Superbike-Exot Petronas FP1: Exklusiver Fahrbericht

Von Rolf Lüthi
Die Petronas «Foggy» FP1 war und ist eine Augenweide

Die Petronas «Foggy» FP1 war und ist eine Augenweide

Zwischen 2003 und 2006 stand die ursprünglich für die MotoGP geplante Petronas FP1 in der Startaufstellung der Superbike-WM.

Zu der Zeit übte eine kleine Gruppe, zu der neben den Gebrüdern Eskil und Simon Suter auch ich gehörte, im Tösstal regelmässig den Endurosport aus – was eigentlich gar nicht geht. Das Befahren des Schweizer Waldes mit Motorfahrzeugen ist verboten. Wir taten es trotzdem und erlebten an einem einzigen Enduro-Ausflug mehr als andere in ihrem ganzen Leben.


Mit der Erwähnung dieser inzwischen allesamt verjährten Untaten ist andeutungsweise erklärt, wie es dazu kam, das ein unbedeutender freier Journalist der noch unbedeutenderen Schweizer Motorradzeitschrift «Töff» als erster Schreiberling die damals händeringend erwartete Petronas FP1 fahren durfte.

Denn der Motor der Petronas FP1 wurde von der Schweizer Firma Suter Racing in Turbenthal gebaut. Dass es dieses Motorrad überhaupt gab, war dem Superbike-Reglement geschuldet: Damit Petronas mit der FP1 an der Superbike-WM teilnehmen durfte, mussten 150 Stück einer zulassungsfähigen Strassenversion gebaut werden. In der WM gelangen einige Achtungserfolge, doch der grosse Durchbruch blieb aus (Speedweek berichtete).

Ort des Geschehens war im September 2004 meine Hausstrecke: Die Hulftegg, ein Übergang vom Kanton Zürich in den Kanton St. Gallen mit einer Passhöhe von 954 m. Die kurvenreiche Strecke ist heute teilweise begradigt, der Asphaltbelag auf der Zürcher Seite ist inzwischen saniert. Damals war der ganze Übergang eine löchrige Holperstrecke, zusätzlich gewürzt mit unregelmässigen Kurvenradien.

Noch nie zuvor flutschte ich da mit einem Motorrad so geschmeidig durch. Es reichte, die massgebenden Punkte der Strasse einen Sekundenbruchteil zu fixieren. Wie von selbst traf das Vorderrad der FP1 danach die Fixpunkte der Linie. Zentimetergenau konnte ich in einer Bergauf-Rechts den griffigsten Asphalt unmittelbar neben der gelben Markierung des Radstreifens in den Radius integrieren.

Damals gab es auf dieser Strecke noch den Schnapper, einen heimtückischen Buckel, über den man nach einer engen Bergauf-Haarnadel im ersten Gang voll drüberbeschleunigte. Mit meiner privaten Yamaha R1 stieg jedes Mal das Vorderrad heftig himmelwärts, und wenn der Reifen wieder aufsetzte, zappelte es schon mal nachdrücklich im Lenker.

Das Vorderrad der FP1 hob zwar auch kurz ab, doch nur eine Hand breit, ich konnte voll auf dem Gas bleiben. Das Aufsetzen des Vorderrads nahm ich im Lenker war, das Fahrwerk blieb ohne Reaktion. Die rückwärts drehende Kurbelwelle, damals ein Novum im Motorradmotorenbau, reduzierte offensichtlich nicht nur theoretisch die Wheelie-Tendenz.

Angetrieben wird die FP1 von einem Dreizylinder-Reihenmotor, der von der Schweizer Firma Suter Racing entwickelt und gebaut wurde. 899 ccm Hubraum, 129 PS bei 10.000/min, 92 Nm bei 9700/min. Zwei Besonderheiten fallen auf: Zum einen ist der Zylinderkopf umgedreht, der Ansaugtrakt liegt (in Fahrtrichtung) vorne, die Auspuffe führen direkt zum Maschinenheck, was eine geradlinige Führung der Ansaugluft von der Verkleidungsfront über die Airbox in die steilen Fallstrom-Einlässe ermöglicht. Zum anderen dreht sich die Kurbelwelle rückwärts, was der Wheelie-Tendenz entgegenwirkt.

