Rolf Biland: Packende Erzählungen, Lob für Waltisperg

Von Waldemar Da Rin
Rolf Biland galt als technischer Revoluzzer des Gespannsports. Und als er keine Gegner mehr hatte, griff er die 500-ccm-Solo-Bestzeiten an. Durch diesen Übermut ging der WM-Titel 1982 verloren.

Die beiden Schweizer Rolf Biland (er wird am 1. April 70 Jahre alt) und Kurt Waltisperg gewannen zusammen sechs Weltmeistertitel in der Seitenwagenklasse. Während der langjährigen gemeinsamen Karriere gab es aber nicht nur beachtliche Erfolge zu feiern, sondern auch etliche Tiefschläge, verpasste Titelgewinne und ein paar heftige Abflüge zu verdauen.

Weil sie im Dreiradsport keine echten Gegner mehr hatten, wollten Biland/Waltisperg 1982 in Mugello die Rundenzeiten der 500-ccm-Solo-Klasse unterbieten. Sie überschlugen sich jedoch bereits im Donnerstag-Training – und Rolf erlitt dabei einen Schlüsselbeinbruch. Dadurch entrissen Schwärzel/Huber den Schweizern den sicher geglaubten WM-Titel. Denn die Schweizer Gespann-Weltmeister konnten in Mugello nicht antreten und waren beim Finale in Hockenheim nicht nicht vollfit. Biland gewann sechs Rennen, Schwärzel keines. In Imatra gab es nur halbe Punkte, weil das Rennen nach dem tödlichen Unfall von Jock Taylor abgebrochen und nicht die ganze Distanz gefahren wurde.

Erst am Samstag, 26. April 1987, gelang es dem Duo Biland/Waltisperg in Jerez dann tatsächlich: Sie unterboten die 500-ccm-Solo-Zeit von Weltmeister Eddie Lawson auf der Werks-Yamaha!

1991 überschlugen sich Biland/Waltisperg in Laguna Seca bereits im Freitagtraining, diesmal aber war ein auf der Strecke herumkugelnder Beifahrer schuld.

1979 fanden zwei getrennte Seitenwagen-WM-Klassen statt, jene mit Achschenkellenkung (B2b) und jene mit konventionellen Chassis (B2a). Die Klasse der achsschenkelgelenkten Fahrzeuge galt als Domäne von Technik-Revoluzzer Biland. Doch ausgerechnet in dieser B2b-Kategorie fanden nur sechs WM-Rennen statt, es gab nur ca. zehn dieser modernen Dreirad-Fahrzeuge. Biland fiel einmal aus, deshalb ging der Titel knapp an die beständigeren Landsleute Bruno Holzer/Charly Meierhans auf einer LCR-Yamaha. Biland, der heute an der Nasenscheidewand («Ich bekam nicht mehr genug Luft. Das war wohl eine Auswirkung des jahrelangen Box-Trainings») operiert wurde, tröstete sich mit dem B2a-WM-Titel auf einer Schmid-Yamaha.

1997 beendeten Biland/Waltisperg ihre Karriere, die Seitenwagen-Teams hatten damals nur noch einen Weltcup. Das Finale fand in Cartagena statt, Biland fiel aus.

Am Abend trafen sich Biland/Waltisperg mit dem Team und einigen Weggefährten in einem Restaurant am Hafen. Biland gönnte sich ein Glas Wein und eine Zigarre und verabschiedete sich unter Tränen von den anwesenden Journalisten und dem TV-Reporter aus der Schweiz.

Seither nimmt das erfolgreichste Seitenwagen-Duo der Welt nur noch an Klassik-Veranstaltungen wie in Schwanenstadt oder in Cadwell Park in England. Biland: «Wir sind 2018, also 40 Jahre später, das erste Mal in Cadwell Park gewesen und da kamen Fans mit dem Originalprogramm von der Tourist Trophy 1978 und holten Autogramme. Die Briten sind richtige Hardcore- Racefans, die jeden Rennfahrer respektieren. Wir gehen immer gerne dort hin. Wir fahren bei diesen Events mit dem Gespann von 1997, das ich behalten habe, obwohl mir schon beträchtliche Summen dafür geboten wurden. So lange es Kurt noch Spass macht mitzufahren, behalte ich es auch.»

