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Kenny Roberts junior: Die Auszeit wurde zum Rücktritt

Von Günther Wiesinger
Kenny Roberts junior stand nie gerne im Mittelpunkt. Nach seinem Rücktritt verschwand er in der Versenkung. 16 Jahre danach kam er wegen Goodwood erstmals wieder nach Europa.

Um Kenny Roberts junior, den 500-ccm-Weltmeister im Jahr 2000 auf Suzuki, war es nach seiner «Auszeit» von 2007 ruhig geworden. Kaum GP-Besuche, keine Interviews, keine öffentlichen Auftritte. Wenn sich Kenny sich nach seinem Rücktritt bei einem Rennen blicken liess, dann bestenfalls rasch für einen Tag im kalifornischen Laguna Seca, rund 1,5 Autostunden von seinem Wohnsitz in Modesto entfernt.

Doch als Laguna Seca aus dem GP-Kalender flog, brach «Kenny junior» mit seiner Familie sowie Papa «King Kenny» 2016 im Motorhome nach Austin/Texas aus, er parkte im Paddock damals unmittelbar neben seinem Dad, dem legendären «King Kenny», der die 500-ccm-Weltmeisterschaft 1978, 1979 und 1980 gewonnen hat und nachher als Teambesitzer noch erfolgreicher war.

Roberts senior entdeckte für Yamaha Eddie Lawson (drei 500er-WM-Titel auf Yamaha, einer auf Honda). Danach entdeckte er Wayne Rainey, der in seinem Marlboro Yamaha-Team Roberts dreimal (1990, 1991 und 1992) die Halbliter-WM gewann, John Kocinski 1990 die 250er-WM.

«Ich bin 2007 beim Barcelona-GP zurückgetreten und habe dann in Kalifornien ein entspanntes Leben geführt», erzählte Kenny junior, der vor acht Tagen auch zum «Goodwood Festival of Speed» kam, im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Ich habe nachher von 2007 bis 2013 kein Flugzeug bestiegen und habe auch die USA nie verlassen. Erst 2013 bin ich gemeinsam mit meinem Dad zu einem Einladungsrennen nach Japan geflogen.»

Das Gesicht des Juniors (er war bis Joan Mir 2020 der letzte Suzuki-Weltmeister in der Königsklasse) ist etwas rundlicher geworden. «Ich habe während meiner Karriere genug trainiert für den Rest meines Lebens. Ausser Skifahren betreibe ich keinen Sport mehr», sagt er.

Bei Kenny junior und seiner Frau «Ro» Rochelle steht jetzt die Familie im Vordergrund; sie haben eine Tochter Ashley (14) und einen Sohn (13) namens Logan.

«Meine Kinder wussten lange nicht, dass ich Motorradrennen gefahren bin», sagt Kenny Roberts, der Jüngere. «Sie wussten nur, dass ihr Grossvater Rennfahrer gewesen ist.»

Mit dem Skifahren ist «Little Kennys» eine neue Lieblingsbeschäftigung entdeckt. «Ich bin früher nur ganz selten auf Skiern gestanden. Aber seit 2014 bin ich ganz verrückt danach», schilderte er. «Wir besitzen ein Appartement im Skigebiet Lake Tahoe. Das ist nur zwei Stunden entfernt. Wir nehmen die Kinder im Winter aus der Schule und unterrichten sie zuhause im 'Home Schooling', damit sie fast jeden Tag Skifahren können. Es gab Winter, in denen sie zwischen 28 und 43 Tagen auf Ski gestanden sind. Ich habe genau Buch geführt.»

Der Junior trieb sich bei seinen Texas-GP-Besuchen vor Corona meist in der Suzuki Ecstar-Box herum, auch am vergangenen Wochenende in Goodwood saß er natürlich auf seiner 500-ccm-WM-Suzuki aus dem Jahr 2000.

Während Suzuki zu Kennys Zeit nie einen schlagkräftigen Viertakter zustande brachte, wehte nach dem Neueinstieg 2015 mit dem neuen Teamchef Davide Brivio beim japanischen Hersteller ein anderer Wind. Die drei Jahre Pause (2012, 2013 und 2014) und der Wechsel vom V4-Motor zum Reihenvierzylinder GSX-RR sowie die Trennung von Teamchef Paul Denning hatten sich vorteilhaft ausgewirkt. Selbst im Herbst 2022 vor dem Rückzug gewann Alex Rins zwei der letzten drei Rennen in Phillip Island und in Valencia.

Little Kenny: Das unvergessliche Jahr 2000

«Little Kenny» kam 1993 im 250er-Yamaha-Team seines Vaters in die WM, 1997 wechselte er mit dem Team Marlboro Roberts in die 500er-WM. 1999 unterschrieb er für das Suzuki-Werksteam und beendete die WM mit vier GP-Siegen auf Anhieb als Gesamtzweiter in der Weltmeisterschaft hinter Honda-Werksfahrer Àlex Crivillé aus Spanien.

Im Jahr 2000 schrieb Kenny Roberts jr. Geschichte, indem er 19 Jahre nach dem letzten Titelgewinn seines Vaters Weltmeister in der 500-ccm-Klasse wurde. Roberts junior war damit der sechste amerikanische Weltmeister in der Königsklasse des Motorradrennsports. Danach begann die Serie von fünf WM-Titeln in Folge durch Valentino Rossi.

2006 kehrte Kenny nach sechs Suzuki-Jahren in das KR-Team seines Vaters zurück, das mit der Dreizylinder-Modenas 500, der V4-KTM 990 und der Eigenbau-V5-Proton in der Zwischenzeit einige technische Irrwege beschritten hatte. Mit einem Eigenbau-KR-Chassis und Honda-V5-Motoren erzielte Kenny jr. in der Saison 2006 noch einige Achtungserfolge; er errang zwei dritte GP-Plätze. Mit dem sechsten Endrang erreichte Roberts jr. das bis dahin beste Endresultat in der Fahrerwertung für die KR-Mannschaft.

2007 erhielt das KR-Team von Honda die neuen 800-ccm-Motoren, die Saison begann aber nicht sehr verheissungsvoll. «Little Kenny» klagte bald über Motivationsprobleme und überliess ab dem Barcelona-GP seinen Teamplatz seinem jüngeren Bruder Kurtis.

Was ursprünglich als vorübergehend Auszeit gedacht war, entpuppte sich schliesslich als endgültiger Rücktritt. Denn der Weltmeister von 2000 trat nachher nie mehr zu einem Rennen an.

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