Adi Stadler: «Das System Puig gibt es nicht»

Von Sharleena Wirsing
Stadler (re.) und Koinuma mit seinem Abschiedsgeschenk

Stadler (re.) und Koinuma mit seinem Abschiedsgeschenk

Der frühere 125-ccm-Europameister Adi Stadler und sein ehemaliger Vorgesetzter Keijiro Koinuma sprechen über Alberto Puigs Methoden, Gitarren und Stefan Bradl. Teil 3 des grossen Interviews.

Adi Stadler feierte 2012 sein 30-jähriges Jubiläum im Motorradsport: 1982 startete er seine Rennsport-Karriere im Hercules Sachs Cup. Fünf Jahre später eroberte er den EM-Titel und stieg 1988 in die 125-ccm-WM ein, wo er auf Anhieb Rang 7 der Gesamtwertung erreichte. 1992 stieg er  in die 250-ccm-WM auf. Nach dem Ende seiner aktiven Laufbahn 1995 wechselte der KFZ-Mechaniker-Meister auf die andere Seite der Boxenmauer und betreute für HRC nationale und internationale Meisterschaften auf technischer Ebene. Derzeit ist er für die WM-Klassen Moto2 und Moto3 zuständig.

Der 48-Jährige empfing SPEEDWEEK.de in seinem Haus im oberbayerischen Obing zusammen mit seinem ehemaligen Vorgesetzten und engen Freund Keijiro Koinuma. Der japanische HRC-Manager war in jungen Jahren ebenfalls als Rennfahrer erfolgreich. 1981 errang er den japanischen Meistertitel in der 125-ccm-Klasse. Nach der Saison 2012 ist er in den Ruhestand getreten.

Adi, wie ist dein Verhältnis zu Kollegen und Vorgesetzten bei Honda?
Vor allem mit Keijiro Koinuma pflege ich eine langjährige Freundschaft. Ich kenne ihn seit 1994, damals war ich selbst noch aktiv in der 250-ccm-WM unterwegs. Als ich 1998 als Technischer Berater zu HRC stiess, lernte ich ihn besser kennen. Da er sehr musikalisch ist und es sein Traum war, eine Zither zu spielen, habe ich ihm 1999 eine Zither nach Valencia mitgebracht. Wir waren auch gemeinsam bei einem Zitherkonzert in Tokio.

Keijiro Koinuma, Sie gingen nach 22 Jahren bei Honda in den Ruhestand. Als Abschiedsgeschenk haben Sie eine Gitarre der Kultmarke Fender mit den Unterschriften aller namhaften Piloten der MotoGP-WM sowie einiger Teamchefs erhalten. Sie haben 1982 in Offenbach gelebt und dort an der Entwicklung von Serienmaschinen mitgewirkt. Auch ihr Instrument, die Zither, verbindet Sie mit Deutschland.
Ich mag Deutschland sehr, denn es gibt viele schöne Orte und die Atmosphäre sagt mir zu. Ich besitze mittlerweile sechs Zithern und acht Gitarren. Vor zwölf Jahren hat mir Adi meine erste Zither geschenkt. In Japan war es schwierig einen Zither-Lehrer zu finden, aber es hat geklappt und ich ging für fünf Jahre jeden zweiten Samstag in die Zitherschule nach Yokohama. Ausserdem kenne ich auch einen deutschen Zitherspieler, den ich sehr schätze.

Themenwechsel: Adi, du hast von 2001 bis 2003 eng mit Alberto Puig und Dani Pedrosa zusammengearbeitet. Puig wirkt meist sehr ernst und diszipliniert. Wie kann man sich die Zusammenarbeit vorstellen?
Aus unserer Zusammenarbeit wurde auch eine Verbundenheit. Alberto Puig hat jahrelang internationale Talente gesichtet und ich konnte über ihn deutschen Fahrern Fördermöglichkeiten eröffnen und sie in die spanische Akademie bringen. Alberto ist neben der Strecke ein anderer Mensch. Wenn es um den Sport geht hat er eben eine feste Linie und klare Ansichten, die er vertritt. Er mag manchen als kompromisslos erscheinen, aber er ist erfolgreich.

Das ‚System Puig‘ wurde als Methode der Nachwuchsförderung bereits öfter kritisiert. Wie hart ist sein System wirklich? Warum ist es scheinbar nur für gewisse Fahrertypen erfolgreich?
Ein System gibt es als solches nicht. Alberto sichtet im Auftrag der Dorna Talente und hat dabei Prinzipien, wie jeder Trainer sie auch hat. Seine Grundsätze sind Disziplin und Bescheidenheit trotz des Erfolges. Einige können damit nicht umgehen, aber es gibt viele Wege nach Rom. Es gibt den Weg von Puig, aber auch den von Rossi oder Bradl. Spitzensportler sind nie Kopien von irgendjemandem und sie müssen alle ihren eigenen Weg finden.

