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Herlings: «Mit 7 Titeln nicht glücklicher als mit 4»

Von Frank Weeink
90 GP-Siege stehen bei Jeffrey Herlings bisher zu Buche

90 GP-Siege stehen bei Jeffrey Herlings bisher zu Buche

Red Bull-KTM-Star Jeffrey Herlings erinnert sich an den schweren Crash in Faenza und erklärt, warum er eigentlich gar keine Lust mehr auf Interviews hat.

Der vierfache Weltmeister Jeffrey Herlings war der absolute Topfavorit auf den MXGP-Titel 2020, bis er im freien Training zum zweiten Faenza-GP zu Sturz kam, zunächst regungslos liegen blieb und mit dem Helikopter abtransportiert wurde.

Rund eine halbe Stunde lang hatte der Red Bull-KTM-Star kein Gefühl mehr in den Gliedmaßen. Später wurde klar: Herlings verletzte sich bei dem Sturz die Halswirbel C1 (Atlas) und C6 sowie den Brustwirbel T3.

Die Saison des 26-jährigen Niederländers war damit frühzeitig zu Ende, ein weiterer verpasster Titel trat angesichts der bangen Minuten aber in den Hintergrund, wie Herlings im zweiten Teil des großen Interviews verrät.

Jeffrey, wie hast du den Crash erlebt?

Ich fuhr langsam, denn die Strecke war nass. Ich geriet in zwei verschiedenen Spuren, mein Fuß rutschte von der Raste und ich war am Boden. Bestimmt nicht, weil ich mit zu viel Risiko gefahren bin. Das nenne ich kein Pech mehr. So viele Jahre mit Verletzungen nenne ich kein Pech. Aber was es ist, ich habe wirklich keine Ahnung.

Ich habe mich arg erschrocken. Ich war am Boden, versuchte aufzustehen, denn ich spürte keine Schmerzen – logisch, weil ich nichts fühlen konnte – aber mein Körper machte gar nichts. Wie durch ein Wunder begann ich dann nach einigen Minuten wieder etwas zu fühlen. Und dann nach ungefähr einer halben Stunde, als würde jemand den Stecker in die Steckdose stecken. Das war das beste Gefühl, das man sich wünschen kann. Man weiß gar nicht, wie sehr man dankbar sein soll.

Hat es einen Moment gegeben, in dem du dachtest, «verdammt, es ist mir wieder passiert»?

Ach, für mich ging das Leben auch weiter. In dem Moment denkst du: «Okay, Motocross ist ganz schön und so, aber das ich wieder laufen kann, ist mir hundert, vielleicht wohl tausend Mal wichtiger als ein Weltmeistertitel».

Veilleicht hätte ich wieder fahren können nach drei oder vier Wochen, aber wozu? Der Titel war weg. Ich hatte keine Eile, ich wollte mir die Zeit nehmen, um mich zu erholen. Ich war froh, dass ich noch alles tun konnte.

Ich habe als Hobby angefangen Motocross zu fahren, später wurde es zu meinem Beruf, aber man hat nur einen Körper. Ich bin schon mal zu früh wieder auf die Strecke zurückgekehrt, jetzt denke ich, dass meine Gesundheit wichtiger ist.

Kam auch der Gedanke ans Aufhören auf?

Das ist übertrieben. Klar denkt man nach so vielen Jahren: «Ist es das alles wert?» Ich glaube, das ist normal. Aber ich habe mit den Niederlanden das Motocross of Nations gewonnen, ich war 85-ccm-Weltmeister, ich habe drei Titel in der MX2, einen in der MXGP, ich habe in Amerika ein AMA-Rennen gewonnen, ich habe 90 Grand Prix gewonnen... Natürlich kann ich noch gewinnen.

Aber wenn ich 50 Jahre alt bin und mit einem Gin Tonic auf einem Strand in Spanien liege, bin ich dann mit sieben WM-Titeln glücklicher als mit vier? Ich glaube nicht. Aber ich bin mir sicher, ich werde glücklicher sein, wenn ich wie ein normaler Mensch problemlos spazieren gehen kann.

Ich habe jedoch nie gedacht: «Ich will das alles nicht mehr». Sonst hätte ich in 2020 keinen neuen Drei-Jahres Vertrag unterzeichnet. Diese drei Jahre will ich mit voller Motivation fahren, und vielleicht kommt dann noch ein neuer Vertrag, wenn ich mich gut fühle und wenn keine unangenehmen Verletzungen dazu kommen.

Es war lange nichts mehr von dir zu hören in den Medien. Hattest du die Schnauze voll?

Ja, und noch immer. Denn auch in diesem Interview reden wir wieder von meinen Verletzungen. Aber das gehört dazu. Ich weiß, dass jedes Mal, wenn ein Journalist anruft, die Verletzungen ein Gesprächsthema sind. Manchmal denke ich dann – ich weiß nicht, ist es egoistisch oder arrogant – ich gehe nicht ans Telefon. Dann ist mir lieber, es wird nichts über mich gesagt oder geschrieben. Am Ende klingt das nur negativ: «Herlings ist wieder verletzt». Für den Sport und auch für mich ist das keine gute Werbung. Ich verstehe, dass die Presse mich danach fragt, aber es wäre mir lieber, sie schrieben über die guten Sachen, die ich gemacht habe. Das geschieht leider zu wenig.

Mir wär es auch lieber gewesen, wenn wir von deinem fünften WM-Titel hätten reden können.

Ja, aber du musst mich auch verstehen. Ich wusste, wir würden hier darüber reden. Ich verstehe es. Aber es macht wenig Spaß zu sagen: «Ich habe wieder einen Titel weggeschmissen wegen einer Verletzung.»

Gut. Worüber möchtest du dann reden?

Ha! Nein, es ist kein Problem. Es gibt momentan auch wenig zu erzählen. Ich kann nur sagen, es geht mir gut. Die Operation am Fuß wollte ich eigentlich im Sommer machen lassen. Hätten wir vorher gewusst, dass die Saison erst wieder im August anfangen würde, dann hätten wir das gemacht. Das Risiko war in der damaligen Situation jedoch zu groß.

Anfang Dezember bin ich zum ersten Mal wieder auf der KTM gesessen, zwar nur in den Niederlanden, aber alles lief gut, ohne Schmerzen. Mein Nacken fühlte sich auch gut an, wie erwartet, denn der hat mir schon nach zwei Wochen keine Probleme mehr bereitet. Ich bin super positiv.

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