MotoGP-Regelkunde: Nicht nur das Format ist 2023 neu
Aleix Espargaró und Maverick Viñales: Keine Zugeständnisse mehr für Aprilia
Die MotoGP ist die Königsklasse der Motorrad-WM. Hier dürfen ausschließlich Prototypen eingesetzt werden, die von Viertaktmotoren (ohne Aufladung) angetrieben werden. Der Hubraum darf 1000 ccm nicht übersteigen und die Zylinderanzahl ist auf vier beschränkt. Die maximal erlaubte Bohrung beträgt 81 mm.
Das Tankvolumen ist auf 22 Liter limitiert. In den Sprints darf ein Pilot maximal zwölf Liter Sprit mitführen. Den Teams bleibt es allerdings frei, ob sie speziell für die Sprintrennen einen Zwölf-Liter-Tank verwenden möchten.
Bei der Elektronik müssen seit 2016 alle Teams die Einheits-Soft- und Hardware von Magneti Marelli verwenden.
Bei den Motoren gilt seit dem Vorjahr: Wenn 21 oder mehr MotoGP-Rennen im Kalender stehen, dürfen die Werke acht Motoren pro Fahrer und Saison einsetzen, die «concessions teams» zehn. Der achte (oder zehnte) Motor darf aber erst ab dem 19. Event in Anspruch genommen werden.
Die «concession teams» profitieren von weiteren Privilegien, denn für sie existieren keine Testbeschränkungen und die Motorenentwicklung wird beim Saisonstart auch nicht eingefroren.
Kein Hersteller genießt 2023 Privilegien
2023 sind alle Werke gleichberechtigt, weil auch Aprilia die Zugeständnisse dank der seit Silverstone 2021 errungenen Podestplätze verloren hat.
Vor dem ersten Training in Portimão müssen also alle Hersteller die Motoren-Spezifikation für die ganze Saison festlegen und homologieren lassen.
Beim ersten Event der Saison müssen die Werke zudem ein Musterbeispiel oder detaillierte Zeichnungen des Aero-Bodys dem Technischen Direktor vorlegen, 2022 wurde erstmals auch ein 3D-CAD-Modell des Ride-Height-Systems gefordert.
Die Frage, wem die Vorteile für Neueinsteiger zustehen, ist dank der «concession points», die für die MotoGP-Jahre nach 2015 eingeführt wurden, schnell geklärt. Diese Konzessions-Punkte (oder Zugeständnis-Punkte) wurden allen Herstellern zugestanden, die in den Jahren 2013, 2014 und 2015 kein MotoGP-Rennen im Trockenen gewonnen haben. Die Kriterien, wie man die Privilegien wieder verliert, stehen auch fest – denn wer insgesamt sechs Konzessionspunkte sammelt, verliert den vorteilhaften Status.
So werden diese Punkte verteilt:
Erster Platz: 3 Konzessions-Punkte
Zweiter Platz: 2 Konzessions-Punkte
Dritter Platz: 1 Konzessions-Punkt
Michelin und das Thema Reifendruck
Wie in den anderen WM-Klassen werden auch in der MotoGP die Reifen von einem einzigen Hersteller gestellt: Michelin rüstet jeden Fahrer pro Wochenende mit 22 Slicks aus – zehn Vorder- und zwölf Hinterreifen. Mit diesen müssen die GP-Stars alle Trainings, das Qualifying, Warm-up und das Rennen bestreiten. Auf nasser Piste muss jeder Pilot mit 13 Regenreifen auskommen, sechs Vorder- und sieben Hinterreifen.
Großes Thema in der diesjährigen Vorsaison war der Reifendruck im Vorderreifen. Erstmals kommen 2023 zur Überwachung Einheits-Sensoren von LDL zum Einsatz. Wer den von Michelin vorgeschriebenen Mindestdruck dauerhaft unterschreitet, muss künftig mit einer Strafe rechnen, voraussichtlich nach dem dritten Grand Prix.
Ein besonderes Merkmal der Königsklasse sind auch die Karbonbremsen, die auf trockener Piste zum Einsatz kommen. Damit erzielen die MotoGP-Stars eine wesentlich höhere Bremswirkung als die GP-Piloten der zwei kleineren WM-Klassen, in denen nur Bremsscheiben aus Stahl erlaubt sind.
