es genießen»
Francesco «Pecco» Bagnaia steht beim wohl wichtigsten Rennen seiner Karriere nur auf Startplatz 8. «Natürlich hatte ich ein bisschen mehr erwartet, wenn man bedenkt, was für ein Gefühl ich hier im Vorjahr hatte», räumte der Valencia-Sieger von 2021 nach dem Qualifying ein. «Ich habe mich aber auch mit anderen Fahrern unterhalten, die unser Motorrad fahren, und wir haben ein bisschen Mühe mit dem Front-Feeling. In diesem Jahr spürt man weniger, aber wir können härter bremsen. Es ist also merkwürdig. Auf dieser Art von Strecke hilft mir das nicht unbedingt. Ich habe auch mit frischen Reifen Schwierigkeiten, so zu pushen, wie ich es möchte, weil das Gefühl zur Front einfach nicht das Beste ist. Auf gebrauchten Reifen sind wir aber konkurrenzfähig – im FP3 am Morgen waren wir konkurrenzfähig und im FP4 waren wir im zweiten Run so konkurrenzfähig wie die Ersten.»
«Mit Sicherheit müssen wir für das Rennen noch etwas machen. Ich glaube, dass mein Team gute Ideen hat, die mir helfen können. Es geht für mich morgen aber nicht darum, das Rennen zu gewinnen. Es geht darum, ruhig zu bleiben und die Dinge zu verstehen», stellte der Titelanwärter mit Blick auf das WM-Finale fest.
Von einer Strategie hält Bagnaia trotz 23 Punkten Vorsprung auf Fabio Quartararo nicht viel. Wie aber wird er ein Rennen angehen, in dem er sich auch mit einem 14. Platz aus eigener Kraft zum MotoGP-Weltmeister küren kann? «Natürlich werde ich am Start ein bisschen Risiko eingehen, ich werde versuchen, einen noch besseren Start als in Malaysia zu zeigen. Das könnte eine Hilfe sein. Es ist aber schwierig, eine Strategie zu haben, denn wir wissen alle, dass man in der MotoGP unmöglich vorhersagen kann, was passiert. Vielleicht muss ich in den ersten zwei bis drei Runden ein bisschen riskieren, um ein wenig eine Lücke auf die Fahrer hinter mir aufzufahren und mich aus den Schwierigkeiten heraushalten zu können. Danach wird es aber darum gehen, clever zu sein.»
Was beschäftigt den 25-jährigen Italiener am Samstagabend mehr: Die eigene Startposition oder die Tatsache, dass sein direkter Rivale Quartararo in der Startaufstellung genau vor ihm steht? «Am meisten gibt mir die Tatsache zu denken, dass ich morgen objektiv betrachtet den WM-Titel gewinnen könnte. Das verursacht im Moment die größte Aufregung», erzählte Pecco ganz offen. «Ich glaube aber, dass man das genießen muss. Denn nicht jeder kommt in diese Situation. Man muss also den positiven Aspekt sehen. Auf emotionaler Ebene bin ich sicher ein recht sensibler Fahrer, aber wir werden versuchen, morgen auf dem Punkt da zu sein.»
2018 war Bagnaia schon einmal in einer ähnlichen Situation, als er den Moto2-Titel fixierte. «Für mich ist es von der Bedeutung her auf persönlicher Ebene sehr ähnlich, aber wir reden hier vom MotoGP-Titel – mit Ducati, als Italiener. Das macht alles anders», weiß Pecco. «Mit Sicherheit werde ich gut schlafen, zum Glück habe ich damit keine Probleme. Aber anders wie üblich habe ich schon seit Freitag weniger Appetit, es ist ein bisschen schwieriger.»
Es ist übrigens 50 Jahre her, seit zuletzt ein Italiener auf einem italienischen Motorrad in der «premier class» Weltmeister war: Giacomo Agostini 1972 auf MV Agusta.
Bagnaia hofft, dass ihm der Fokus im Rennen – wie schon bei seinem Sieg vor zwei Wochen in Malaysia – auf emotionaler Ebene helfen kann. «In Malaysia war das Rennen der einzige Moment, in dem ich einfach nur voll auf das konzentriert war, was ich gerade gemacht habe. Vielleicht wird es morgen also besser als in den Sessions.»
Will der Ducati-Hoffnungsträger von seinem Team während des 27-Runden-Rennens über die Position von Quartararo auf dem Laufenden gehalten werden? «Ich habe darum gebeten, einfach dieselben Informationen wie immer zu bekommen. Nur wenn Fabio direkt hinter mir sein sollte, will ich es mitgeteilt bekommen, damit ich entscheiden kann, ob ich ihn vorbeilasse oder was ich mache. Denn dieses Mal kann ich mehr das Zünglein an der Waage sein», ergänzte der WM-Leader.
Tipps von Mentor Valentino Rossi gab für den Qualifying-Tag übrigens keine, aber das holen die beiden am Samstagabend nach: «Noch nicht, aber wir haben uns danach auf einen Eistee bei ihm im Motorhome verabredet, um ein bisschen zu reden», verriet Bagnaia.
MotoGP-Ergebnis, Valencia, Q2 (5.11.):
1. Martin, Ducati, 1:29,621 min
2. Marc Márquez, Honda, 1:29,826 min, + 0,205 sec
3. Miller, Ducati, 1:29,834, + 0,213
4. Quartararo, Yamaha, 1:29,900, + 0,279
5. Rins, Suzuki, 1:29,940, + 0,319
6. Viñales, Aprilia, 1:29,955, + 0,334
7. Brad Binder, KTM, 1:30,039, + 0,418
8. Bagnaia, Ducati, 1:30,049, + 0,428
9. Zarco, Ducati, 1:30,102, + 0,481
10. Aleix Espargaró, Aprilia, 1:30,124, + 0,503
11. Marini, Ducati, 1:30,143, + 0,522
12. Mir, Suzuki, 1:30,241, + 0,620
Die weitere Startaufstellung:
13. Bastianini, Ducati, 1:30,193 min
14. Oliveira, KTM, 1:30,236
15. Alex Márquez, Honda, 1:30,453
16. Morbidelli, Yamaha, 1:30,504
17. Crutchlow, Yamaha, 1:30,548
18. Bezzecchi, Ducati, 1:30,588
19. Di Giannantonio, Ducati, 1:30,695
20. Gardner, KTM, 1:30,804
21. Pol Espargaró, Honda, 1:30,936
22. Raúl Fernández, KTM, 1:31,676
23. Darryn Binder, Yamaha, 1:31,989
24. Nakagami*, Honda, 1:30,830
*= Grid-Penalty