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Das Jahr der Übergänge

Kolumne von Michael Scott
Alt trifft Neu, MotoGP-Legende trifft MotoGP-Rookie: Die Saison 2013 ist von vielerlei Übergängen geprägt. Der wichtigste fand wohl von Altmeister Valentino Rossi zum jungen Überflieger Marc Márquez statt.

Im Rennsport, wie auch im wahren Leben, dreht sich alles um Übergänge. Dies ist auf vielen Ebenen zutreffend. Man muss nur den Weg einer MotoGP-Maschine durch eine Schikane betrachten. Der Wechsel der Schräglage von der einen Seite auf die andere, ohne die Linie zu verlassen oder Stabilität einzubüßen, ist der Schlüssel zu schnellen Rundenzeiten. Die Übergänge zwischen den Gängen bis zum sechsten am Ausgang einer langsamen Kurve macht Hondas ‹seamless gearbox› noch sanfter. Die verminderte Unterbrechung der Leistungsentfaltung zahlt sich in der Beschleunigungsphase aus und verbessert die Stabilität des Chassis.

Doch Übergänge finden auch auf der Fahrerseite statt. Helden kommen, werden älter und langsamer und neue Helden nehmen ihren Platz ein. Oftmals geschieht dies, bevor sie bereit sind, ihn zu räumen. Diese Übergänge sind also selten sanft und für die Abtretenden äußerst unangenehm. Es ist meist schwer, das Unausweichliche zu akzeptieren.

Die Saison 2013 war bisher reich an Übergängen. Die prominenteste war von persönlicher Natur: Márquez entriss Rossi das Zepter des Größten aller Zeiten. Natürlich ist dieser Vorgang noch nicht abgeschlossen, aber es geht schneller und sanfter vonstatten, als man es je erwartet hätte. Das trifft für beide Fahrer zu. Rossi zeigte im Laufe seiner langen und glorreichen Karriere viele historische Überholmanöver, aber drei stechen besonders heraus: der Abschuss von Sete Gibernau in der letzten Kurve beim Rennen in Jerez 2005, das Austricksen von Casey Stoner in der Corkscrew 2008 und das knappe Manöver gegen Jorge Lorenzo in der letzten Kurve des Barcelona-GP 2009.

Márquez hat in seiner ersten Saison bereits zwei dieser Schachzüge wiederholt. Den ersten führte er gegen Jorge Lorenzo vor, den zweiten gegen Valentino Rossi selbst. Er sprach davon, dem ‹Doctor› etwas von seiner eigenen Medizin verabreicht zu haben. Vielleicht zeigt er das Manöver von Barcelona im nächsten Jahr, obwohl er auch kein Problem damit hat, eigene Winkelzüge zu erfinden. Das verdankt er dem Erbe der Moto2-Klasse und seinem enormen Talent.

Neuer Hoffnungsträger für Honda

Ein weiterer Übergang stand weniger im Mittelpunkt des Interesses: wie die Rolle des Honda-Hoffnungsträgers so nahtlos von Stoner auf Márquez überging, wie die Gänge mit der berühmten ‹seamless gearbox›. Selbst wenn Dani Pedrosa den Titel in diesem Jahr gewinnt, wird das keinen Unterschied machen. Das junge Bürschchen wurde in der Stoner-Box wärmstens empfangen. Márquez übernahm Stoners Crew bis auf einen Mann, er brachte nur seinen spanischen Crewchief mit. Stoners Cheftechniker Cristian Gabarini wurde befördert und betreut nun beide Fahrer. Die Zuneigung für den Neuen kennt keine Grenzen. Das ist bei einem Blick auf die Resultate nicht überraschend, aber auch nicht in Anbetracht seiner Person. Er ist wie ein frischer Windhauch.

Der Australier Stoner lässt nicht so einfach los und Honda hat ihm seinen plötzlichen Rücktritt mittlerweile vergeben. Honda hat ihn sogar zu einer weiteren Tätigkeit eingeladen. Wenn Sie diese Kolumne lesen, dann wird der schnelle und zuweilen kratzbürstige V8-Supercar-Fahrer bereits den ersten von vier geplanten Tests auf der RC213V für 2014 in Motegi absolviert haben. Zudem wird er den Production Racer für das nächste Jahr testen. Er tut dies wahrscheinlich, um Spaß zu haben. Für Honda ist es nur die Möglichkeit, eine weitere Expertenmeinung einzuholen. Doch was bedeutet das eigentlich? Zunächst vermisst Casey die MotoGP-Maschine wirklich und bot seine Dienste bei der Entwicklung nachdrücklich an. Dies ist nicht überraschend, nachdem ihm die Herausforderung auf vier Rädern unerwartet schwer fällt. Wird er zurückkehren?

Alle versichern das Gegenteil: Hondas offizielle Antwort auf Wildcard-Einsätze von Casey in diesem Jahr lautete: «Das wird nicht in Betracht gezogen.» Stoners Worte zu seinem drohenden Rücktritt, nur wenige Wochen bevor er ihn verkündete, klangen ähnlich. Jeder kann darüber denken, was er will. Stellen Sie sich vor, wie es wäre, wenn er und Márquez auf der Strecke aufeinandertreffen würden.

Der feine Unterschied

Als Rossi ihn in Laguna Seca spektakulär überholte, rümpfte Stoner bekanntermaßen die Nase. «Ich habe etwas meinem Respekt vor ihm verloren», sagte er damals und diese Abneigung überwand er nie. Warum sollte er auch? Stoner nutze Abneigung, um aus ihr Stärke zu gewinnen. Das war seine Art. Je gereizter er war, desto schneller fuhr er.

Medien-Profi Rossi ging mit seiner Niederlage anders um, zumindest öffentlich. Der Italiener weiß um den kommerziellen Wert seines Charmes. Er erhielt für seine Reaktion auf das Rookie-Manöver viel Aufmerksamkeit und Sympathie, da er Márquez‘ Verwegenheit lobte und von Begeisterung für den Sport erfüllt schien. Es war wahrer Rennsport, so wie ihn er und seine Fans lieben. Das nächste Mal sei er an der Reihe, versprach Rossi. Wie Stoner, jedoch auf eine völlig andere Weise, nutzte er die Demütigung als Inspiration. Unterschiedliches Verhalten, gleiches Ergebnis.

Lassen wir nun unserer Fantasie freien Lauf: Casey kommt zurück und bestreitet Wildcard-Einsätze in Motegi und Phillip Island. Dort trifft er auf den Fahrer, der seinen Platz eingenommen hat. Auge in Auge. Und er hat keinen Grund sich um die Auswirkungen auf den Weltmeisterschaftskampf zu kümmern. Márquez gegen Stoner, auf gleichen Motorrädern. Das wäre wirklich sehenswert.


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