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Freddie Spencer: Vom Mythos blieb nicht viel übrig

Von Günther Wiesinger
Als Rennfahrer läutete Freddie Spencer in der 500er-WM 1982 mit seiner einzigartigen Fahrweise und Risikobereitschaft eine neue Ära ein, wie später Marc Márquez. Aber der Ruf von «Fast Freddie» hat stark gelitten.

Weil beim Jerez-GP mit Franco Morbidelli und Fabio Quartararo gleich zwei Yamaha-Werkspiloten umstrittene Strafen bekamen und Repsol-Honda-Werkspilot Marc Márquez vom «FIM MotoGP Stewards Panel» sowieso seit Jahren mit Samthandschuhen angefasst wird, wird dem ehemaligen Honda-Superstar Freddie Spencer nachgesagt, er habe mit Yamaha noch eine Rechnung offen.

Beim Portugal-GP 2023 haben sich die Stewards außerdem bis zur Lächerlichkeit blamiert, weil sie ihr Urteil nach dem rabaukenhaften Auftritt von Marc Márquez in Portimão so dilettantisch verfassten, dass Marc Márquez seinen wahrlich verdienten Double-Long-Lap-Penalty für den Abschuss von Oliveira nie absolvieren musste.

Zumindest diese Aufgabe sollten die überforderten Stewards, die in den letzten Wochen buchstäblich von jedem MotoGP-Fahrer kritisiert wurden, nach vier Jahren unfallfrei erledigen können. Auch die nicht direkt betroffenen Piloten ärgerten sich; auch sämtliche Teammanager und Teamprinzipals von Lin Jarvis über Pit Beirer bis zu Paolo Ciabatti regten sich herzhaft auf.

Es fehle die Ausgewogenheit, Gerechtigkeit und Gleichmässigkeit bei den Verurteilungen, war zu hören. Zu oft sei Gutdünken und Willkür erkennbar, es fehle ein eindeutiger und verständlicher Strafenkatalog, es werde zu schnell und zu hastig entschieden, man höre keine Zeugen, den Stewards fehle die entsprechende Ausbildung und das juristische Gespür und Rüstzeug, es wird auch die mangelnde Gleichbehandlung kritisiert. Johann Zarco spürt bei den Schiedsrichtern zu viel Respekt vor den Topfahrern, er spielte damit auf Marc Márquez an.

Zur Erinnerung: Im Fußball müssen sich die Referees in lokalen, regionalen und nationalen Wettbewerben bewähren; es finden ständig Weiterbildungen statt und Beurteilungen statt. In der MotoGP steigen die Stewards gleich in der Königsklasse ein.  

Ich muss erwähnen, dass ich dem Vorwurf, Spencer trage auch Jahrzehnte nach seiner aktiven Laufbahn noch die Honda-Kappe, nicht sonderlich viel abgewinnen kann. Obwohl die Stewards natürlich 2023 viel Unsinn verzapft haben und Morbidelli sogar wegen seiner «ambitionierten Fahrweise» eine Long-Lap-Strafe bekam.

Man muss dem 61-jährigen Amerikaner, 500-ccm-Weltmeister 1983 und 1985 und dazu 250-ccm-Weltmeister 1985, zugutehalten: Er hat in seinem umstrittenen Gremium in den letzten Monaten MotoGP-Fahrer fast aller Marken unfair behandelt. Ob er bei Honda-Piloten besonders oft Gnade vor Recht ergehen und Milde walten lässt, diese Frage mögen die wahren Experten beantworten.

Jedenfalls wurde Bagnaia in Jerez nach einer harmlosen Attacke gegen Jack Miller bestraft, und bei Ducati ärgerte man sich in Le Mans, weil die am Freitagabend vereinbarten Spielregeln von den Stewards am Samstag schon wieder vergessen worden waren. 

Fakt ist: «Fast Freddie» hat 1985 in seiner einigen 250-ccm-GP-Saison als Honda-Werksfahrer sieben Viertelliter-GP-Siege gefeiert, dazu in den Honda-Jahren 1981 (zwei), 1983 (sechs), 1984 (fünf) und 1985 (sieben) insgesamt 20 weitere in die Halbliter-WM.

Die 500-ccm-WM-Bilanz von Spencer

1982: WM-Rang 3 mit 71 Punkten (Honda-3)
1983: WM-Rang 1 mit 144 Punkten (Honda-3)
1984: WM-Rang 4 mit 87 Punkten (Honda-V4)
1985: WM-Rang 1 mit 141 Punkten (Honda-V4)
1987: WM-Rang 20 mit 4 Punkten (Honda-V4)
1989: WM-Rang 16 mit 33,5 Punkten (Yamaha)
1993: WM-Rang 37 mit 2 Punkten (Yamaha).

Diese Statistik zeichnet nach, dass Freddie Spencer im GP-Sport nur vier erfolgreiche Jahre gegönnt waren, denn nach dem doppelten Titelgewinn von 1985 (250 und 500 ccm) litt er an Arm-Pump-Problemen, Burn-out und anderen Beschwerden. Deshalb pausierte er das ganze Jahr 1986 und kam auch 1987 nur sporadisch zum Einsatz, weshalb er 1988 seinen Rücktritt verkündete.

Doch als der dreifache Weltmeister Eddie Lawson nach der Saison 1988 überraschend von Marlboro-Yamaha ins Rothmans-Honda-Team von Erv Kanemoto wechselte, lockte Yamaha-Teamchef Giacomo Agostini den Amerikaner aus Shreveport (Louisiana) mit den Marlboro-Millionen zurück nach Europa.

Spencer führte in Europa einen neuen Fahrstil ein. «To square off the corners», bezeichnete er ihn. Er umkreiste also die Kurven nicht so rund wie die Gegner, sondern bremste späte und blieb bei den Zweikämpfen innen, warf danach das Bike am Scheitelpunkt wuchtig um, richtete es schneller als die Gegner auf und konnte das Gas deshalb früher aufdrehen. Und da er auf der Innenspur unterwegs war, verloren die Widersacher ihren Schwung...

Aber inzwischen war Spencers Zeit längst abgelaufen. Mit der 500-ccm-Werks-Yamaha 0WA8 schaffte er als bestes Ergebnis 1989 in Spa-Francorchamps (Belgien) nur einen fünften Rang. Dazu kamen drei neunte Plätze, Platz 13 in Assen (NL) sowie ein 15. Platz in Suzuka (Japan). Lawson, sein Vorgänger im Team, hatte die WM 1988 gewonnen – und er gewann sie auch 1989 auf Honda.

Nach dieser missglückten Saison schien die Karriere von Spencer endgültig vorbei zu sein. Aber Yamaha-Motor-France-Teamchef Serge Rosset holte ihn noch einmal aus der Versenkung – für 1993.

Doch es folgte ein weiteres desaströses Jahr mit der Yamaha 0WF2 – mit Verletzungspausen, endlosen Enttäuschungen und nur zwei WM-Punkten.

Danach gehörte der Mythos Spencer endgültig der Vergangenheit an. Erst 2019 begann seine schillernde neue Karriere als FIM-MotoGP-Steward.

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