KTM: Im Werk gingen die Lichter aus

Exklusiv: 2024 auch GASGAS-Tech3 mit Karbon-Chassis

Von Günther Wiesinger
Im Oktober wurde bei der Pierer-Gruppe noch überlegt, in der MotoGP eventuell Karbon- und Alu-Chassis mit den 2 Teams parallel zu entwickeln. Jetzt steht fest: Auch GASGAS Tech3 bekommt die neuen Karbonrahmen.

Es ist unbestritten: Seit Red Bull-KTM-Testfahrer Dani Pedrosa beim Misano-GP am 9./10. September mit dem neuen Karbon-Chassis von KTM mit zwei grandiosen vierten Plätzen vom Sprint und im Hauptrennen am Sonntag für Furore sorgte, steht fest: Das österreichische Werk ist mit diesem neuen Rahmenmaterial den übermächtigen Ducati-Bikes wieder einen Schritt nähergekommen.

Brad Binder bewies das auch beim Finale in Valencia, wo er am Samstag mit dem starken zweiten Platz die Ducati-Armada sprengte und am Sonntag mit Platz 3 noch einmal als bester Nicht-Desmosecidi-Pilot abschnitt. In der Fahrer-WM sorgte der Südafrikaner mit Platz 4 (im Vorjahr WM-Sechster mit 188 Zählern) für das beste KTM-Ergebnis in der MotoGP seit dem Einstieg 2017; er kassierte in diesem Jahr 293 Punkte ein.

Binder und Miller erhielten nach dem ersten Abtasten beim Misano-Montag-Test (11.9.) die ersten vier Karbon-Chassis per Luftfracht für den Japan-GP in Motegi (1. Oktober), zuerst nur je ein Modell für Vergleichszwecke am Freitag. Doch am Samstag standen dann bei beiden Red Bull-KTM-Werkspiloten zwei neue Karbon-KTM RC16 in der Box.

«Wir haben mit dem neuen Chassis-Material mehr ‘edge grip’. Das ist etwas, wonach ich die Ingenieure bereits das ganze Jahr gefragt habe», erklärte Binder.

Pit Beirer, KTM-Motorsport-Direktor, würgte danach alle möglichen Fragen zum Thema, wann auch die GASGAS-Piloten Pol Espargaró und Augusto Fernández ein Motorrad mit Karbonrahmen bekommen würden, im Interview mit SPEEDWEEK.com rasch ab.

«Die Belieferung der GASGAS-Fahrer mit Karbonrahmen ist im Moment nicht unsere Priorität», stellte Beirer Anfang Oktober fest. «Für uns hat Vorrang, dieses neue Chassis im Extremfall, und MotoGP ist Extremfall, kennenzulernen. Wenn du mitten in der Saison ein neues Chassis reinbringst, musst du es zuerst einmal abstimmen und rausfinden, was bei jeder Wetterlage und auf jeder Rennstrecke die richtigen Hebel sind, an denen du drehen musst.»

«Für uns war wichtig, dass Brad Binder performancemäßig das stärkste Paket zur Verfügung hat, das er haben will, weil er es am besten umsetzt. Wir lernen ja noch dauernd dazu. In Motegi hatten wir ein Regenrennen und dadurch erste Aufschlüsse auf nasser Fahrbahn bekommen. Im nassen Warm-up am Sonntag auf Phillip Island konnten wir neuerlich im Regen damit fahren. Danach waren wir auf die Regentrainings schon viel besser vorbereitet.»

KTM: Die Zukunft sieht schwarz aus

Um sich die dauernden Nachfragen von Pol Espargaró und Augusto Fernández zu ersparen und auch jene von Rookie Pedro Acosta, der beim Valencia-Test am 28.11. erstmals auf der MotoGP-KTM saß, erwähnte Beirer diplomatisch die Möglichkeit, die Teams von KTM und GASGAS könnten eventuell sogar künftig parallel Bikes mit den zwei unterschiedlichen Chassis-Materialien entwickeln.

Als die KTM-MotoGP-Werksfahrer Binder, Miller und Pol Espargaró im Phillip-Island-Zeittraining am Freitag der Konkurrenz mit den Plätze 1, 2 und 5 einigen Respekt abnötigten, schien so eine Strategie sogar Sinn zu machen.

Aber in Munderfing stand längst fest: Die Zukunft bei den MotoGP-Chassis sieht schwarz aus – denn sie besteht aus Kohlefaser.

