Yamaha steht vor Einigung mit neuem Kundenteam

Vor 50 Jahren: Ein Schwarzer Tag in Monza

Von Michael Esdaile
Genau 50 Jahre nach den schrecklichen Ereignissen in Monza, die zwei Grand-Prix-Stars das Leben kosteten, hat sich die Sicherheit in der Motorrad-Weltmeisterschaft grundlegend verändert.

Eine gefährliche Strecke, ein Metallarbeiterstreik und schlecht vorbereitete Motorräder machten den 20. Mai 1973 zu einem Tag, der im Motorradrennsport in Vergessenheit geraten sollte. An diesem Tag vor 50 Jahren kostete eine der gefährlichsten Strecken des Grand-Prix-Kalenders zwei Rennfahrer-Stars das Leben. Für zehn weitere Fahrer endete er im Krankenhaus.

Doch diese Tragödie wäre vermeidbar gewesen. Heutzutage wird über die MotoGP-Stewards und ihre kleinlichen Strafen diskutiert.

Vor 50 Jahren war dies völlig anders, damals kümmerten sich die Grand-Prix-Funktionäre nicht um die Sicherheit der Fahrer. Öffentliche Straßenkurse wurden von Bäumen, Telefonmasten, Randsteinen, Telefonzellen und mehr gesäumt. Lediglich ein paar Strohballen sollten die Sicherheit der Fahrer gewährleisten. Verglichen mit dem Aufprall in eine Leitplanke am Streckenrand ist eine leichte Berührung zwischen zwei Piloten eher harmlos und sicher nicht lebensgefährlich.

Neben den vielen Straßenkursen wie in Brünn, Imtara, Spa-Francorchamps, Montjuic, Opatija, Sachsenring, Insel Man zählten die italienische Rennstrecke von Monza und der Salzburgring in Österreich zu den gefährlichsten permanenten Rennstrecken. Beide waren Hochgeschwindigkeitskurse, die mit Leitplanken abgesichert waren. Der kleinste Fehler des Fahrers oder eines Mechanikers konnte eine Reise ins Krankenhaus oder ins Leichenschauhaus bedeuten.

Saarinen an der Spitze

Als die Motorrad-WM-Stars im Mai 1973 in Monza eintrafen, freuten sich die Fans auf den Kampf zwischen dem Lokalmatador Giacomo Agostini und dem Finnen Jarno Saarinen in der 500er-Klasse, auf eine Fortsetzung des Duells zwischen Agostini gegen Renzo Pasolini in der 350er-Klasse und auf den Kampf Pasolini gegen Saarinen in der 250er-WM.

Nur ein Jahr zuvor hatte der «fliegende Finne», wie Saarinen genannt wurde, die 250er-Weltmeisterschaft auf seiner privaten Zweitakt-Yamaha mit einem Punkt Vorsprung vor Aermacchi-Werkspilot Pasolini gewonnen. Mit dem 27-jährigen Saarinen hatte die Welt einen neuen Grand-Prix-Star gefunden, der auch Yamaha beeindruckt hatte. Denn der Finne hatte mit seinen Siegen in der 500er-WM bewiesen, dass die ganz neue Yamaha 0W20 mit dem Vierzylinder Zweitakt-Reihenmotor und der Membran-Einlasssteuerung den bis dahin dominierenden Viertakt-MV-Agusta gewachsen war. In Monza waren viele Yamaha-Führungskräfte vor Ort, um zu sehen, wie Saarinen seine Erfolgsbilanz ausbaute.

Rauchende Benelli

Als nächstes stand das 350-ccm-Rennen auf dem Programm. Hier kämpfte Pasolini auf seiner Harley-Davidson, die unter dem Namen Aermacchi geführt wurde, gegen Agostini auf seiner Vierzylinder-MV Agusta. Pasolini kam im Rennverlauf aufgrund eines Kolbenfressers von der Strecke ab und überließ Agostini den Sieg vor dem Finnen Teuvo Länsivuori (Yamaha). Kent Andersson und John Dodds kämpften auf ihren Yamaha um den vierten Platz, bevor die Benelli 350-4 von Walter Villa langsamer wurde und zu rauchen begann.

Schließlich kam Villa an die Box. Doch eine Runde vor Schluss schickte ihn das italienische Team wieder heraus, sodass er mit 50 Sekunden Rückstand auf den Sieger Fünfter wurde. Der Rauch aus der Benelli und das Öl auf den Felgen beunruhigte einige Fahrer, die daraufhin die Reinigung der Strecke forderten. Ihnen wurde jedoch mit einer Disqualifikation gedroht!

Nervöse Fahrer

Als nächstes folgte das 250-ccm-Rennen. Doch aufgrund der Ölspur waren alle Fahrer sehr nervös und besorgt. Dieter Braun legte einen großartigen Start hin und führte den ganzen Weg hinunter zur Curva Grande. Doch statt im höchsten Gang anzugreifen, hörte man, dass er in den fünften Gang herunterschaltete und eine weitere Linie als normal wählte, da er die dunkle Ölspur auf der Strecke sah. Er kam sicher hindurch und fuhr weiter, ohne die Tragödie zu bemerken, die sich hinter ihm abspielte.

