Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

Als Sieger arbeitslos: Diggias «surreale Situation»

Von Nora Lantschner
Fabio Di Giannantonio ist seit Sonntagabend ein MotoGP-Sieger, eine Woche vor dem Saisonfinale ist seine Zukunft aber noch ungewiss. Der Italiener spricht offen über seine Wut, seine Entwicklung und seinen Traum.

Fabio Di Giannantonio ließ in Lusail schon von Donnerstag an durchklingen, dass er trotz der vielen Nebengeräusche fest entschlossen war, sich seinen ersten Sieg in der Königsklasse zu holen. «Ich will ehrlich sein und eine Sache sagen: Nach Malaysia ist etwas passiert, das für meine Zukunft nicht gut war», verwies er auf die Entwicklung rund um die Márquez-Nachfolge im Repsol-Honda-Werksteam, wo ihm Luca Marini vorgezogen wurde. «Ich bin mit viel Wut nach Hause gekommen – aber auf eine positive Weise. Ich habe meinen engsten Freunden und meiner Familie zwei oder drei Mal gesagt: ‚In Katar werde ich gewinnen.‘ Und alle meinten: ‚Fabio, sag es nicht, geh hin und arbeite, aber bitte sprich es nicht aus, weil die Energie dann verloren geht.‘ Ich blieb aber dabei: ‚Nein, ich werde gewinnen.‘ Wenn du dann aber erst einmal hierher kommst, musst du es auch umsetzen. Einfach war es nicht, aber wir haben es geschafft.»

Damit ist seine Zukunft aber noch lange nicht gesichert. Acht Tage vor dem Valencia-Test ist der Katar-Sieger für 2024 noch arbeitslos. «Ich bin ein bisschen sprachlos bei diesem Thema. Ich habe es schon ein paar Mal gesagt und ich bin auch ein bisschen müde, es zu wiederholen, weil es so aussieht, als würde ich immer hier sitzen und dasselbe sagen», schickte «Diggia» auf die unvermeidbare Frage voraus. «Es ist ein bisschen surreal, was in der MotoGP im Moment passiert. Ich glaube, dass ich ein Fahrer bin, der in seinem zweiten MotoGP-Jahr gute Dinge zeigt. Und ich glaube, dass ich damit voll im Zeitplan liege, wenn es darum geht, wann ich die Ergebnisse erreicht habe. Das ist keine einfache Klasse, man braucht Zeit, um hart zu arbeiten und die Performance zu verbessern.»

«Ich war wütend, weil wir hart arbeiten, aber nichts kommt. Dann sind wir nahe dran und verlieren es – und ein zweites Mal nahe dran und verlieren es wieder», berichtete der Römer von den mühsamen Verhandlungen seines Managers Diego Tavano. «Also habe ich mir gesagt: ‚Scheiß drauf, ich mache es jetzt, ich versuche es!‘ Das ist die einzige Waffe, die ich im Moment habe.»

Dass der Gresini-Ducati-Pilot zu lange gebraucht habe, um diese Schlagkraft zu entwickeln, lässt er nicht gelten. «Wir sind hier auf dem höchsten Level des Motorradsports in der Welt. Selbst die Jungs am Ende des Feldes sind Weltmeister. Gegen die besten der Welt musst du wirklich in jeder Hinsicht perfekt sein – und dafür musst du irgendwo anfangen. Aus vielen Gründen war das Vorjahr für mich ein Nuller und ich habe in diesem Jahr auf einem weißen Blatt Papier angefangen.»

Als Schlüsselperson nannte Diggia zuletzt immer wieder seinen Crew-Chief Frankie Carchedi, der Joan Mir 2020 auf dem Weg zum WM-Titel betreute und nach dem Suzuki-Rückzug für 2023 in die Gresini-Box wechselte. «Als Frankie ins Team gekommen ist, hat er mir sehr geholfen zu verstehen, wie ich dieses Motorrad fahren musste. Er hat es mir erklärt, als würde ich zum ersten Mal auf das Bike steigen», musste der 25-jährige Italiener rückblickend schmunzeln. «Wir haben angefangen, Schritt für Schritt jedes kleine Detail in Ordnung zu bringen. Das dauert. Du kannst nicht in zwei Rennen vom letzten Platz auf das Podium fahren – okay, einzelne Fahrer haben das geschafft, Hut ab, aber aus meiner Sichtweise ist das fast unmöglich. Es braucht einfach seine Zeit. Wir haben die gesamte Saison über gearbeitet und Rennen für Rennen kleine Fortschritte erzielt. Man muss auf diesen Prozess vertrauen – und Schritt für Schritt sind wir auf diesen großartigen Level gekommen.»