Wieso scheiterte Stefan Bradl an diesem disziplinbetonten Umgang in Spanien?
Heute ist mir klar, warum das mit Stefan nicht geklappt hat. Ich kenne ihn jetzt besser. Ich dachte damals einfach, er sei weiter, aber heute leuchtet mir ein, dass er seine Familie braucht. Und, dass das auch kein Nachteil sein muss. Ich würde es heute anders machen.
Es hätte auch damals klappen können, aber Alberto hatte mit den Vätern anderer Fahrer schlechte Erfahrungen gemacht und wollte daher nicht, dass Helmut eine Rolle spielt. Doch sein Vater war Stefans Schlüssel zum Erfolg, denn er war immer da, um ihn zu leiten und sein Talent somit voll auszuschöpfen. Er ist zum grossen Teil verantwortlich für Stefans bisherigen Erfolg.

Herr Koinuma, Sie kennen Alberto Puig ebenfalls schon sehr lange. Wie würden Sie sein System beurteilen?
Ich kenne Alberto sehr gut. Er ist sehr leidenschaftlich und setzt sich stark für seine Fahrer ein, aber er ist kein Mensch der grossen Gefühle. Er versucht immer seine Fahrer zu Höchstleistungen anzuspornen. Tradition ist ihm wichtig und er will, dass sich bei einem Piloten wirklich alles um den Sport dreht. Ich denke, er hat das Herz am rechten Fleck, ist geradlinig und immer auf der Seite des Sports. Er unterstützt auch nur Fahrer, für die er eine klare Zukunft sieht. Er hat dadurch viele Feinde und ist vielleicht auch zu unflexibel, aber er geht seinen Weg und ist sehr auf Verlässlichkeit bedacht. Auch wenn man die Resultate betrachtet, ist sein Weg erfolgreich.

Stadler: Jeder denkt hierbei an Dani Pedrosa, doch auch Casey Stoner wurde von Alberto gefördert. Stoner wohnte mit seinen Eltern drei Jahre lang im Motorhome im Garten von Albertos Vater und trainierte zusammen mit Dani.

Du hast auch Mike Leitner an Dani Pedrosa vermittelt, heute ist er sein Cheftechniker. Wie konntest du dem Spanier einen österreichischen Mechaniker schmackhaft machen?
Das war eine Verkettung von Zufällen. Ich kannte Mike aus meiner aktiven Zeit. Er hat lang mit Sepp Schlögl für Ralf Waldmann gearbeitet. Als er das Team Stappert verlassen hat, war er bei Öhlins. Er fragte mich irgendwann, ob jemand einen Cheftechniker sucht. Ende 2003, als Dani Pedrosa Weltmeister wurde, fragte mich Alberto Puig, ob ich für Pedrosa als Cheftechniker arbeiten würde, aber ich war bei Honda unter Vertrag und habe deshalb Mike empfohlen.
Den Rest haben sie unter sich ausgemacht, aber ich stand Alberto für Rückfragen zur Verfügung. Mike macht seit 2004 einen guten Job und es ist nicht selbstverständlich, dass die Zusammenarbeit zwischen Fahrer und Cheftechniker so lange andauert. Aber so zeigt sich, dass auch für Dani Vertrauen an oberster Stelle steht.

Du unterstützt seit vielen Jahren junge Fahrer wie Reinhard Stolz, Marcel Schrötter, Michael Ecklmaier und viele mehr. Woher kommt die Motivation dafür Zeit zu investieren?
Ich versuche vor allem Förderer zu gewinnen und Kontakte herzustellen, das nimmt Zeit in Anspruch. Meine Motivation bei Reinhard Stolz war, dass ich dem sympathischen Kerl leicht durch mein bestehendes Equipment helfen und ihm Möglichkeiten eröffnen konnte. Keijiro Koinuma hat mir dabei oft geholfen. Ausserdem weiss ich selbst, wie schwer es ist Fuss zu fassen und es gefällt mir den Fahrern eine Freude zu machen. Wie weit sie es sportlich schaffen, ist schwer vorauszusagen.

Marcel Schrötter hat den Sprung in die WM geschafft. Mit Sepp Schlögl und Toni Mang hatte er zwei zusätzliche Förderer. Schrötter ist in diesem Team zweimal deutscher Meister und Europameister geworden. Seine erste volle WM-Saison verlief aber durchwachsen und er wechselte zu Mahindra.
Jeder hat seinen Teil zum Erfolg beigetragen. Wir hatten Top-Material von Honda und eine grossartige Vorbereitung der Maschine durch Sepp. Das Projekt hat Spass gemacht und es war auch neben der Strecke eine schöne Zeit. Bis zu einer gewissen Ebene waren wir sehr erfolgreich und Marcel hat den Sprung in die Weltmeisterschaft geschafft. Dort wollte er nach einer Saison seinen eigenen Weg gehen.

Was entscheidet heutzutage über Erfolg oder Misserfolg eines Fahrers?
Im Grunde ist wie auch früher der Fahrer selbst entscheidend. Doch der Sport ist heute viel ausgeglichener. Früher konnte man sich durch die Technik Vorteile verschaffen. Auf gefährlichen Strassenkursen konnte man mit Mut und Risikobereitschaft viel kompensieren. Heute gibt es Einheitsmotoren in der Moto2-Klasse und auch in den anderen Kategorien lässt das Reglement nur wenige technische Schlupflöcher. Aus diesem Grund rücken die Fahrer in den Vordergrund.

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