Die Techniker von Aermacchi (das Werk wurde später von Harley-Davidson übernommen) hatten neue Kolben in Pasolinis 250er eingebaut; sie waren noch nicht eingefahren. Der Motor verfügte unten über wassergekühlte Zylinder und oben über luftgekühlte.

Dies war eine Notlösung, da die Entwicklung von wassergekühlten Zylindern durch einen Streik der italienischen Metallarbeiter verzögert worden war. Mit potenziell sehr unterschiedlichen Expansionsraten war das Rezept für eine Katastrophe gefunden. Warum nicht die luftgekühlten Zylinder verwendet wurden, die gut genug gewesen wären, um auf den dritten Platz zu fahren, werden wir nie erfahren.

Bei der Verfolgung von Dieter Braun geriet Pasolinis Aermacchi in der Curva Grande ins Schlingern und schleuderte den Italiener aus dem Sattel. Jarno Saarinen konnte dem Motorrad nicht mehr ausweichen und stürzte ebenfalls. Hideo Kanaya wich nach rechts aus, prallte gegen die Strohballen und stürzte. Da keine gelben Flaggen geschwenkt wurden, raste die Verfolgergruppe durch das Gemetzel, während die Strohballen durch den verschütteten Kraftstoff und die Funken der rutschenden Motorräder in Flammen gerieten.

Der Engländer Chas Mortimer, der 1972 beim GP von Spanien auf einer untermotorisierten TR-3 als erster Yamaha-Fahrer mit einem 352er-Twin ein 500-ccm-Weltmeisterschaftsrennen gewonnen hatte, glaubt, dass er Pasolini getroffen und getötet hat. Mortimer rutschte daraufhin die Strecke hinunter. Mindestens zehn weitere Fahrer stürzten nach ihm. Bis auf Mortimer, der davon humpeln konnte, kamen alle ins Krankenhaus.

Neben Pasolini erlag auch Saarinen seinen Verletzungen. Sein Helm war zertrümmert und der größte Teil seines Kopfes übel zugerichtet. Es war ein grauenhafter Anblick, doch das Rennen wurde noch drei Runden lang fortgesetzt, bevor es zum Abbruch kam. Auch das folgende 500-ccm-Rennen wurde abgebrochen und nicht gewertet.

Nur wenige Monate zuvor hatte Saarinen angedeutet, dass er nicht vorhatte, noch lange Rennen zu fahren. Er war sich der Gefahren nur allzu sehr bewusst. Aus diesem Grund wollte er auch bei der gefährlichen Tourist Trophy auf der Insel Man nicht antreten.

Pasolini hinterließ seine Frau Anna, die sechsjährige Tochter Sabrina und Sohn Renzo Stefano; Saarinen hinterließ seine Frau Soili. Tief erschüttert über den Tod Saarinens zog sich Yamaha für den Rest des Jahres aus der Weltmeisterschaft zurück.

Die Wahrheit kommt ans Licht

Die Behörden setzten einen Untersuchungsausschuss ein, dessen Bericht im September fertiggestellt wurde. Jedoch wurde dieser erst 20 Jahre später publik, als die italienische Zeitschrift «Tuttomoto» ein Exemplar erhielt und dieses veröffentlichte.

Jahrelang wurden Walter Villa und das Öl aus seiner Benelli beschuldigt. Doch Villa war in zweifacher Hinsicht ein Opfer. Er war ebenfalls zu Sturz gekommen und anschließend drei Stunden lang bewusstlos. Als er wieder zu sich kam, stand er unter schwerem Schock und war drei Tage lang nicht in der Lage zu sprechen. Zu den Verletzten gehörten auch Hideo Kanaya, Victor Palomo, Fosco Giansanti und Börje Jansson.

Trotz dieses schockierenden Ereignisses dauerte es ein weiteres Jahrzehnt, bis sich die Fahrer organisierten und Änderungen erzwangen. Dass es erst der Todesfälle in Monza und vieler weiterer bedurfte, um Veränderungen bei der Sicherheit der Rennstrecken zu erzwingen, ist ein trauriges Armutszeugnis für die Menschen, die den Sport in jener Zeit für den Weltverband FIM geleitet haben.

1986 wurde Pasolini von den Castiglioni-Brüdern geehrt, indem sie die Ducati Paso von 1986, entworfen von Massimo Tamburini, nach ihm benannten. 2009 wurde Saarinen von der Dorna in die MotoGP Hall of Fame aufgenommen – als einziger Finne, der eine Weltmeisterschaft im Straßenrennsport gewonnen hat. In seiner kurzen Rennsportkarriere gewann er 15 Grand-Prix-Rennen.

2019 fand in der finnischen Botschaft in Tokio eine Zeremonie zum Gedenken an 100 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Finnland und Japan statt, bei der Saarinen zu Ehren eine Ausstellung veranstaltet wurde.

Während der Veranstaltung überreichte der Präsident der Yamaha Motor Corporation, Yoshihiro Hidaka, seiner Witwe Soili ein Album mit Originalfotos von ihrem Besuch in Japan im Jahr 1972.

Renzo Pasolini und Jarno Saarinen sind von uns gegangen, aber ihre Heldentaten leben weiter.

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