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Big-Bang oder Screamer? Fahrer und Experten uneins

Superbike-Vizeweltmeister Alvaro Bautista tut sich bei seinem Umstieg von Ducati auf Honda, und damit vom V- auf einen Reihenmotor, schwer. Jetzt wird wieder emsig über die Zündfolgen diskutiert.

Neun Jahre fuhr Alvaro Bautista in der MotoGP-WM mit V4-Motoren, in der Superbike-WM 2019 auf der Ducati Panigale ebenfalls. Jetzt hat er bei Honda zwar ebenfalls eine Rennmaschine, die über viele MotoGP-Gene verfügt, die CBR1000RR-R hat aber einen Reihenvierzylinder.

Bautista hat sich beim Saisonstart in Australien zwar kontinuierlich gesteigert, kam über sechste Plätze aber nicht hinaus.

Sein Honda-Teamkollege Leon Haslam erklärte gegenüber SPEEDWEEK.com: «Ein V4 und R4 unterscheiden sich ganz deutlich, wie man sie fahren muss. Beim V4 muss man mehr das Drehmoment nützen, mit ihm ist man entspannter unterwegs. Die natürliche Art und Weise einen R4 zu fahren, ist härter und aggressiver, die Leistung setzt später ein. Dafür ist das Handling besser. Man muss die Zeit in anderen Bereichen als mit einem V4 holen. Wenn man nicht schnell genug ist, muss man zuerst bei sich selbst suchen, was man ändern muss.»

«Es kommt darauf an, von was für einem Reihenvierzylinder wird reden», ergänzte Ex-Weltmeister Tom Sykes. «BMW und Kawasaki fahren mit einem Screamer, in MotoGP haben die Vierzylinder eine Big-Bang-Zündfolge. In der Superbike-WM setzt Yamaha einen Reihenmotor mit Big-Bang ein und der funktioniert sehr gut. Ein Screamer geht mit den Reifen immer aggressiver um.»

Big Bang oder Screamer: Doch was bedeutet das?

«Alle Einzylindermotoren sind im Prinzip Big-Bang-Motoren», erläuterte der ehemalige Aprilia-Renndirektor Jan Witteveen. «Je größer der Hubraum, desto mehr Big-Bang. Das heißt: Eine Verbrennung pro Kurbelwellen-Umdrehung beim Zweitakter, beziehungsweise pro zwei Umdrehungen beim Viertakter. Wenn bei Mehrzylinder-Motoren die Zündfolge so geändert wird, dass sie einem Einzylinder ähnlich wird, sprechen wir von einem Big-Bang-Triebwerk.»

Dieses Konzept hat Aprilia in der 250er-WM bereits 1989 verwirklicht. Beim Zweizylindermotor wurden zwei 125-ccm-Einzylinder so miteinander gekoppelt, dass die Zündung gleichzeitig stattfand.

Außerdem gibt es bei diesem Konzept gemäß Witteveen weitere Vorteile: Die zwei Kurbelwellen drehen entgegengesetzt, somit gibt es keine Vibrationen und auch der gyroskopische Effekt ist null. «Bei Aprilia haben wir viele Varianten diesbezüglich getestet, aber die beste Lösung war immer die oben beschriebene Version. Obwohl auf dem Prüfstand nicht mehr Drehmoment vorhanden ist, beschleunigt der Motor besser. Yamaha und Honda haben das System bei den Zweitakt-Maschinen auch verwendet», schilderte Witteveen.

Big-Bang: Sorgt er für besseres Fahrverhalten?

«Die Vorteile des Big-Bang liegen im dynamischen Bereich, also im besseren Fahrverhalten, in der direkteren Verbindung vom Gasgriff zum Hinterrad. So lässt sich die Power vom Fahrer besser kontrollieren», weiß Witteveen. «Durch die höheren Drehmomentspitzen, ähnlich wie beim Einzylinder-Prinzip, wird eine bessere Beschleunigung erreicht. Der Hinterreifen erhitzt sich durch die Big-Bang-Zündfolge weniger: So erhöht sich seine Lebensdauer, oder es kann eine etwas weichere Mischung gewählt werden.»

«Bei den Vierzylindermotoren gibt es bei einer Bing-Bang-Zündfolge Probleme bei der Auswuchtung und somit mehr Vibrationen», zählte der Niederländer die Schwachstellen auf. «Die Kurbelwelle muss anders konstruiert werden, dazu brauchst du mindestens eine Ausgleichswelle. Das bringt mehr Masse und innere Reibung. Wegen der höheren Drehmomentspitzen müssen der Primärantrieb und vielleicht auch das Getriebe verstärkt werden.»

Tatsächlich schwenken die Werke seit 25 Jahren pausenlos vom Screamer auf Big-Bang – und wieder zurück. Der Schweizer swissauto-500-Konstrukteur Urs Wenger erinnert sich: «Nach der ersten Big-Bang-Mode haben die Japaner alle wieder auf den früheren Standardmotor umgestellt. Er wurde Screamer getauft – und war plötzlich wieder hip!»

Er zweifelt deshalb bis heute am Nutzen der Big-Bang-Technik: «Die Idealvorstellung eines Big-Bang wäre, wenn die ungleichmäßigen Zündpulse der Kurbelwelle in unverfälschter Form ans Hinterrad weitergeleitet würden. Dann würde in der idealen Welt das Hinterrad ungleichmäßig beschleunigt und verzögert. Bei einem Zündpuls würde der Reifen kurz durchgerissen, um danach in der langen Pause bis zum nächsten großen Zündpuls – eben Big-Bang – wieder Grip zu fassen. Dieses Zündkonzept soll ein kontrolliertes Sliden des Hinterrads bewirken.»

Nun dreht sich aber das Hinterrad durch die enorme Untersetzung zwischen Kurbelwelle und Hinterrad (Primärtrieb, Getriebe, Ritzel, Kette) etwa fünfmal langsamer als die Kurbelwelle.

Das heißt: Der Effekt wird um den Faktor 5 reduziert. Dazu kommt, dass in der Kupplung wie auch im Hinterrad Gummi-Antriebsdämpfer montiert sind. Am Schluss kommt noch der wulstige Reifen ins Spiel, der ebenfalls als Dämpfer wirkt. Wenger: «Mit all der Untersetzung sowie mit all den Gummidämpfern dazwischen bleibt vom Big-Bang-Effekt kaum etwas übrig. Wir haben das erprobt. Wir sind in der 500er-WM nur mit dem Screamer-Konzept gefahren. Mick Doohan hat 1997 bei Honda als erster Fahrer wieder vom Big-Bang auf Screamer umgestellt und alles gewonnen. Danach haben alle anderen japanischen Hersteller wieder auf Screamer gewechselt.»

«Der Big-Bang vermittelt durch die unregelmäßige Zündfolge dem Fahrer das Gefühl, der Motor drehe wesentlich niedriger», erklärte Wenger. «Dadurch haben in dieser Ära Cadalora und Co. gemeldet, der Big-Bang gehe unten raus viel besser, drehe aber oben nicht. In Wahrheit lief er auf den Newtonmeter und das PS gleich wie der Screamer. Er hat nur anders geklungen und mehr vibriert. Ob immer noch der Fahrer und das Chassis wichtiger sind?»

Dieser Schluss liegt nahe. Bautista war mit der Ducati Panigale V4R in der letzten Saison überragend, der Spanier gewann 16 Rennen und stand 24 Mal auf dem Podest. Mit diesem Motorrad konnte bis heute nur ein anderer Sieg gefeiert werden, Chaz Davies im Juli 2019 in Laguna Seca.

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