Eine Entwicklung, die am Sonntagabend in Doha mit seinem ersten MotoGP-Sieg gekrönt würde. Wie eine Erlösung fühle es sich dennoch nicht an. Der nun vierfache GP-Sieger weiß zwar: «Keiner kann deine Ergebnisse stehlen. Für den Rest meines Lebens werde ich der Sieger sein, wenn ich mir das MotoGP-Rennen von Katar 2023 anschaue. Ich werde immer stolz auf das sein, was ich hier erreicht habe. Frei fühle ich mich aber nicht, denn Leute, das hier ist mein Traum – wie für die anderen Jungs hier. Es ist der Traum unseres Lebens, auf diesem Level, in dieser Weltmeisterschaft und mit diesen Bikes Rennen zu fahren. Und von diesem Job leben zu können. Ich bin also ganz und gar nicht frei, weil ich liebend gerne meine Reise hier fortsetzen würde. Ich werde mich frei fühlen, falls und sobald ich einen Vertrag für nächstes Jahr unterschreiben kann. Ich will jetzt aber einfach den Moment genießen und versuchen, auch in Valencia das Maximum herauszuholen. Das ist eine weitere Chance und vielleicht meine letzte – oder auch nicht. Ich will einfach das Maximum geben.»

Immerhin: Am Sonntagabend wurde Diggia-Manager Tavano im Fahrerlager des Lusail International Circuits noch im Gespräch mit den Managern des VR46 Teams, Uccio Salucci und Pablo Nieto, gesichtet. Danach berichtete der ehemalige Fußballer bei den italienischen Kollegen von Sky Sport, er sehe zumindest «ein bisschen Licht» im Hinblick auf die Zukunft seines Schützlings.

Ergebnis MotoGP-Rennen, Doha (19.11.):

1. Di Giannantonio, Ducati, 22 Rdn in 41:43,654 min
2. Bagnaia, Ducati, + 2,734 sec
3. Marini, Ducati, + 4,408
4. Viñales, Aprilia, + 4,488
5. Binder, KTM, + 7,246
6. Alex Márquez, Ducati, + 7,620
7. Quartararo, Yamaha, + 7,828
8. Bastianini, Ducati, + 8,239
9. Miller, KTM, + 11,509
10. Martin, Ducati, + 14,819
11. Marc Márquez, Honda, + 14,964
12. Zarco, Ducati, + 17,431
13. Bezzecchi, Ducati, + 17,807
14. Mir, Honda, + 18,673
15. Augusto Fernández, KTM, + 21,455
16. Morbidelli, Yamaha, + 21,474
17. Raúl Fernández, Aprilia, + 22,142
18. Pol Espargaró, KTM, + 27,194
19. Nakagami, Honda, + 27,740
– Aleix Espargaró, Aprilia, 16 Runden zurück
– Lecuona, Honda, 1. Runde nicht beendet

Ergebnis MotoGP-Sprint, Doha (18.11.):

1. Martin, Ducati, 11 Rdn in 20:52,634 min
2. Di Giannantonio, Ducati, + 0,391 sec
3. Marini, Ducati, + 2,875
4. Alex Márquez, Ducati, + 3,370
5. Bagnaia, Ducati, + 3,957
6. Viñales, Aprilia, + 4,239
7. Binder, KTM, + 5,761
8. Quartararo, Yamaha, + 6,454
9. Augusto Fernández, KTM, + 8,285
10. Zarco, Ducati, + 8,314
11. Marc Márquez, Honda, + 9,596
12. Miller, KTM, + 10,173
13. Bezzecchi, Ducati, + 10,646
14. Raúl Fernández, Aprilia, + 11,117
15. Morbidelli, Yamaha, + 12,163
16. Pol Espargaró, KTM, + 12,745
17. Lecuona, Honda, + 19,285
18. Nakagami, Honda, + 26,238
19. Mir, Honda, + 28,446
20. Bastianini, Ducati, + 35,553
– Aleix Espargaró, Aprilia, 10 Runden zurück
– Oliveira, Aprilia, 1. Runde nicht beendet

MotoGP-WM-Stand nach 37 von 39 Rennen:

1. Bagnaia, 437 Punkte. 2. Martin 416. 3. Bezzecchi 326. 4. Binder 268. 5. Zarco 204. 6. Aleix Espargaró 198. 7. Marini 194. 8. Viñales 192. 9. Quartararo 167. Alex Márquez 165. 11. Miller 163. 12. Di Giannantonio 134. 13. Morbidelli 93. 14. Marc Márquez 89. 15. Bastianini 84. 16. Oliveira 76. 17. Augusto Fernández 71. 18. Rins 54. 19. Nakagami 52. 20. Raúl Fernández 40. 21. Pedrosa 32. 22. Mir 26. 23. Pol Espargaró 13. 24. Savadori 9. 25. Folger 9. 26. Bradl 8. 27. Pirro 5. 28. Petrucci 5. 29. Crutchlow 3.

Konstrukteurs-WM:
1. Ducati, 663 Punkte (Weltmeister). 2. KTM 348. 3. Aprilia 309. 4. Yamaha 187. 5. Honda 174.

Team-WM:
1. Prima Pramac Racing, 620 Punkte (Weltmeister). 2. Ducati Lenovo Team 531. 3. Mooney VR46 Racing 520. 4. Red Bull KTM Factory Racing 431. 5. Aprilia Racing 390. 6. Gresini Racing 299. 7. Monster Energy Yamaha 260. 8. CryptoDATA RNF 120. 9. Repsol Honda 115. 10. LCR Honda 112. 11. GASGAS Factory Racing Tech3, 93.

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