Im Standgas lief der Dreizylinder-Reihenmotor leicht unrund, ab 2500/min konnte man im Verkehr mitschwimmen. Die Leistung nahm mit steigender Drehzahl in etwa linear zu, doch frappierend war die Präzision, mit der sich Power und Sound millimeterpräzise per Gasgriff freigeben liessen. Ab 7000/min war der Druck (damals) Rennstrecken-tauglich, bei 11.000 griff der Drehzahlbegrenzer ein.

Dazwischen wurde der Fahrer verwöhnt von einer millimeterklar dosierbaren, fülligen Drehmomentwelle. Das war damals, als es noch keine Traktionskontrollen und dergleichen gab, ein wesentlicher Schnellfahr-Wohlfühlfakor. Ich hätte am liebsten geschrieen vor Freude, doch das erledigten schon die drei Posaunen von Turbenthal, die neckisch aus dem Heck ragen.

Der direkt nach hinten weggeführte Auspuff hatte einen Nachteil: Es gab mächtig Feuer unterm Hintern. Die Auspuffanlage heizte einem – nein, nicht den Hintern, aber die Beine. So heftig, dass man in die Rasten stehen oder Pause machen musste, um sich Linderung zu verschaffen.

Kupplung und Getriebe waren dem damaligen Serienmaterial voraus, das Fahrwerk ein Gedicht. Hochwertiges Material von Öhlins vorne wie hinten, da waren auf der Hausstrecke, die ich doch zu kennen glaubte, plötzlich etliche Löcher und Kanten gar nicht mehr da.

Frappierend war die Neutralität des Fahrwerks. Damals trat bei Supersport-Maschinen auf schlechter Strasse schon mal Lenkerschlagen oder Kickback auf. Sowas kannte die Petronas FP1 nie. Das Handling war bei tadelloser Stabilität von spielerischer Leichtigkeit und trotzdem nicht kippelig. Mit geschmeidiger Präzision konnte man jede beliebige Schräglage einnehmen und diese im Radius jederzeit vergrössern oder verringern.

Das konnte damals allenfalls noch die MV Agusta F4, alle anderen Supersportler verhielten sich weit gewöhnungsbedürftiger, mussten bei bestimmter Schräglage verstärkt gedrückt werden oder kippten unvermittelt ab. Solches Abkippen kannte die Petronas FP1 nicht mal, wenn man sie auf der Bremse in die Kurven laufen liess und dann die Bremse löste.

Die FP1 war mehr als die Summe hochwertiger Komponenten. Ich stieg auf, und alles passte. Schlanker Knieschluss, nicht zu langer Tank, Bewegungsfreiheit vor und zurück, ebenso für Hang-off. Präzise Rückmeldungen von Fahrwerk, Motor und Bremsen, kräftiger Bass. Genannt wurden damals 181 kg fahrfertig ohne Benzin und ein Preis von 45.000 US-$.

Eigentlich hätten Eskil und Simon Suter die FP1 gar nicht rausrücken dürfen, aber meinereiner gab einfach keine Ruhe, bis er hatte, was er wollte. Vor der Publikation in Töff 10/2004 klopften wir gemeinsam den Text sorgfältig auf kulturelle Stolperfallen ab. Suter Racing durfte nicht zu oft erwähnt sein, stattdessen musste hervorgehoben werden, dass es sich um ein Supersportmotorrad des malaysischen Petronas-Konzern handelte. Denn für das Selbstverständnis der Malaysier war wichtig: Es gibt ein malaysisches Supersport-Motorrad, die malaysische Industrie ist in der Lage, so etwas zu bauen.

Alles schien fein austariert berücksichtigt, doch dann erschien das Heft. Der damalige Chef vom Dienst, dessen Name mir soeben entfallen ist, hatte es mal wieder besser gewusst und ohne Rücksprache auf dem Titelbild neben die Petronas FP1 die Schlagzeile «Swiss made» gesetzt.

Nun war Feuer nicht nur unterm Hintern des Fahrers, sondern auch im Dach bei Suter Racing. Während die Telefondrähte zwischen Turbenthal und Kuala Lumpur heiss liefen, klingelte es auch beim Autor pausenlos. Zuerst untersagte Eskil die Weitergabe von Text und Fotos unter Androhung der Todesstrafe, dann wollten Motorradmagazine aus aller Welt eben diesen Testbericht kaufen. So kam es, dass es nur einen einzigen aktuellen Testbericht der Petronas FP1 gab, zu lesen in einem Schweizer Motorradmagazin, geschrieben von einem Enduristen.

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