Tragödien an der Rennstrecke: Profit vor Ethik?

Rote Flaggen begleiten jede Tragödie
Motorsport, insbesondere auf zwei Rädern, bleibt trotz aller Verbesserungen an der persönlichen Schutzausrüstung und der Infrastruktur gefährlich. Defekte, Fahrfehler oder wie zuletzt bei der Tragödie um Borja Gomez die Verkettung unglücklicher Ereignisse werden sich nie komplett vermeiden lassen. Der Spanier wurde in einem Training im Vorfeld der JuniorGP in Magny-Cours vom Motorrad eines weiteren gestürzten Fahrers tödlich getroffen.
Wie in vielen anderen Fällen wurde auch nach dem Tod von Gomez entschieden, das Rennwochenende dennoch wie geplant durchzuziehen. Sicher gibt es Argumente dafür und dagegen, aber man darf nicht vergessen: Es handelt sich um Menschen. Nicht nur beim Verstorbenen, sondern auch in dessen Team und bei seinen Fahrerkollegen.
«Meiner Meinung nach ist es respektvoller gegenüber der Familie, dem Team und den Menschen, die dem Verstorbenen nahestehen, wenn man die Veranstaltung abbricht», sagte Filippo Fuligni, Augenzeuge des Unfalls in Magny-Cours bei yellowflagtalks.com. «Es sollte jedoch ein Verfahren geben, bei dem der Verantwortliche einen wirtschaftlichen Verlust akzeptiert, denn wenn man das Wochenende absagt, muss man den Teams das Geld zurückerstatten oder an einem anderen Ort neu organisieren. Vor allem in den unteren Ligen zahlen viele Fahrer. Verlieren sie das Geld, das sie bezahlt haben? Muss das Team es zurückgeben und damit Verluste machen? Muss weiteres Geld ausgegeben werden, um ein anderes Rennen zu fahren? Es ist ein kompliziertes System, ganz zu schweigen von den Einschränkungen durch die Fernsehrechte.»
Bei der JuniorGP in Frankreich wollten zunächst viele Piloten den Event boykottieren, doch am Ende blieb nur ein Pilot standhaft.
«Ich fand es nicht richtig, dass einige Fahrer, die nicht fahren wollten, ihre Meinung änderten, weil alle anderen fuhren und sie in Gefahr liefen, Punkte in der Meisterschaft zu verlieren», betonte Fuligni, der selbst auch an den Rennen teilnahm. «Andere wollten wiederum davon profitieren, weil jemand verzichten wollte. Der einzige, der bei seiner Entscheidung blieb, war Sanchis, der nicht gefahren ist. Meiner Meinung nach muss klar sein: Entweder fahren alle, oder alle gehen nach Hause – was mir persönlich recht gewesen wäre, um den Kopf frei zu bekommen.»
Der letzte Todesfall in der seriennahen Weltmeisterschaft war der im Saisonfinale der Supersport-WM 300 in Portimao 2022 schwer gestürzte Victor Steeman. Nur ein Jahr zuvor in Jerez ließ Dean Berta Vinales in derselben Klasse sein Leben.
«Bei Viñales passierte das Gleiche wie bei Borja: Er starb auf der Rennstrecke. Das Tagesprogramm wurde daraufhin abgebrochen und am nächsten Tag fortgesetzt. Wir haben damals eine Sitzung abgehalten, ob wir fahren oder nicht», erinnert sich Marco Gaggi. «Wir von der 300er-Klasse waren geteilter Meinung. Der Veranstalter hat uns dann klargemacht, dass die Meinung der Superbike-Fahrer mehr zählt. Sie haben sich für die Rennen entschieden, und wir mussten uns daran anpassen. Ich wäre dafür, in solchen Fällen nicht zu fahren, aber das Dilemma ist: Sagt man nur einen Tag oder das ganze Wochenende ab? Ich hingegen konnte mich nicht ablenken, als Viñales starb. Jedes Mal, wenn ich an dieser Kurve vorbeifuhr, musste ich daran denken – ich denke noch heute daran, weil wir ein großartiges Verhältnis hatten.»