Hahnenkampf bei Aprilia
Da ist passiert: Simoncelli (58) geht an Biaggi (3) vorbei
Wie kam es dazu? Als ich montags vor dem Rennen auf dem Weg nach Mugello zum Test war, versuchte ich mich gerade an den Gedanken zu gewöhnen, mein Renn-Comeback in der Superbike-WM zu geben. «Würdest du für uns fahren», war die Frage von Luigi Dall'Igna, als ich mich gerade am Flughafen Zürich am Security Check unbeliebt machte. «Wenn es keine Alternative gibt und ihr keinen jungen Wilden findet, dann werde ich wohl drauf steigen», war meine Antwort. Ich hatte zwar nur Unterhosen für den Test dabei, aber auch in Imola soll es Waschmaschinen geben.
Im Flieger nach Florenz ging mir dann einiges durch den Kopf. Der Speed machte mir weniger Sorgen, mehr der Fakt, dass ich seit meinem letzten MotoGP-Rennen vor zwei Jahren nicht gerade an Risikobereitschaft dazugewonnen habe. «In die erste Ecke werde ich reinhalten, wie eine Oma beim Einparken», gab ich Gigi in unserem Telefonat noch zu bedenken.
Im Leihwagen nach Barberino di Mugello dann die Überraschung: «Simoncelli wird in Imola für uns fahren, du musst morgen ein Bike abgeben, denn er wird mit dir testen», so Dall’Igna. «Supersic» hatte ich nun wirklich nicht auf der Liste, aber die Idee fand ich genial.
Am ersten Testtag ging es locker zur Sache. Marco fuhr so viel wie möglich, und wir hatten die Möglichkeit, einige Runden zusammen zu fahren. Was ich dort auf der Rennstrecke beobachten durfte, nahm mir alle Sorgen über seinen Blitzeinsatz. Sein Fahrstil passte von Anfang an zur RSV4, und die guten Rundenzeiten kamen dementsprechend schnell.
Rechtzeitig zum zweiten Testtag herrschte dann Rush hour in unserer Box. Denn auch [*Person Max Biaggi*] liess es sich nicht nehmen, noch ein paar Testrunden vor Imola zu drehen. Dabei wurde er gerade Stunden zuvor das erste Mal Vater und sah nicht gerade ausgeschlafen aus. Sofort war Spannung in der Luft – Simoncelli und Biaggi würdigten sich keines Blickes. Liebe auf den ersten Blick war bereits ausgeschlossen. Ich sass mittendrin und durfte schmunzeln.
Nach dem Test dann bereits der erste Eklat. Die offiziellen Testzeiten waren: Biaggi 1:53,397 min; Simoncelli 1:53,478; Hofmann 1:53,798 (für den Fall, dass es einen interessiert). In der Pressemitteilung wurden aber beide Italiener mit 1:53,4 min angegeben.
Nach etwas Drama musste auf Wunsch von Max alles rückgängig gemacht werden und die News mit den berichtigten Zeiten per Mail um den Planeten gejagt werden!
Ich für meinen Teil konnte das Rennwochenende kaum erwarten. Denn seit einiger Zeit hatte ich das Gefühl, dass die Aprilia RSV4 bereits mehr Potenzial besitzt, als Biaggi und Nakano auf der Rennstrecke zeigen. Nur bin ich nun mal nicht mehr in der Lage, es zu beweisen. Fehlende Lebensmüdigkeit und leicht ansetzender Journalisten-Speck tragen ihren Teil dazu bei.
Am Renntag kam dann alles noch besser als erwartet. Trotz verkürzten Trainings und fehlender Streckenkenntnis bügelte «die Locke» Simoncelli bei seinem zweiten Superbike-Rennen den «Grande» Max Biaggi. Ohne zu meckern und zu jammern fuhr Simoncelli sich in die Herzen der SBK-Fans und der Aprilia-Mechaniker. Da blieb es Max Biaggi nur noch artig zu gratulieren und darauf hinzuweisen, dass er ja bereits an die Meisterschaft denken müsse. Das lassen wir jetzt mal so stehen ...
Ein smarter Schachzug aus Noale: Nach den schlechten Tests im Sommer wurde Imola gefürchtet. Aber die extra Motivation zweier Rennfahrer, die unbedingt den Hahnenkampf gewinnen wollten, brachte zwei weitere Podestplätze und die Gewissheit, dass man den Hersteller Aprilia mit seiner RSV4 für die kommende Saison auf die Liste der Titelanwärter setzen muss.
Ich werde weiterhin alles geben, um meinen Teil dazu beizutragen. Wenn auch «nur noch» als Testfahrer ...
Alex # 66
P.S.: An alle Max-Biaggi-Fans: Er ist immer noch ein grossartiger Rennfahrer. Sein Können steht ausser Frage, nur sein Charakter ist immer wieder mal eine Frage wert.