Yamaha steht vor Einigung mit neuem Kundenteam

Paolo Ciabatti: Kein Verständnis für die Stewards

Von Günther Wiesinger
Ducati-Sportdirektor Paolo Ciabatti ärgert sich über die fehlende Konstanz bei den Strafen der FIM-Stewards. Er nennt handfeste Beispiele und sah in Le Mans ein neuerliches Versagen von Freddie Spencer & Co.

Auch einige der Ducati-MotoGP-Piloten waren bei den ersten fünf Grand Prix in umstrittene Entscheidungen des heftig ins Kreuzfeuer der Kritik geratenen «FIM MotoGP Stewards Panel» verwickelt. Pecco Bagnaia bekam in Jerez einen unverständlichen «drop one position»-Penalty, dafür kam Luca Marini zum Beispiel in Portimão am Samstag ungeschoren davon. Und Jorge Martin ärgerte sich zum Beispiel, weil ihm Marc Márquez am Sonntag in Portimão in den ersten drei Runden gleich zweimal in die Quere kam und die doppelte Long-Lap-Strafe nicht absitzen musste. In Jerez gingen bei Yamaha die Wogen hoch, weil die Long-Lap-Penaltys für Franco Morbidelli (Crash in der ersten Sprint-Runde) und Fabio Quartararo selbst bei den Gegnern auf völliges Unverständnis stiessen.

Die Teammanager, Hersteller, Fahrer und Fans ärgern und wundern sich vor allem über die fehlende Konstanz bei den Strafen von Spencer & Co. Denn vergleichbare Delikte werden bei unterschiedlichen Fahrern unterschiedlich gewichtet und bestraft oder gar nicht geahndet. Viele Fahrer und Teamchefs (auch in der Moto3- und Moto2-Klasse) beschweren sich, dass die Stewards keine andere Meinung zulassen und gar nicht zuhören.

«Wir hatten einen Fragenkatalog für die Stewards», erklärte Ducati-Sportdirektor Paolo Ciabatti im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Die Fahrer und Teammanager haben ihn zusammengestellt. Meine persönliche Meinung, die bei Ducati auch von Davide Tardozzi und Gigi Dall’Igna geteilt wird, lässt sich kurz auf einen Nenner bringen. Wenn ein Verhalten wie bei Marc Márquez am Sonntag in Portimão 2023 vorliegt, muss es bestraft werden. Auch bei einem Vorfall wie bei Nakagami in Catalunya 2022, als er Bagnaia und Rins aus dem Rennen beförderte, muss ein Penalty verhängt werden. Alex Rins erlitt dabei einen Handgelenksbruch. Doch Nakagami bekam keine Strafe.»

Zur Erinnerung: Spencer steht im Verdacht, als ehemaliger Honda-Werkspilot gegenüber den Honda-Piloten besonders oft Gnade vor Recht ergehen zu lassen.

«Wenn keine folgenschweren Manöver wie bei Márquez in Portugal oder bei Nakagami in Barcelona passieren, betrachten wir solche Vorkommnisse als Rennunfälle», fasst Ciabatti zusammen. «Sonst wird man bald keine Überholmanöver mehr sehen.»

«Niemand bestreitet, dass ein Penalty fällig ist, wenn ein Fahrer einen anderen mit Absicht rammt», betont Paolo Ciabatti, der mit 65 Jahren über ausreichend Berufserfahrung im Rennsport verfügt. «Was uns ärgert: Die Stewards haben Bagnaia in Jerez den ‘drop one position’-Penalty völlig unbegründet aufgebrummt. Doch als Jack Miller dort in der letzten Kurve ein deutlich aggressiveres Überholmanöver gegen Jorge Martin gemacht hat, ist er straffrei geblieben. Da ist gar nichts passiert. Null! Im selben Rennen. Martin hat dadurch zwei Plätze verloren.»

Paolo Ciabatti hat sich in Le Mans auch über die misslungene Aussprache zwischen den Fahrern und den FIM-Stewards geärgert, die von Fahrern wir Jack Miller als «Zeitverschwendung» bezeichnet wurde.

«Die Fahrer legten also ihre Fragen auf den Tisch und bekamen Antworten», fasst Ciabatti zusammen. «Unsere Fahrer haben berichtet: Wenn du im Rennen bei einem Überholmanöver einen Gegner berührst, musst du dich einen Platz zurückfallen lassen. Wenn du bei einem Überholmanöver einen Gegner zu Sturz bringst, musst du eine Long-Lap-Runde fahren. Doch einen Tag danach hatten diese Maßnahmen anscheinend schon keine Gültigkeit mehr. Denn Marc Márquez hat Spuren am Leder von Bagnaia hinterlassen, er hatte ihn berührt. Eine Strafe gab es nicht. Dann gab es den Vorfall zwischen Binder und Marini. Luca war anderer Ansicht als Brad und sagte, er sei von ihm berührt und von der Fahrbahn gedrängt worden. Es gab keine Strafe. Marini hat mir gesagt, er sei gerammt worden. Ich glaube ihm. Was Binder betrifft: Manchmal merkt ein Fahrer in der Hitze des Gefechts nicht, was genau passiert ist. Jedenfalls gab es im Sprint in Le Mans keine Strafen; es fehlt also weiter die Konstanz. Am Freitag wurden den Fahrern die Vorschriften erklärt. Am nächsten Tag wurden sie jedoch nicht angewendet.»

Johann Zarco ärgerte sich ebenfalls. «Die Stewards haben zu viel Respekt vor den Topfahrern», beschwerte sich der Franzose – und meinte damit Marc Márquez, der viel zu oft straffrei bleibt. Der Honda-Star nahm in Le Mans im Qualifying 2 sogar absichtlich einen Sturz und eine gelbe Flagge in Kauf, um in der ersten Startreihe zu bleiben. Und er verheimlichte dieses hinterlistige Vorgehen nicht einmal vor den Medien...

Ciabatti weiß, dass nicht jeder Zwischenfall klipp und klar beurteilt werden kann. «Wenn wir auf Luca Marini im Sprint Race in Portugal schauen… Er kam in die Kurve und rutschte übers Vorderrad weg. Leider war Bastianini dort auf der Außenspur. Luca hat ihn zu Fall gebracht, das führte bei Enea zum Bruch des Schulterblatts. Aber da war keine Absicht dahinter, also kann man diese Fahrweise nicht als unverantwortlich bezeichnen. Für mich gehören solche Vorkommnisse zum Motorradrennsport. Doch Marc Márquez ist in Portimão am Sonntag unverantwortlich gefahren, Nakagami letztes Jahr in Catalunya auch.»

Selbst Marc Márquez stellte in Le Mans klar: «Der einzige Vorfall 2023, der eine Strafe verdient hat, war meine Kollision mit Miguel Oliveira in Portimão.»

«Wir bei Ducati stimmen dieser Meinung in jeder Hinsicht zu», ergänzte Paolo Ciabatti.


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