SidecarCross-WM Lommel: Turbulenzen im Tiefsand
Start zum zweiten Lauf: Keuben (#7), Leferink (#75), Bax (#82), Hermans (#3), Sanders (#109), Lielbardis (#101)
Wenn der seit 2017 in Lommel stattfindende Grand Prix von Belgien ansteht, kommt nicht bei allen Gespannteams pure Begeisterung auf. Auf dem Kurs nahe den Niederlanden erwartet die Akteure nämlich weicher Sand. Frisch geschoben sieht die Piste recht manierlich aus, doch über die Distanz von 35 Minuten ändert sich das grundlegend. Tiefe Spuren und Löcher erfordern ständige Konzentration und beste Kondition, um nicht unvermittelt stecken zu bleiben.
Als Gaststars hatten sich wie bereits im letzten Jahr Etienne und Robbie Bax angemeldet, die unweit auf der anderen Seite der Grenze zuhause sind. Schon im Qualifying-Race signalisierten der fünffache Weltmeister und sein ebenfalls lange Jahre als Beifahrer erfolgreicher Bruder, dass sie hier antraten, um wiederum um den Sieg mitzufahren. Auch mit von der Partie waren Gelegenheitsfahrer Julian Veldman mit Weltmeister-Copilot Glenn Janssens im Boot.
Mit diesen Stars startete Tim Prümmer in der A-Gruppe der Quali-Runde, erstmals nach fünf Wochen wieder mit Stammbeifahrer Jarno Steegmans im Boot. Im Vorfeld gab es durchaus berechtigte Skepsis, ob ein solch frühes Comeback nach einer Mittelfußfraktur funktionieren würde. Doch offensichtlich hatte sich der Belgier in seiner Auszeit konditionell fit gehalten und der Fuß schien auch zu funktionieren: Platz fünf. Ebenfalls konnten sich Tobias Hertfelder/Niki Debruyne und Benjamin Weiss/Patrick Schneider direkt qualifizieren.
Dann die Katastrophe in der B-Quali: Die Weinmann-Brüder kamen im Startgerangel zum Sturz, Fahrer Joshua wurde von nachfolgenden Gespannen überrollt und zog sich Frakturen im Bereich der Halswirbelsäule zu. Nach den ersten, allerdings unbestätigten Informationen sollen Folgeschäden durch eine Operation verhindert werden.
Abseits dieser Tragödie konnten sich Adrian Peter/Joel Hoffmann noch vor den WM-Zweiten Kilian und Evan Prunier knapp auf direktem Weg qualifizieren. Allerdings touchierte ein Konkurrent im Getümmel Peters ohnehin lädierten Rücken. Leon Hofmann/Julian Zimmermann kamen ebenso wie André Knübben/Florian Plettke auf den letzten Drücker via Last Chance in die Wertungsläufe. Jan Hoormann/Andy Schlinnertz ergatterten einen der beiden Reservisten-Plätze, Patrick Hengster/Celina Jahn schafften die Quali-Hürde nach drei Bodenproben nicht.
Bei noch etwas höheren Temperaturen dürften sich die Zuschauer beim ersten Start fast um zehn Jahre zurückversetzt gefühlt haben. In Front lagen die Bax-Brüder und direkt hinter ihnen Multi-Champion Daniel Willemsen mit Michal Gabor im Beiwagen. Doch nach einigen Runden hatte sich das Feld sortiert. Tim und Sem Leferink fanden eine Gelegenheit, an den Bax-Brüdern vorbeizuziehen, während Willemsen zunächst zurückfiel und dann aufgeben musste. Mittlerweile hatten sich Justin Keuben/Dion Rietman auf dem letzten Podiumplatz vor Brett Wilkinson/Joe Millard etabliert. In der Schlussphase konterten Bax/Bax und sahen wie im letzten Jahr als Sieger die Zielflagge.
Derweil zeigten Prümmer/Steegmans auf dem schweren Parcours mit einem achten Rang, dass sie wieder in der Spitzengruppe mitmischen können. Weiss/Schneider taten sich schwerer und retteten den 17. Platz ins Ziel. Ansonsten schafften nur Hofmann/Zimmermann die volle Distanz. Hertfelder musste nach den letzten anstrengenden Wochen ausgepowert aufgeben, Peter machte seine Rückenprobleme schwer zu schaffen und Knübbens Beifahrer Florian Plettke brach sich im Eifer des Gefechts den kleinen Finger der rechten Hand. Alle drei Teams verzichteten verständlicherweise auf die Teilnahme am zweiten Lauf. Bei solchermaßen gelichteten Reihen kamen Hoormann/Schlinnertz nun zum Zuge.