Der Sammler Heini Franz hat fast alle Dreiräder von Biland erworben, wie auch einen Großteil seiner Pokale und jene von Waltisperg als Doppel dazu.

Die Seitenwagen-Weltmeisterschaft verfolgt Rolf Biland aber immer noch sehr genau. Er hat Lukas Wyssen (Sohn von Toni Wyssen, der mit Bruder Kilian 1988 Seitenwagen-Europameister wurde) am Anfang von dessen Karriere auch technisch unterstützt und für ihn mit dem Treibstoffunternehmen Gustoil einen Hauptsponsor gefunden.

«Die ersten drei, vier Gespanne in der WM fahren heute auf einem sehr hohen Niveau. Zu meiner Zeit waren es sicher ein paar mehr, die um Siege oder Podestplätze mitfighten konnten. Konstrukteur Louis Christen hat zudem mit den Birchalls auch die Nachfolge von LCR geregelt. Die Outfits werden jetzt von Ben und Tom Birchall in England gebaut.»

Rolf, mit Kurt Waltisperg hast du zwischen 1979 und 1994 sechs WM-Titel gewonnen. Was hat ihn als Beifahrer so speziell gemacht?

Dass du ihn nicht gespürt hast! Das macht den perfekten Beifahrer aus. Ohne Kurt wären diese Erfolge nie möglich gewesen. Er war meine beste Lebensversicherung.

Als du einmal unbedingt Karbonbremsen kaufen wolltest, war Waltisperg aber nicht begeistert, da die doch sehr teuer waren.

Ja, das stimmt. Ich war der Meinung, dass wir uns Karbonbremsen kaufen sollten. Kurt fragte mich, was die kosten und wie viel Gewicht man damit sparen kann. Ich habe geantwortet: «10.000 Franken und 3 kg.» Er meinte dann, ich soll das Geld ihm geben und er würde dafür drei Kilo abnehmen. (Er lacht). Aber am Schluss habe ich mich trotzdem für die Karbonbremsen entschieden.

Obwohl ihr die ganze Saison immer gemeinsam unterwegs gewesen seid, habt ihr euch in der Winterpause praktisch nie getroffen. Ist das bewusst geschehen?

Wir konnten so etwas Abstand gewinnen. Kurt hat ja auch seinen eigenen Freundeskreis, vielleicht wären wir uns sonst noch auf den Keks gegangen.

In deiner langjährigen Karriere gab es auch ein paar heftige Abflüge. Denn du wolltest in deinem Übermut die 500-ccm-Solo-Zeiten unterbieten und bist deshalb in Mugello 1982 abgeflogen. So wurde Erzrivale Schwärzel Weltmeister. 1991 habt ihr euch in Laguna Seca im Freitagtraining überschlagen.

Das in Laguna war nicht unser Fehler. Vor uns ist ein Beifahrer vom Gespann und uns genau vor die Räder gefallen. Ich konnte nicht mehr ausweichen und deshalb kam es zum Überschlag.

Du hast dir damals einmal mehr das Schlüsselbein gebrochen. Die Schweizer Boulevard-Zeitung BLICK schrieb: «Biland: Saison beendet. Gespann: Totalschaden.» Aber du hast am Rennen teilgenommen!

Ich habe mich in Amerika im Sanitätszelt vom deutschen Arzt Christoph Scholl behandeln lassen, der früher den 250-ccm-Piloten Reinhold Roth betreut hat und mit Ralf Waldmann in den USA war.

Ich habe Scholl angefleht, er solle mir für das Rennen bitte eine Starterlaubnis besorgen, denn wir würden das Startgeld dringend brauchen.

