LCR-Team: Was alles für den KTM-Deal spricht
Schon 2022 erkannten die Verantwortlichen der Pierer Mobility AG mit den Marken KTM, GASGAS und Husqvarna, dass die beiden Plätze bei Red Bull KTM und GASGAS Tech3 nicht ausreichen, um die vielen Eigenbau-Talente aus den Klassen Moto3 und Moto2 in die «premier class» zu bringen und dazu womöglich noch MotoGP-Sieger wie Jack Miller von der Konkurrenz zu KTM zurückholen zu können. Deshalb kam vor einem Jahr Miguel Oliveira nach fünf MotoGP-Siegen auf KTM abhanden, auch für die Rookies Remy Gardner und Raúl Fernández war nach einem Jahr kein Platz mehr – auch wenn ihnen heute in Österreich niemand eine Träne nachweint.
Im März 2023 wurde offenkundig, dass für Pol Espargaró (er hat einen Vertrag für die kommende Saison), Moto2-Weltmeister Augusto Fernández und den aktuellen Moto2-Titelanwärter Pedro Acosta die zwei Plätze bei GASGAS 2024 nicht ausreichen würden.
Die Suche nach zusätzlichen Slots gestaltete sich mühsam. Aber mit LCR-Honda-Teambesitzer Lucio Cecchinello wurde ein potenzieller Partner gefunden, der nicht gleich abwinkte – obwohl er einen HRC-Vertrag für 2024 hat.
Dem ehemaligen 125-ccm-GP-Piloten Cecchinello ist natürlich nicht entgangen, dass die japanischen Hersteller ihre Vormachtstellung in der MotoGP längst verloren haben. Lucio Cecchinello Racing (LCR) hat in den letzten drei Jahren mit Ausnahme des Texas-Sieges von Rins (im April 2023) keinen Podestplatz errungen.
Alex Márquez und Taka Nakagami beklagten sich im Herbst 2022 bitterlich, sie hätten seit dem Saisonstart in Doha/Katar im März kein einziges Technik-Update bekommen. Bei Ducati hingegen konnte Enea Bastianini sogar mit einer gebrauchen Desmosedici des Jahrgangs 2021 im Vorjahr vier Rennen gewinnen und den dritten WM-Rang beschlagnahmen.
Selbst bei KTM gewann Miguel Oliveira 2020 im Red Bull-Tech3-Team zwei Rennen – in Spielberg und in Portimão.
Alex Rins ist in der Fahrer-WM auf Platz 13 zurückgefallen; auch Nakagami kann mit der aktuellen Honda RC213V keine Wunder vollbringen.
Die HRC-Ingenieure haben auch nach dreieinhalb Jahren noch keine Idee, wie aus der RC213V wieder ein Sieger-Motorrad entstehen könnte. Die neue aggressive Elektronik-Strategie ging in Sachsen gründlich schief – und verdarb Marc Márquez völlig die Laune.
Dessen neuer Manager Jaíme «Jimmy» Martinez war bis zum Sommer 2022 als «Head of Motorsports Marketing» beim Red Bull in Spanien beschäftigt und verfügt über ausgezeichnete Kontakte zum Energy Drink-Hersteller in Österreich.
Dass sich Lucio Cecchinello jetzt trotz des Vertrags mit HRC (er läuft bis Ende 2024) bei der Anfrage der Pierer-Manager nicht gleich abwinkte, ist verständlich. Er könnte konkurrenzfähigeres Material bekommen – und mit Marc Márquez und dem 19-jährigen Ausnahmekönner Pedro Acosta ein Fahrerduo, das seinesgleichen sucht.
Für die Pierer Mobility AG und Red Bull könnte der geplante Deal mit LCR zu überschaubaren Kosten abgewickelt werden, wenn Marc Márquez seine üblichen Gagenforderungen reduziert. In Spanien wurde schon berichtet, Red Bull könnte die Fahrergage der Nummer 93 übernehmen.
Auch die Dorna hat nach dem Rückzug von Valentino Rossi starkes Interesse, Superstar Marc Márquez wieder als Titelanwärter präsentieren zu können.
Wenn sich manche Leser wundern, warum die Dorna die beiden Suzuki-Slots nicht an die Pierer-Gruppe vergeben hat: Auch der WM-Promoter muss in Zeiten wie diesen, in den zum Beispiel die Logistikkosten für Übersee im Vorjahr um fast 30 Millionen Euro gestiegen sind, auf die Kosten achten.
Ein zusätzliches Privatteam müsste mit 7 bis 8 Millionen Euro pro Saison unterstützt werden. Aber jedes MotoGP-Werksteam, das über kein Kundenteam verfügt, erhält nur 500.000 Euro – seit dieser Saison trifft das erstmals auf Yamaha zu.
Deshalb werden die beiden verwaisten Suzuki-Plätze bis Ende 2026 frei gehalten für einen potenziellen neuen Hersteller, auch wenn sich keiner abzeichnet.
Wenn ein MotoGP-Hersteller ein Kundenteam zu Leasinggebühren von ca. 2,2 Millionen pro Fahrer beliefert, belohnt die Dorna das Werk mit einer zusätzlichen Million für jedes Motorrad. Diese Beträge gelten jedoch nur für ein einziges Kundenteam.
Marc Márquez, der genau heute vor drei Jahren beim Saisonstart in Jerez am 19. Juli den ersten Oberarmbruch erlitten hat, könnte 2024 und 2025 bei der Pierer Mobility AG beweisen, dass er von seinem Können nichts eingebüßt hat – wenn er ein konkurrenzfähiges Bike bekommt, das zu seinem Fahrstil passt.
Das LCR-Team könnte neben namhaften, treuen Sponsoren wie GIVI auch eine perfekte Infrastruktur zur Verfügung stellen und zwei ausgezeichnete Technik-Mannschaften mit dem belgischen Technical Director Christophe «Beefy» Bourguignon an der Spitze.
Mehr als die Hälfte des 15-Mio-Jahresbudgets von LCR wird von der Dorna finanziert.
«Firmenchef Stefan Pierer wird sich die Chance auf Márquez nicht entgehen lassen, wenn die Kosten überschaubar bleiben», ist ein Honda-Teammitglied überzeugt. «Denn Marc hat in der Vergangenheit oft genug bewiesen, dass er mit konkurrenzfähigem Material kaum zu schlagen ist. Brad Binder, Jack Miller und Pol Espargaró sind nicht in derselben fahrerischen Liga.»