Und wenn die Pierer Mobility AG das Kundenteam von Hervé Poncharal schon unter der Bezeichnung GASGAS Factory Racing Tech3 Team einsetzt, sollten dort auch technisch die besten Voraussetzungen geschaffen werden – auch wegen Pedro Acosta, der mit 19 Jahren schon zwei WM-Titel erbeutet hat und nicht umsonst längst als «neuer Marc Márquez» gefeiert wird.

Beim Valencia-Test suchten wir in der GASGAS-Box vergeblich nach Karbon-Chassis. Aber das wird sich beim nächsten Test in Sepang im Februar ändern.

Die Pierer-Gruppe hat 2020 mit Pol Espargaró bereits einen fünften WM-Rang erreicht, 2022 mit Binder einen sechsten und jetzt einen vierten. Da Ducati seit Jahren das Pramac-Team als zweites Werksteam betrachtet, dadurch dort bessere Fahrer anlockt und entsprechende Erfolge erzielt, wie die fünf GP-Siege mit Martin und Zarco 2023 beweisen, werden jetzt auch für GASGAS in der MotoGP beste Voraussetzungen geschaffen. Ähnlich wie 2020, als Miguel Oliveira dort in Spielberg und Portimão für das Red Bull-KTM Tech3-Team zwei grandiose MotoGP-Triumphe sicherstellte.

Im Grunde musste immer erwartet werden, dass die Pierer-Gruppe das Juwel Pedro Acosta 2024 nicht mit zweitklassigem Material ins erste MotoGP-Jahr schicken wird. Denn KTM hat mit Jorge Martin und Rául Fernández schon zwei Eigenbau-Fahrer aus dem Pierer-Universum an Ducati und Aprilia verloren, bei Acosta muss das unbedingt verhindert werden.

Denn Honda, Yamaha und Ducati waren ihm schon auf den Fersen, als sie noch hoffen durften, KTM würde keinen MotoGP-Platz für ihn finden.

Inzwischen steht fest: Die zwei Moto2-Weltmeister Fernández und Acosta werden schon beim Malaysia-Test mit Karbon-Chassis in die Saison starten.

Voraussichtlich braucht KTM Factory Racing dafür nicht einmal ein größeres Budget. Denn das GASGAS-Team von Aspar Martinez wird in den kleinen Klassen Moto3 und Moto2 künftig mit 1 Million Euro des chinesischen Pierer-Partners CFMOTO finanziert. Das dort bisher investierte GASGAS-Marketing-Budget kann zu GASGAS-Tech3 umgeschichtet werden.

Dadurch wechselt Tech3 auch in der Moto3-Klasse nach vier Jahren von KTM auf die Marke GASGAS (gefahren wird mit baugleichen KTM RC4). Und die zusätzlichen Kosten für den Umstieg von den preiswerten Alu- auf die kostspieligeren Karbon-Chassis finden im Tech3-Budget ebenfalls Platz.

Insgesamt investiert die Pierer Mobility AG für den GP-Auftritt von GASGAS (die Moto2-Klasse fällt 2024 weg, dafür kommt CFMOTO bei Jorge «Aspar» Martinez in der Moto2 neu dazu) pro Jahr 8,3 Millionen Euro.

Pit Beirer: «Wir bleiben innovativ»

«Ursprünglich war unser Ziel, mit dem Gitterrohrstahlrahmen MotoGP-Weltmeister zu werden», räumt Pit Beirer ein. «Wir haben mit diesem Konzept bisher sieben MotoGP-Rennen gewonnen, zwei mit Brad, fünf mit Miguel. Brad Binder ist damit 2022 WM-Sechster geworden, Pol Espargaró war 2020 schon WM-Fünfter. Vor dem Japan-GP 2023 lag Brad mit dem Stahlchassis in der WM an vierter Position. Es ist nicht so entscheidend, aus welchem Werkstoff die MotoGP-Rahmen bei GASGAS sein werden. 80 Prozent des Startfelds vertraut bisher auf Alu-Chassis. Alle drei Werkstoff-Konzepte sind konkurrenzfähig, die Zeiten liegen oft innerhalb einer Sekunde. Aber wir bleiben innovativ und gehen bei unseren zwei MotoGP-Marken in eine andere Richtung.»

Ready to Race, heisst der Slogan. KTM hat die Konkurrenz im Wettstreit um die Karbon-Chassis-Kompetenz bereits distanziert. Mit vier statt zwei Bikes im Feld kann dieser Vorsprung durch Technik vielleicht weiter ausgebaut werden.

Denn bei Aprilia stand in Valencia beim Dienstag-Test zwar für Testfahrer Lorenzo Savadori bereits erstmals eine RS-GP-Prototyp mit Karbon-Chassis in der Box. Aber das Projekt steckt noch in den Kinderschuhen.

