Wo ist die Krise?
Wirtschaftskrise hin oder her: 2010 wird es packende Action geben
Egal, mit wem ich mich in den letzten Monaten im Fahrerlager unterhalten habe, jeder war am Jammern und Lamentieren, wie schlimm die Wirtschaftskrise nächstes Jahr in der Motocross-Szene wüten wird. Von Budgetkürzungen bis zum Verschwinden kompletter Traditions-Teams wurden die Horrorszenarien ausgemalt. Positive Äusserungen waren nicht salonfähig.
Wenn ich mir jedoch die aktuelle Lage ansehe, dann kann ich keine grossen Einschnitte erkennen. Alle Top-Fahrer bis auf Josh Coppins haben einen Vertrag in einem sehr guten Team oder stehen kurz vor der Unterzeichnung desselbigen. Wäre es nach den Schwarzsehern im Fahrerlager gegangen, wäre Ende des Jahres noch die Hälfte der ehemaligen Werksfahrer ohne Vertrag. Doch nichts davon ist eingetroffen. Mag sein, dass der eine oder andere ein paar tausend Euro weniger verdienen wird, doch keiner der Spitzenpiloten wird unter die Armutsgrenze rutschen. Davon sind wir noch weit entfernt. Solange Fahrer für stattliche Summen aus bestehenden Verträgen herausgekauft werden können, kann es um die Finanzkraft der Teams noch nicht so schlimm bestellt sein.
Kawasaki schickt drei MX1-Werksfahrer ins Rennen und wird auch die MX2-Spitzenteams zumindest mit Top-Material versorgen. KTM hat sich mit Claudio de Carli verbandelt und hat mehr offizielle Werksfahrer denn je. Ausserdem unterstützen die Österreicher weiterhin einige Privatteams. Yamaha hat nach wie vor zwei MX1-Werksfahrer, auch wenn de Dycker und Philippaerts in zwei verschiedenen Teams fahren werden. Ausserdem wird es nach wie vor MX2-Werksmaterial von Yamaha (nicht nur für Gautier Paulin) geben. Suzuki hat das MX1-Team noch immer nicht offiziell bestätigt, doch es geht weiter wie bisher mit vier Werkspiloten (MX1 + MX2). TM, CCM und Aprilia schalten nicht zurück, genauso wenig wie Husqvarna, die ein neues MX2-Team ins Rennen schicken möchten. Einzig Honda hat noch keine Werksfahrer unter Vertrag genommen. Doch Billy Mackenzie hat die Angebote anderer Teams sicher nicht ohne Grund abgelehnt.
Wo ist es also, das Tal der Tränen, durch das alle gehen sollen? Ich kann es nirgends sehen. Sicher wird es vielleicht ein, zwei kleine Teams erwischen, doch dafür rücken neue nach. Siehe Georges Jobé, der quasi aus dem Nichts drei sehr leistungsfähige MX1-Piloten ins Rennen schicken wird. Für potenzielle Geldgeber ist die Motocross-WM ein Schnäppchen. Die Vermarktung wird von Jahr zu Jahr besser, und die finanziellen Budgets sind verglichen zu anderen Motorsportarten ein Witz.
Letztendlich interessiert nur das, was der Fan an der Strecke und daheim am Fernseher geboten bekommt. Wen kümmert es, ob die Teamchefs in der Business Class zum Rennen fliegen oder im Wohnmobil anreisen? Ob die Sponsoren und Gäste Gambas oder Wurstbrote vorgesetzt bekommen? Was zählt, ist der Sport draussen auf der Strecke, und der wird auch im nächsten Jahr hochkarätig sein, davon bin ich fest überzeugt.