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Reifendruck-Limit: Bei 2,2 bar vorn wird's gefährlich

Von Günther Wiesinger
In der MotoGP-Saison werden die Reifendrücke in den Vorderreifen mit Einheits-Sensoren von LDL überwacht. Doch bei den ersten drei Grand Prix gibt es noch keine Strafen, wenn jemand das 1,9-bar-Limit unterschreitet.

Beim Sepang-MotoGP-Test war auch die Kontrolle des Reifendrucks ein wichtiges Thema, denn nach dem Jerez-GP 2022 war ans Tageslicht gekommen, dass einige Fahrer über den Großteil der Renndistanz das vorgeschriebene Mindestlimit von 1,9 bar am Vorderreifen fast pausenlos unterschritten hatten. Michelin ist aber überzeugt, das könnte die Haltbarkeit des Reifens gefährden. Die Franzosen verlangen deshalb von den Teams und  Motorradwerken eine genaue und sorgfältige Einhaltung des Mindestdrucks.

In Malaysia kamen jetzt erstmals die Einheits-Sensoren des französischen Herstellers LDL zum Einsatz. Die Überwachung und Einhaltung des Limits gilt als knifflige Angelegenheit. Denn weniger Druck bedeutet mehr Grip, aber schon bei mehr als 2,2 bar geraten manche Piloten in akute Sturzgefahr.

Bei den ersten drei Grand Prix wird der Reifendruck aller Fahrer in Echtzeit auf der Strecke mit Telemetrie überwacht. Es wird aber ein Unterschreiten des Mindestdrucks vorläufig keine Konsequenzen haben. Und vermutlich wird dann nach dem vierten Grand Prix nur bestraft, wer in mehr als 50 Prozent der Renndistanz unter dem Limit fuhr.

Im Vorjahr hatten sich die Werke wegen der Ungenauigkeit der existierenden unterschiedlichen Sensoren darauf geeinigt, keine Konsequenzen und Penaltys beim Unterschreiten des Reifendrucks zu akzeptieren.

Wir erinnern uns an den Moto2-WM-Lauf 2018 in Motegi: Dort wurde Fabio Quartararo aus dem Speed-up-Team von Luca Boscoscuro als Sieger disqualifiziert, weil im Parc Fermé im Dunlop-Hinterreifen nur 1,45 bar statt 1,5 gemessen wurden!

Inzwischen sind sich die MotoGP-Teams bewusst, dass 2022 jeder Rennsieger das Limit dauerhaft unterschritten hat.

Das Fiasko für die Teams: Sie wollen den Luftdruck im Vorderreifen wegen des Grips und der größeren Reifenauflagefläche so nahe wie möglich unter dem Limit haben, sie wissen aber nicht, ob der Fahrer ohne Windschatten unterwegs ist oder in einem dichten Pulk, dann steigt nämlich die Reifentemperatur und somit auch der Luftdruck. Und das ist unerwünscht.

Das kann wiederum zu Stürzen führen, wie die Techniker verständlicherweise ausführen. Wenn der Luftdruck zu hoch wird, sinkt die Reifenauflagenfläche, man sieht dann die Fahrer ohne nennenswerte Schräglage beim Anbremsen stürzen. Denn es fehlte durch den geringeren «contact patch» der übliche Grip.

Zur Erinnerung: Hinten liegt der Mindest-Reifendruck bei 1,7 bar. Aber hinten kommt es sozusagen nie zu Unterschreitungen.

Michelin-Projektleiter Piero Taramasso kann sich für 2023 ein neues Reifendruck Limit für vorne von 1,88 bar vorstellen. Eventuell werde es auch von Rennstrecke zu Rennstrecke geringfügig verändert, war in Malaysia zu vernehmen.

Red Bull-KTM-Werksfahrer Brad Binder meint, der Fahrer habe mit dieser Reifendruck-Geschichte nicht viel am Hut. Auf jeden Fall muss sich aber der Fahrer bemühen, den Reifendruck über dem Limit von 1,9 bar zu halten. Im letzten Jahr wurde immer wieder in den Rennen mit Reifendrücken von 1,6 oder 1,7 bar gefahren.