Da die Bremsscheiben aus Karbon bei einer Temperatur bis 800 Grad Celsius optimal funktionieren, kommen bei Regenrennen grösstenteils immer noch Stahlbremsscheiben zum Einsatz. Marc Márquez fuhr 2017 in Misano allerdings trotz Karbonbremse auf nasser Piste zum Sieg.
Auf gewissen Strecken sind seit 2022 Karbon-Bremsscheiben mit einem Durchmesser von 340 mm oder 355 mm Pflicht. Aktuell gilt dies für Motegi (Japan), Spielberg (Österreich) und Buriram (Thailand). Einzig im Falle eines Regenrennens wird diese Vorgabe hinfällig. Auf den anderen Strecken steht auch eine Variante mit 320 mm Durchmesser zur Auswahl.
Übrigens: In der MotoGP-WM sind seit 2017 für alle Fahrer Airbag-Systeme der Lederhersteller zwingend vorgeschrieben. Der Rennanzug des Fahrers, die Stiefel und die Handschuhe dienen ausschließlich dazu, den Fahrer im Falle eines Unfalls zu schützen. Jedes Teil, das einer verbesserten Aerodynamik dient, ist verboten.
Fahrer müssen mindestens 18 Jahre alt sein, um in der MotoGP antreten zu können. Das vorgeschriebene Mindestgewicht für die Motorräder beträgt 150 kg (bis 800 ccm) bzw. 157 kg (801 bis 1000 ccm).
Wieder nur 22 Stammfahrer
Die Anzahl der MotoGP-Stammfahrer reduzierte sich schon für 2019 von 24 auf 22 Piloten, weil Marc VDS Honda ausgestiegen war und diese beiden Plätze vorläufig für Valentino Rossis VR46-Team reserviert wurden. Das Martinez-Ducati-Team dagegen übertrug seine beiden Plätze nach 2018 an die Mannschaft von Razlan Razali.
2022 nahm dann erstmals wieder ein 24-köpfiges Feld die Saison in Angriff. Das neue Mooney VR46 Racing Team übernahm nach einem Joint-Venture-Jahr letztendlich beide Startplätze von Avintia. Dazu erhielt das Aprilia-Werksteam endlich zwei eigene Startplätze, während Gresini Racing mit Ducati erstmals nach sieben Jahren wieder als eigenständiges Independent Team in der Königsklasse antrat.
Nach dem Suzuki-Ausstieg schrumpfte das Feld für 2023 jedoch wieder auf 22 Stammfahrer. Eine weitere wesentliche Änderung: Erstmals in der MotoGP-Viertakt-Ära beliefert Yamaha kein Kundenteam, denn RNF wechselte ins Aprilia-Lager.
Aufgrund der Einschränkungen durch die Corona-Lage wurden in der Saison 2020 Wildcard-Auftritte gestrichen. Seit 2021 sind Wildcard-Einsätze in allen Klassen wieder erlaubt, wobei bei jeder Veranstaltung maximal zwei Wildcards pro Klasse vergeben werden.
In allen Klassen muss der Fahrer mindestens eine Rundenzeit schaffen, die sich in den 105 Prozent der Zeit des schnellsten Fahrers in einer beliebigen Session des Freien Trainings oder des Qualifyings bewegt (bis 2021 galt die 107-Prozent-Regel).
2010 und 2011 gab es in der MotoGP wegen der Wirtschaftskrise und des Ausstiegs der Zigarettenfirmen nur 17 Stammfahrer. Dorna, FIM und IRTA schreiben die WM dann auch für Claiming Rule-Teams aus, die mit Superbike-Rennmotoren von Honda, Kawasaki, Aprilia und BMW antraten, für die Suter, FTR und Aprilia eigene Chassis bauten.
Daraus entwickelte sich dann die Open-Class für jene Werke wie Ducati, die seit längerer Zeit sieglos waren und Privilegien wie heute die «concession teams» bekamen. Ducati durfte damals zwölf Motoren verheizen, Honda und Yamaha nur fünf.
Seit 2015 ist Ducati mit den «Factory Teams» von Honda und Yamaha gleichgestellt. Suzuki hat die «concession»-Vorzüge nach der Saison 2018 wieder verloren – wie nach den Erfolgen mit Viñales nach dem Jahr 2016. KTM verlor die «concessions» nach den drei MotoGP-Siegen von Brad Binder und Miguel Oliveira von 2020, Aprilia im Vorjahr dank der Podestplätze von Aleix Espargaró.