In der Zwischenzeit bauten meine Gegner unter dem Kommando von Rolf Steinhausen das übel zugerichtete Gespann wieder auf und machten es für Sonntag startklar. Es war unglaublich, welcher Zusammenhalt die Gespann-Szene geprägt hat, obwohl man sich auf der Strecke auch mal gegenseitig in die «Kiste» gefahren ist.

Ihr habt das Rennen in Laguna Seca auf dem vierten Platz beendet.

Dr. Christoph Scholl kam dann nach dem Rennen zu mir ins Zelt. Er gratulierte mir und sagte anerkennend: «Sie sind ein wirklich harter Hund.»

Dr. Scholl hat mir fürs Rennen die richtige Spritze und einen Fitnessdrink verabreicht… Ich musste aber nochmals beim Rennarzt vortraben und fünf Liegestütze machen, um die Starterlaubnis zu erhalten. Ich war jedoch damals so fit, dass ich die Liegestütze locker mit einem Arm gemacht habe und die andere Seite schonen konnte (Er lacht). Aber zwei Runden vor Schluss musste ich dann schon leiden.

1996 folgte in Donington Park der wohl spektakulärste Abflug des Duos Biland/Waltisperg. Dass ihr beiden den mehrfachen Überschlag unverletzt überstanden habt, grenzte an ein Wunder.

Ich bin schon 1975 mit Freddy Freiburghaus in Mettet in Belgien bei einem Internationalen Rrennen wegen einer gebrochenen Vorderradaufhängung ziemlich böse abgeflogen, aber auch damals haben wir uns nicht ernsthaft verletzt.

In Donington war es so, dass ich beim Anbremsen auf die Zielkurve nur noch vorne bremsen konnte. Das nützte aber wenig, wenn die hinteren beiden Bremsen fehlen. Ich begann dann zu pumpen, man sieht auf den Aufnahmen auch, wie das Vorderrad dreimal blockiert hat. Eine Kurve vorher, in der Haarnadelkurve Melbourne, funktionierten die Bremsen noch. Vermutlich haben sie dort überhitzt und es bildeten sich Bläschen in der Bremszange, das hintere Bremssystem fiel aus.

Ja, das war ein ganz heftiger Abflug. Aber am meisten Sorgen machte ich mir wegen den zahlreichen Streckenposten, die dort standen. Wow, da haben wir alle zusammen viel Glück gehabt.
Wir haben den Grand Prix trotzdem von der Pole-Position aus gewonnen. Im Rennen reichte es aber nur für dem zweiten Platz.

Die aktuellen Weltmeister Darren Dixon und Andy Hetherington aus England gewannen auf dem Windle-ADM Gespann und verteidigten ihren WM-Titel erfolgreich.

Nervt es dich nicht, dass ihr mit eurem swissauto-500-ccm-Motor von Urs Wenger nie Weltmeister geworden seid, Dixon mit dem ADM-Triebwerk aber gleich zweimal?

Sicher haben wir uns geärgert. Es war ja alles von uns kopiert, aber wir hatten einfach zu viele Ausfälle, das war das Übel. 1987 fuhr ich einen von Harald Bartol getunten Krauser-Reihenmotor, mit dem waren wir in Jerez damals schneller als Lawson. Auch dieses Tuning ging dann später zu Charly Auf der Maur und ADM rüber. Wie gesagt, wir waren überhaupt nicht langsam und die Ausfälle passierten teilweise wegen lächerlichen Kleinigkeiten.

1997 hatten die Gespanne vorübergehend keinen WM-Status mehr, sie wurden zu einem Welt-Cup degradiert». Im letzten Rennen deiner Karriere in Cartagena/Spanien bist du ausgefallen. Du bist an der Box ausgestiegen und hast mit dem Stiefel gegen die Verkleidung gekickt. So sauer warst du.

Es war wirklich ärgerlich, denn es war nur die Kette, die am hinteren Ritzel übersprungen ist. Wir hatten sie wohl zu wenig gespannt. Das wir im letzten Rennen unsere Laufbahn mit so einem lapidaren Defekt ausgefallen sind, war echt doof.

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