«In den Trainings-Sessions ist der Reifendruck vorne nie zu niedrig, denn du hast keine Motorräder vor dir, also ist der Druck normal und er bleibt niedrig», betont Binder, der zweifache MotoGP-Sieger. «Der wichtigste Grund, warum die Limits letztes Jahr oft unterschritten wurden: Du musst mit dem geringstmöglichen Druck starten. Und wenn der Gegner 1 oder 1,5 sec vor dir fährt, kommt es zu keinen Problemen. Aber wenn du am Hinterrad des Vordermanns bist, kann der Luftdruck rasch um 0,5 bar steigen. Es ist kompliziert. Aber das ist nicht mein Problem. Ich bin nur der Fahrer.»

«Diese Reifendruck-Geschichte ist schmerzhaft für alle Beteiligten», meint Paul Trevathan, der Crew-Chief von GASGAS-Werkspilot Pol Espargaró im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Auf manchen Strecken beginnt das Motorrad erst richtig zu arbeiten, wenn der Druck vorne höher ist als wir eigentlich beabsichtigen. Anderseits will niemand mehr als 2,2 bar vorne, weil dann das Bike schwer zu kontrollieren ist. Wir wissen aber auch, dass manche Fahrer mit höheren besser zurechtkommen als andere. Das ist Tatsache. Sie fahren mit höheren Luftdrücken sicherer als andere, das liegt an ihrem Fahrstil.»

«Für die Hersteller ist es eine knifflige Angelegenheit», ist sich Trevathan bewusst. «Denn es kann für die Fahrer gefährlich werden. Es gab in den letzten Monaten massive Diskussionen zwischen Michelin, den Herstellern, den Teams und der Dorna. Alle suchten nach geeigneten Lösungen. Michelin ist uns auf die Zehen gestiegen und hat uns unmissverständlich aufgefordert, etwas zu unternehmen. Das geschieht jetzt. Moment besteht für alle Beteiligten eine große Ungewissheit. Es machen sich viele Leute Sorgen, auch viele Fahrer.»

Das LDL-System wurde in Sepang bereits ausführlich getestet, auch in Portimão-Test (11./12. März ) wird es weiter erprobt. «Und wenn bei den ersten drei Grand Prix nicht alles klaglos funktioniert und sich nicht alle Teams und Werke damit komfortabel fühlen, dehnen wir die Testphase weiter aus. Wir müssen nicht nach drei Rennen ernst machen und in Jerez mit den Strafen beginnen, wir können auch bis Le Mans oder später warten», erklärte Danny Aldridge, der MotoGP Technical Director, im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Die Testphase für die ersten drei Grand Prix ist einfach das Minimum, das wir uns vorgenommen haben.»

Der provisorische GP-Kalender 2023

26. März: Portimão/Portugal
02. April: Termas de Río Hondo/Argentinien (F1 Australien)
16. April: Circuit of The Americas/Texas (F1 China)
30. April: Jerez/Spanien (F1 Aserbaidschan)
14. Mai: Le Mans/Frankreich
11. Juni: Mugello/Italien
18. Juni: Sachsenring/Deutschland (F1 Kanada)
25. Juni: Assen/Niederlande
09. Juli: Sokol Circuit/Kasachstan** (F1 Grossbritannien)
06. August: Silverstone/GB
20. August: Red Bull Ring/Österreich
03. September: Catalunya/Spanien (F1 Italien)
10. September: Misano/Italien
24. September: Buddh Circuit/Indien** (F1 Japan)
01. Oktober: Motegi/Japan
15. Oktober: Mandalika/Indonesien
22. Oktober: Phillip Island/Australien (F1 Austin)
29. Oktober: Buriram/Thailand (F1 Mexiko)
12. November: Sepang/Malaysia
19. November: Losail Circuit/Katar* (18.11. F1 Las Vegas)
26. November: Valencia/Spanien (F1 Abu Dhabi)

* = Nachtrennen bei Flutlicht
** = Strecke noch nicht homologiert


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