Das neue MotoGP-Format
Das Format der MotoGP-Wochenenden ändert sich in diesem Jahr gehörig, denn am Samstag um 15 Uhr kommt bei jedem Grand Prix ein MotoGP-Sprint dazu – halbe Renndistanz, halbe Punkte, die wie folgt vergeben werden:
1. Platz: 12 Punkte
2. Platz: 9
3. Platz: 7
4. Platz: 6
5. Platz: 5
6. Platz: 4
7. Platz: 3
8. Platz: 2
9. Platz: 1
Mit der Einführung des Sprints gehen weitere Änderungen am Zeitplan (siehe unten) einher, so entscheidet nun bereits die kombinierte Zeitenliste nach dem zweiten Training am Freitag über den direkten Q2-Einzug.
Als «Free Practice» wird nur noch die 30-minütige Session am Samstagvormittag bezeichnet, Q1 und Q2 entscheiden dann im Anschluss über die «MotoGP Grid Positions» für den Samstag und Sonntag.
Der Sprint wird übrigens nicht als Rennen bezeichnet. Für die GP-Siege wird auch weiter nur der Grand Prix am Sonntag zählen, aber es wird eine neue Statistik begonnen mit der Anzahl der Sprint-Siege.
Standard-Zeitplan für die Motorrad-WM 2023
Freitag:
09:00 – 09:35 Uhr (35 min): Moto3 Practice 1
09:50 – 10:30 Uhr (40 min): Moto2 Practice 1
10:45 – 11:30 Uhr (45 min): MotoGP Practice 1
13:15 – 13:50 Uhr (35 min): Moto3 Practice 2
14:05 – 14:45 Uhr (40 min): Moto2 Practice 2
15:00 – 16:00 Uhr (60 min): MotoGP Practice 2
Samstag:
08:40 – 09:10 Uhr (30 min): Moto3 Practice 3
09:25 – 09:55 Uhr (30 min): Moto2 Practice 3
10:10 – 10:40 Uhr (30 min): MotoGP Free Practice
10:50 – 11:05 Uhr (15 min): MotoGP Qualifying 1
11:15 – 11:30 Uhr (15 min): MotoGP Qualifying 2
12:50 – 13:05 Uhr (15 min): Moto3 Qualifying 1
13:15 – 13:30 Uhr (15 min): Moto3 Qualifying 2
13:45 – 14:00 Uhr (15 min): Moto2 Qualifying 1
14:10 – 14:25 Uhr (15 min): Moto2 Qualifying 2
15:00 Uhr: MotoGP-Sprint
Sonntag:
09:45 – 9:55 Uhr (10 min): MotoGP Warm-up
10.00 Uhr: MotoGP Riders Fan Parade
11.00 Uhr: Moto3-Rennen
12.15 Uhr: Moto2-Rennen
14.00 Uhr: MotoGP-Rennen
Fahrer-Nationalitäten
Die Fahrer können 2023 neu nur eine Nation repräsentieren, und zwar jene, die ihren Reisepass ausgestellt hat. Wenn jemand mehrere Nationen vertritt, muss er zu Beginn der Saison überlegen, von welchem Landesverband er seine FIM-Lizenz bezieht. Wenn durch höhere Gewalt eine Nationenzugehörigkeit abhandenkommt, muss bei der FIM vor dem Saisonstart ein Antrag auf eine Änderung des Herkunftslandes gestellt werden.
Der Fahrer fährt dann die ganze Saison unter dieser Flagge, die Pole-Positions, Sprint-Siege, Podestplätze, Rennsiege und Titelgewinne werden seinem Land zugeschrieben.
Unterbrechungen
Wenn eine Qualifying Session unterbrochen wird und nicht mehr neu gestartet werden kann, gilt 2023 folgende neue Vorschrift:
- Wenn die Session mindestens 50 Prozent der geplanten Zeit gedauert hat, gilt die Sitzung als vollendet, die Resultate zählen.
- Wenn die Session weniger als 50 Prozent gedauert hat, gilt sie als gestrichen. Als Ergebnis werden dann die anderen Trainings kombiniert gewertet.
- In der MotoGP-Klasse werden die kombinierten Zeiten vom Practice 1 (P1) and P2 gewertet. In den Klassen Moto2 und Moto3 gelten die Ergebnislisten von FP1-FP2-FP3.