Bei Ducati befindet sich längst ein Karbon-Rahmen im Stadium der Entwicklung. «Es wird nicht lange dauern, bis alle MotoGP-Hersteller ein Karbon-Chassis entwickeln», war sich Ducati-Corse Rennchef Gigi Dall’Igna beim Debüt der Karbon-KTM in Misano bewusst.

Ergebnisse MotoGP-Rennen Valencia (26.11.):

1. Pecco Bagnaia (I), Ducati, 27 Runden in 40:48,525 min
2. Johann Zarco (F), Ducati, +0,360
3. Brad Binder (ZA), KTM, +2,347
4. Fabio Di Giannantonio* (I), Ducati, +3,176 sec
5. Raúl Fernández (E), Aprilia, +4,363
6. Alex Márquez (E), Ducati, +4,708
7. Franco Morbidelli (I), Yamaha, +4,736
8. Aleix Espargaró (E), Aprilia, +8,014
9. Luca Marini (I), Ducati, +9,486
10. Maverick Viñales (E), Aprilia, +10,556
11. Fabio Quartararo (F), Yamaha, +12,001
12. Takaaki Nakagami (J), Honda, +21,695
13. Lorenzo Savadori (I), Aprilia, +43,297
14. Pol Espargaró (E), KTM
– Alex Rins (E), Honda, 19 Runden zurück
– Jack Miller (AUS), KTM, 18 Runden zurück
– Enea Bastianini (I), Ducati, 9 Runden zurück
– Augusto Fernández (E), KTM, 9 Runden zurück
– Marc Márquez (E), Honda, 5 Runden zurück
– Jorge Martin (E), Ducati, 5 Runden zurück
– Marco Bezzecchi (I), Ducati, erste Runde nicht beendet

*= 3-Sekunden-Strafe (Reifendruck-Vergehen)

Ergebnisse MotoGP-Sprint Valencia (25.11.):

1. Martin, Ducati, 13 Runden in 19:38,827 min
2. Binder, KTM, +0,190 sec
3. Marc Márquez, Honda, +2,122
4. Viñales, Aprilia, +3,106
5. Bagnaia, Ducati, +4,253
6. Di Giannantonio, Ducati, +4,400
7. Bezzecchi, Ducati, +4,502
8. Alex Márquez, Ducati, +5,578
9. Zarco, Ducati, +5,910
10. Augusto Fernández, KTM, +6,095
11. Raúl Fernández, Aprilia, +7,674
12. Miller, KTM, +8,098
13. Aleix Espargaró, Aprilia, +9,513
14. Pol Espargaró, KTM, +12,453
15. Bastianini, Ducati, +12,599
16. Nakagami, Honda, +13,787
17. Marini*, Ducati, +13,887
18. Morbidelli*, Yamaha, +14,943
19. Rins, Honda, +20,378
20. Savadori, Aprilia, +25,017
– Quartararo, Yamaha, 9 Runden zurück

*= 3-Sekunden-Strafe (Reifendruck-Vergehen)

MotoGP-WM-Endstand nach 39 Rennen:

1. Bagnaia, 467 Punkte. 2. Martin 428. 3. Bezzecchi 329. 4. Binder 293. 5. Zarco 225. 6. Aleix Espargaró 206. 7. Viñales 204. 8. Marini 201. 9. Alex Márquez 177. 10. Quartararo 172. 11. Miller 163. 12. Di Giannantonio 151. 13. Morbidelli 102. 14. Marc Márquez 96. 15. Bastianini 84. 16. Oliveira 76. 17. Augusto Fernández 71. 18. Nakagami 56. 19. Rins 54. 20. Raúl Fernández 51. 21. Pedrosa 32. 22. Mir 26. 23. Pol Espargaró 15. 24. Savadori 12. 25. Folger 9. 26. Bradl 8. 27. Pirro 5. 28. Petrucci 5. 29. Crutchlow 3.

Konstrukteurs-WM:

1. Ducati, 700 Punkte. 2. KTM 373. 3. Aprilia 326. 4. Yamaha 196. 5. Honda 185.

Team-WM:

1. Prima Pramac Racing, 653 Punkte. 2. Ducati Lenovo Team 561. 3. Mooney VR46 Racing 530. 4. Red Bull KTM Factory Racing 456 5. Aprilia Racing 410. 6. Gresini Racing 328. 7. Monster Energy Yamaha 274. 8. CryptoDATA RNF 134. 9. Repsol Honda 122. 10. LCR Honda 116. 11. GASGAS Factory Racing Tech3, 95.

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