Den zweiten Start gewannen Keuben/Rietman vor Wilkinson/Millard. Doch bald zogen die Brüderpaare Bax und Leferink vorbei. Hermans/van den Bogaart und Prümmer/Steegmans waren ebenfalls auf aussichtsreichen Positionen unterwegs. So pflügte die Karawane rundenlang durch die Sandwüste. Bis Keuben sein Gespann kurz ausbremste und nicht wieder ans Laufen brachte. Bax übernahm die Führung und schien damit sicherer Gesamtsieger. Doch Video-Aufnahmen offenbarten kurz nach der Siegerehrung, dass er bei gelber Flagge überholt hatte. Die übliche Strafe: Zwei Plätze zurück. Damit waren die Leferinks Gesamtsieger.
Doch damit nicht genug. Das Gespann von Hermans/van den Bogaart havarierte auf der letzten Runde mit defekter Antriebskette, während die vom Tiefsand wenig begeisterten Pruniers als direkte Verfolger im Titelkampf auf den zehnten Rang vorfuhren. Dramatik auch bei Prümmer: Den fünften Rang eigentlich sicher, ließ die Motorleistung in der letzten Runde rapide nach. Die vorher deutlich zurückliegenden Lielbardis-Twins konnten überraschend vorbeiziehen. Dann drohte der Viertakter am letzten Hügel fast abzusterben. Prümmer sprang ab, um mit Schiebehilfe über die Kuppe zu kommen. Glücklicherweise half der Single mit ein paar letzten Lebensäußerungen nach. So retteten Prümmer/Steegmans Rang sechs vor den Lokalmatadoren Davy Sanders/Jens Vincent. Als Ursache stellte sich wenig später eine undichte Benzinleitung heraus.
Versöhnliches Ende für die deutschsprachigen Teams: Weiss/Schneider sahen als Zwölfte, Hofmann/Zimmermann als 16. und Hoormann/Schlinnertz als 18. das Ziel. Für die in den letzten Wochen stark geforderten Teams gibt es nun eine Pause bis zum GP in Straßbessenbach am 19./20. Juli. Dann dürfte auch Marvin Vanluchene wieder mit von der Partie sein. Der amtierende Weltmeister musste bei seinem Heim-GP wegen massiver Konditionsprobleme infolge einer hartnäckigen Infektionskrankheit passen.
Resultate Motocross-Gespann-WM Lommel/B:
1. Lauf: 1. E.Bax/R.Bax (ML), WSP-Husqvarna. 2. T.Leferink/S.Leferink (NL), VMC-KTM. 3. J.Keuben/Rietman (NL), VMC-AMS. 4. Wilkinson/J.Millard, (GB), WSP-Husqvarna. 5. J.Veldman/G.Janssens (NL/B). 6. Hermans/van den Bogaart (NL), WSP-Mega. 7. D.Lielbardis/B.Lielbardis (LV), WSP-Mega. 8. Prümmer/J.Steegmans (D/B), VMC-AMS. 9. Wijers/van Hal (NL), VMC-Zabel. 10. Sanders/Vincent (B/NL), WSP-Mega. 11. S.Brown/S.Grahame (GB), WSP-AMS. 12. Mulders M.van Deutekom (NL), WSP-Zabel. 13. T.van der Lagemaat/de Veene (NL), VMC-Zabel. 14. K.Prunier/E.Prunier (F), WSP-Zabel. 15. A.Devoldere/Tourbier (F), WSP-Mega. 16. Hodges/Henderson (GB), WSP-Husqvarna. 17. Weiss/Schneider (A), VMC-Zabel. 18. J.Brown/Booth (GB), VMC-Zabel. 19. Gordejev/Lebreton (EST/F), WSP-Husqvarna. 20. B.Verhees/P.Verhees (NL), VMC-AMS. 23. Hofmann/Zimmermann (D), VMC-Mega. 25. A.Knübben/Plettke (D), WSP-KTM. 27. Hertfelder/N.Debruyne (D/B), WSP-Husqvarna. 29. Peter/Hoffmann (D), VMC-Husqvarna.
2. Lauf: 1. Leferink. 2. Wilkinson. 3. Bax. 4. Wijers. 5. Lielbardis. 6. Prümmer. 7. Sanders. 8. Veldman. 9. Van de Lagemaat. 10. Prunier. 11. Hermans. 12. Weiss. 13. Mulders. 14. Willemsen. 15. Gordejev. 16. Hofmann. 17. T.Barink/G.Barink (NL). 18. J.Hoormann/Schlinnertz (D), VMC-Zabel. 19. Delmotte/Valcke (B). 20. R.Chanteloup/J.Chanteloup (F), WSP-KTM.
WM-Stand nach 10 von 18 Läufen: 1. Hermans 220 Punkte. 2. Prunier 194. 3. Wilkinson 192. 4. Keuben 154. 5. Leferink 152. 6. Lielbardis 144. 7. Weiss 141. 8. Vanluchene 137. 9. Sanders 112. 10.Wijers 106. 12. Prümmer 92. 13. Weinmann 81. 18. Peter 35. 27. Hengster 8. 30. Erlecke 7. 33. Hertfelder u. Hofmann je 6. 41. Hoormann 3.